Dieser Überzeug ist der Kieler Politikwissenschaftler Joachim Krause. Die Entscheidung des Gerichts sei unausgegoren.
Kiel. Nach Überzeugung des Kieler Politikwissenschaftlers Joachim Krause ist das Neuwahl-Urteil des schleswig-holsteinischen Landesverfassungsgerichts teilweise verfasungswidrig. „Meines Erachtens überschreitet das Verfassungsgericht seine Kompetenz massiv, wenn es das Parlament vorzeitig auflöst“, sagte Krause am Dienstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Das Gericht hatte am Vortag das Landeswahlgesetz als verfassungswidrig eingestuft und eine Neuwahl des Landtages bis spätestens Ende September 2012 angeordnet. „Die Verfassung schreibt eine fünfjährige Legislaturperiode fest“, erläuterte Krause. „Sie lässt nur in eng begrenzten Fällen Ausnahmen von dieser Regel zu, die von der Verfassung klar vorgegeben sind. Keiner dieser Fälle ist hier gegeben.“
Das Problem bestehe darin, dass es in Schleswig-Holstein keine Instanz gebe, die auch noch die Verfassungsgemäßheit von Urteilen des Verfassungsgerichts prüft, sagte der Politologe. Gegen die Gerichtsentscheidung wehren könnten sich nur das Parlament als Ganzes oder einzelne Fraktionen. „Mich wundert die Passivität, die ich aufseiten der Fraktionen von CDU und FDP in dieser Angelegenheit sehe“, sagte Krause. Er würde ihnen dazu raten, zumindest klären zu lassen, ob die Angelegenheit nicht vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden kann. „Das Gewaltenteilungsprinzip ist so massiv verletzt worden, dass man vielleicht doch ein weiteres Verfahren in Gang setzen könnte.“
Dass bis zu einer Neuwahl zwei Jahre ins Land gehen sollen, wertete Krause als problematisch. „Die Zeit wird überschattet sein von Debatten darüber, wann die Neuwahl stattfinden soll und das wird das politische Klima weiter verschlechtern. Und zum Zweiten sehe ich noch nicht, wie sich dieses Parlament auf eine mit der Verfassung konsistente Neufassung des Wahlgesetzes einigen soll, nachdem es dies 20 Jahre lang nicht geschafft hat.“ Die Begründung des Urteils enthalte gute Vorschläge, darunter sei aber kein Gedanke, der nicht schon in den letzten zwei Jahrzehnten im Parlament vorgetragen worden wäre.
Offen sei nach dem Gerichtsurteil auch, wann sich der Landtag nun auflösen müsse und welche Mehrheiten dafür erforderlich seien, sagte der Politikwissenschaftler. „Daran sieht man, wie unausgegoren diese Entscheidung war.“ Offen sei darüber hinaus, was passiert, wenn es keine Mehrheit im Landtag für dessen Auflösung gäbe. „Denn die Abgeordneten sind laut Verfassung und Grundgesetz in ihrer Entscheidung an keine Weisungen gebunden.“