Große Gewinner sind nach einer Umfrage die Grünen, die FDP fällt auf 5 Prozent zurück. Die Debatte um die Neuwahlen geht unterdessen weiter.

Kiel. Nur elf Monate nach der Landtagswahl ist in Schleswig-Holstein die Stimmung unter den Wählern gekippt – mit den Grünen als großen Gewinnern. Einer Umfrage zufolge rangieren CDU und SPD in der sogenannten Sonntagsfrage gleichauf bei 32 Prozent, während die Grünen auf 19 Prozent hochschnellen und die FDP auf 5 Prozent abstürzt. Dies ergab eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap für die NDR 1 Welle Nord und das Schleswig-Holstein Magazin des NDR Fernsehens. Die Linke und der SSW erhielten je 4 Prozent, wenn an diesem Sonntag gewählt würde. Bei der Frage nach einer Wunschkoalition ergab sich eine klare Präferenz für ein Bündnis aus SPD und Grünen (28 Prozent). Ein Zusammenschluss von CDU/FDP – wie es jetzt besteht – präferierten 12 Prozent. Auf den gleichen Wert kam eine große Koalition aus CDU und SPD. Nur 7 Prozent erhielt Schwarz-Grün.

+++ Umfrage: CDU und SPD in der Wählergunst gleichauf +++

Infratest dimap hat an diesem Montag und Dienstag – nach der Anordnung einer Neuwahl des Landtages bis Herbst 2012 durch das Landesverfassungsgericht – 1001 wahlberechtigte Schleswig-Holsteiner befragt. (Fehlertoleranz 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte). Im Ergebnis hätten die Grünen die Wahl: Sie könnten mit CDU oder SPD regieren. Zur Landtagswahl am 27. September 2009 sah das Ergebnis noch völlig anders aus: Die CDU lag mit 31,5 Prozent klar vor der SPD mit 25,4 Prozent, gefolgt von FDP mit 14,9 und Grünen mit 12,4 Prozent. Die Linke stand bei 6,0 Prozent, der SSW bei 4,3.

Unterdessen geht die Neuwahl-Debatte weiter. Für viele Landespolitiker ist der Weg zum vorgezogenen Urnengang noch unklar, für das Landesverfassungsgericht offenkundig nicht. „Er ist im Urteil beschrieben, auch wenn die Konstellation, die zu entscheiden war, im Gesetz so nirgends geregelt ist“, sagte Gerichtssprecherin Christine Nordmann. Das Urteil orientiere sich an den Regelungen im Wahlgesetz zur Wiederholungswahl – nur mit einer weit längeren Frist von zwei Jahren statt sechs Wochen. Damit weisen die Richter nach dpa-Informationen diesen Weg: Nach Verabschiedung des neuen Wahlgesetzes legt die Regierung den Wahltermin fest, der weitere Ablauf ist wie sonst auch. Demnach müsste sich der Landtag nicht selbst auflösen. Er muss laut Gerichtsurteil bis Ende September 2012 neu gewählt werden, weil das Wahlgesetz gegen die Verfassung verstößt. Zu der Frist sagte Sprecherin Nordmann: „Wenn der Termin vor September 2012 liegen kann, soll die Wahl auch vorher abgehalten werden.“

Die CDU stellt als erste Partei personelle Weichen für die Vorgezogene Neuwahl

Fraktionschef Christian von Boetticher, 39, soll in knapp drei Wochen den Parteivorsitz von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen , 63, übernehmen und wird die CDU damit absehbar als Spitzenkandidat und möglicherweise Ministerpräsident in die Neuwahl führen. In der SPD ist unklar, ob Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner erneut antritt. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) leitete seinen Rückzug auf Raten selbst ein. Der Diplom-Bauer gab bekannt, dass er anders als noch vor Tagen angekündigt am 18. September auf dem Parteitag in Neumünster nicht wieder als Parteichef antreten werde. "Ich lege das in jüngere Hände", sagte er und schlug wie erwartet von Boetticher als Nachfolger vor.

+++ Fingerzeig der CDU: Boetticher wird Carstensens Nachfolger +++

Wer die CDU in den Wahlkampf führt, ließen Carstensen und von Boetticher offen. In der Union hat allerdings traditionell der Parteichef den ersten Zugriff auf die Spitzenkandidatur. Unklar ist, ob Carstensen sein Amt als Ministerpräsident noch vor der Neuwahl für von Boetticher räumt. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki rät Carstensen dazu, bis zur Neuwahl weiter zu regieren. "Alles andere macht relativ wenig Sinn, weil ein neuer Kandidat sich nicht dem Risiko aussetzen sollte, im Landtag nicht alle Stimmen zu erhalten." In der CDU wird ebenfalls das Risiko gesehen, dass von Boetticher bei einer Wahl zum Regierungschef aufgrund der knappen Einstimmenmehrheit durchfallen könnte und damit auch als Spitzenkandidat "verbrannt" wäre.

+++Gericht überprüft Sitzverteilung – Schwarz-Gelb auf Kippe?+++

Eine Palastrevolte muss auch SPD-Chef Stegner, 50, fürchten. Er wollte sich bisher nicht dazu äußern, ob er die SPD in die Neuwahl führt. "Ich will keine öffentliche Debatte entfachen." Klarheit will Stegner erst schaffen, wenn der Wahltermin steht. Parteiinterne Kritiker können sich vorstellen, den Spitzenkandidaten in einer Mitgliederbefragung zu küren. Eine Alternative zu Stegner ist bisher allerdings nicht in Sicht. Für Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig, 47, dürfte die vorgezogene Neuwahl zu früh kommen, weil er erst seit gut einem Jahr im Amt ist, und nicht so vorzeitig aussteigen möchte. Eine weitere mögliche Konkurrentin winkte ab. Die Schweriner Sozialministerin Manuela Schwesig, 36, ließ über ihren Sprecher mitteilen, Gerüchte über einen Wechsel nach Schleswig-Holstein seien "Quatsch mit Soße".

Gäbe es eine Direktwahl des Ministerpräsidenten, hätte SPD-Landeschef Ralf Stegner nach den NDR-Umfragedaten weder gegen Amtsinhaber Peter Harry Carstensen eine Chance (25:41 Prozent) noch gegen Christian von Boetticher (19:37 Prozent). Ministerpräsident Carstensen hat derweil gelassen auf die jüngsten Umfrageergebnisse reagiert. „Ich mache mir keine Sorgen“, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch. „Das ist eine Umfrage, wir wählen jetzt ja nicht.“ Carstensen verwies auf den besonderen Zeitpunkt: Die Umfrage folgte unmittelbar der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts, dass der Landtag bis Ende September 2012 neu gewählt werden muss.