Umweltministerium verankert Möglichkeit zur Enteignung von Hauseigentümern im Atomgesetz. Evangelische Kirche wäre betroffen.

Hannover/Berlin. Der Plan der Bundesregierung, bei der Suche nach einem Atomendlager notfalls auch Grundbesitzer zu enteignen, stößt auf heftigen Widerstand. Atomkraftgegner und die Opposition reagierten am Montag empört. Die evangelische Kirche, einer der Grundbesitzer, kündigte Widerstand gegen eine mögliche Enteignung an. Aus Sicht der Atomkraftgegner hat sich die schwarz-gelbe Koalition bereits auf den Salzstock Gorleben als Endlager für hoch radioaktiven Abfall festgelegt. Nach zehn Jahren Pause will die Bundesregierung denStandort im Wendland bald wieder auf seine Eignung als Endlager untersuchen lassen.

Das Projekt steht wegen der Eigentumsrechte von Grundbesitzern aber vor Problemen. Für die Untersuchungen unter Tage hatten zwar mehr als 100 Grundeigentümer Rechte abgetreten, allerdings nur bis zum Jahr 2015. Deshalb muss der Bund mit den Grundstückseigentümern neu verhandeln. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) plant aber auch, in das neue Atomgesetz wieder die Möglichkeit der Enteignung aufzunehmen. Rot-Grün hatte diese Möglichkeit 2002 abgeschafft. Die evangelische Kirche kündigte Widerstand gegen eine mögliche Enteignung an. „Gegen eine Enteignung werden wir uns natürlich wehren. Wir werden uns das nicht einfach gefallen lassen“, sagte der Superintendent im evangelischen Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg, Stephan Wichert-von Holten.

Kirchengemeinden in der Region und der Waldbesitzer Andreas Graf von Bernstorff hatten sich bereits vor rund 20 Jahren geweigert, dem Bund Rechte für die Erkundungsarbeiten für ein mögliches Endlager in Gorleben abzutreten. Ihnen gehören Grundstücke über dem Salzstock im Kreis Lüchow-Dannenberg. Deshalb wurde bisher nur eine Hälfte des Salzstocks untersucht. Superintendent Wichert-von-Holten kritisierte außerdem die Informationspolitik von Umweltminister Röttgen. Der Pastor sagte, er erwarte, dass die Bundesregierung das Gespräch mit den Menschen im Wendland suche. „Wir hoffen, dass sie auf uns zukommen und dass es zu vernünftigen Gesprächen kommt.“ Bislang habe es keinen Dialog mit den Menschen vor Ort gegeben. „Wir sind alle sehr enttäuscht und erbost über die Entscheidungen, die in Berlin getroffen werden.“ Die SPD,Grüne und Linke warfen der Regierung eine Vorfestlegung auf den Standort Gorleben vor. „Dem schwarz-gelben Lobbysystem sind alle Mittel recht: Nach Geheimabsprachen mit den großen Stromkonzernen droht die Bundesregierung jetzt mit Zwangsenteignungen zur Durchsetzung des Endlagers Gorleben“, sagte die SPD-Obfrau im Gorleben-Untersuchungsausschuss, Ute Vogt, in Berlin.

„Das Gerede von einer ergebnisoffenen Erkundung ist eine Lüge“, kritisierte der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. „Für die Bürger im Wendland ist das ein Affront, der das Vertrauen in den Rechtsstaat beschädigt.“ Der Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke, beklagte: „Die schwarz-gelbe Koalition faselt von Dialog und Transparenz, aber handelt zutiefst undemokratisch und bürgerfern.“ Nach seinen Angaben zieht das Bundesamt für Strahlenschutz bereits Erkundigungen ein, welche Grundeigentümer von Enteignungen betroffen sein könnten.

Am Donnerstag tagt der Untersuchungsausschuss des Bundestags in Gorleben. Der Ausschuss geht der Frage nach, ob Gorleben in den 80er Jahren einseitig als möglicher Endlagerstandort von der Politik durchgesetzt wurde oder ob dies auf wissenschaftlich fundierter Basis geschah. Unterdessen werden für die Erkundung desSalzstocks noch Spezialisten gesucht. Bislang arbeiten dort rund 100 Beschäftigte.