Kreis Pinneberg. Es fehlt an Wohnraum, Kita-Plätzen, Sprachkursen, sagen die Bürgermeister und Amtsdirektoren. Ihre Forderungen an die Politik in Kiel.
Großer einmütiger Protest der Kommunen im Kreis Pinneberg gegen die Flüchtlingspolitik des Landes. Die Städte und Gemeinden seien am Ende ihrer Möglichkeiten, die vielen geflüchteten Menschen aufzunehmen, klagen sie. Von einer Integration der Geflüchteten könne zurzeit keine Rede sein, angesichts völlig überfüllter Kindergärten, Schulen und Deutschkursen.
„Wir sind der bevölkerungsreichste, zugleich aber flächenmäßig kleinste Kreis in Schleswig-Holstein“, argumentiert Landrätin Elfi Heesch. Kein anderer Kreis habe mehr Asylsuchende aufgenommen. „Wir haben ein großes Herz, aber unsere Aufnahme-Kapazitäten sind begrenzt.“
Nun seien die Kapazitäten ausgeschöpft, klagten am Montagmittag im Kreishaus sechs hauptamtliche Bürgermeister, drei Amtsdirektoren sowie ein Stadtrat und die Landrätin. Sie alle erneuerten ihre Forderungen an die Landesregierung, die sie vor einem Monat bereits Sozialministerin Aminata Touré bei einem Flüchtlingsgipfelgespräch in Wedel unterbreitet hatten. Die Antworten aus Kiel dazu seien bislang „nicht lösungsorientiert“ gewesen, kritisiert Landrätin Heesch.
Kreis Pinneberg: Kommunen schlagen Alarm – kein Platz mehr für Geflüchtete
So müsse das Land dringend den Verteilungsschlüssel ändern und die Menschen, die keine Bleibeperspektive hätten, in den Landesunterkünften belassen und gar nicht erst den Kreisen zuteilen, fordert Marc Trampe, Bürgermeister von Rellingen. „Das würde uns kurzfristig Entlastung bringen. Die Kommunen sind an ihre Belastungsgrenze gekommen.“
Ansonsten setze die Landesregierung unnötig den sozialen Frieden aufs Spiel, warnt Elmshorns Erster Stadtrat Dirk Moritz. „So geht es nicht weiter.“ Die am dichtesten besiedelte Stadt des Landes müsse jetzt Containerdörfer aufstellen, weil sie mit 2500 Geflüchteten am Ende ihrer Unterbringungsmöglichkeiten sei. „Das wird bei uns sozialen Sprengstoff erzeugen, weil sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger beschweren, dass es keine freien Wohnungen mehr gibt.“
Halstenbek: Gemeinde hat bereits 20 Container aufgestellt
Andernorts sieht es ähnlich düster aus. Halstenbek habe bereits 20 Container für geflüchtete Menschen angeschafft, sagt Bürgermeister Jan Krohn. Das Amt Rantzau mit seinen zehn Gemeinden werde demnächst in Heede fünf Holzcontainer für Geflüchtete aufstellen, kündigt Amtsdirektor Matthias Bagger an. Es gebe dort keine freien Einfamilienhäuser mehr, die das Amt anmieten könnte.
Ähnlich schwierig stellt sich die Situation im Amt Geest und Marsch dar, erklärt Amtsdirektor Frank Wulff. „Wir haben ohnehin kaum Mietwohnungen, sondern vor allem Einzelhausbebauung.“ Noch müssten seine zehn Gemeinden nicht Dorfgemeinschaftshäuser oder Turnhallen umwidmen, um darin Flüchtlinge unterzubringen. Diese Diskussion könnte aber schon sehr bald drohen.
Pinneberg: Stadt startet Aufruf an die Bevölkerung
Besonders schwierig scheint die Situation aber in den größeren Städten zu sein. Die Kreisstadt Pinneberg sucht dringend nach geeignetem Wohnraum und ließ dazu am Montag einen öffentlichen Aufruf starten. Mit 400 geflüchteten im vorigen und weiteren 44 in diesem Jahr „verfügt die Stadt nur noch über wenig Kapazitäten, um geflohenen Menschen, die der Stadt zugewiesen werden, unterzubringen“, klagt Büroleiter Marco Bröcker. Wer der Kreisstadt kurzfristig helfen, möge sich telefonisch (04101/211 31 00) oder per Mail ans Rathaus wenden: bauverwaltung@stadtverwaltung.pinneberg.de
Die überall fehlenden Unterkünfte seien nur das eine Problem. „Containerdörfer können doch nur eine Übergangslösung sein“, sagt Sabine Kählert, Bürgermeisterin der Stadt Tornesch, der es bislang noch gelungen sei, alle zugewiesenen Flüchtlinge dezentral unterzubringen. „Wichtig ist es doch aber, diesen Menschen eine Perspektive zum Leben zu geben.“ Das heiße, ihnen und ihren Kindern außer einem Dach über den Kopf auch ausreichend Sprachkurse, Kita-Plätze und Schulangebote machen zu können. Das sei kaum noch möglich, klagt die Tornescher Verwaltungschefin.
Tornesch: Für Sprachkurse stehen die Menschen Schlange
Ihre Amtskollegen geben ihr Recht. „Unsere Volkshochschule platzt aus allen Nähten“, sagt Wedels Bürgermeister Gernot Kaser. Fünf der sechs Schulen müssten erweitert werden. Elmshorn habe gerade seine Grundschulen für rund 20 Millionen Euro saniert und erweitert, sagt Stadtrat Moritz. „Das mussten wir ganz alleine stemmen ohne Fördergelder. Wir brauchen dringend unbürokratische Hilfe von Bund und Land.“ In Tornesch würden in drei Kitas 90 zusätzliche Plätze durch Anbauten geschaffen, sagt Kählert. Für die Sprachkurse, die mit 180 Plätzen ausgebucht seien, stünden die Menschen mehrere Stockwerke bis vor den Eingang des Rathauses Schlange, um sich anzumelden.
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Hier fehle es den Städten und Gemeinden nicht nur an Geld, sondern auch am Personal, klagt Rellingens Bürgermeister Trampe. „Wir brauchen neue Fördertöpfe, um das Personal dafür langfristig finanzieren zu können.“
Kreis Pinneberg muss elf Prozent der nach Schleswig-Holstein Geflüchteten aufnehmen
Landesweit galt es im vorigen Jahr, 37.434 geflüchtete Menschen unterzubringen. Das waren fast neunmal so viele Menschen wie im Jahr davor. In diesem Jahr sind bis Ende Mai 6411 Menschen in den Norden geflüchtet. Der Kreis Pinneberg hat nach Angaben der Kreisverwaltung im vorigen Jahr insgesamt 3987 Geflüchtete aufgenommen. In diesem Jahr seien es bislang 686 Geflüchtete für den Kreis Pinneberg gewesen. Nach dem geltenden Verteilungsschlüssel müsse der Kreis etwa elf Prozent der landesweiten Flüchtlinge aufnehmen.
Insgesamt leben heute 47.800 Menschen mit ausländischem Pass im Kreis Pinneberg. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2012, als es hier 21.500 Ausländerinnen und Zugewanderte gab.