Was nach der Entscheidung von Schleswig im nördlichsten Bundesland geändert werden muss
Schleswig. Das Landesverfassungsgericht hat ganze Arbeit geleistet. Das Urteil im Normenkontrollverfahren (LVerfG 3/09) füllt 56 Seiten, das über die Wahlprüfungsbeschwerden (LVerfG 1/10) sogar 82 Seiten. Dreh- und Angelpunkt beider Entscheidungen ist die Landesverfassung. Nach ihr soll der Kieler Landtag 69 Sitze haben. Diese Zielgröße, so das Gericht, kollidiert mit dem Wahlrecht. Es sieht 40 Direktwahlkreise vor und birgt damit die Gefahr von Überhang- und Ausgleichsmandaten.
Beleg ist der aktuelle Landtag. In ihm sitzen 95 Abgeordnete, weil die CDU bei der Wahl im September elf Überhangmandate holte und die anderen Parteien einen Teilausgleich erhielten. Ungedeckt blieben drei Überhangmandate. Dieser Tatsache verdankt Schwarz-Gelb seine Einstimmenmehrheit.
Das Gericht wertete den formal korrekt berechneten Teilausgleich als Verstoß gegen die Verfassung, die "gleiche" Wahlen verspreche. Einen Vollausgleich lehnte der Senat aber schweren Herzens ab. Hauptgrund: Bei einem Vollausgleich würde der Landtag auf 101 Sitze wachsen und sich damit noch weiter von der Zielgröße entfernen.
Die Verfassungsverstöße wiegen für das Gericht so schwer, dass es nicht nur eine Korrektur des Wahlrechts bis zum 31. Mai 2011, sondern auch eine Neuwahl bis zum 30. September 2012 anordnete. Beide Fristen muss der Landtag nicht ausschöpfen. Sofortige Neuwahlen lehnte der Senat ab, weil zunächst das Wahlrecht verfassungskonform auszugestalten ist. Der Senat machte hierzu Vorschläge. Demnach könnte der Landtag die Zahl der Wahlkreise reduzieren und die Zweitstimme wieder abschaffen.
Im Parlament schmort seit Monaten ein Gesetzentwurf der Grünen. Sie wollen die Zahl der Wahlkreise auf 30 senken. Nach der Wahlrechtsreform beginnt die zeitraubende Feinarbeit. So muss ein Wahlkreisausschuss den Zuschnitt der Wahlkreise festlegen. Danach müssen die Parteien Kandidaten nominieren und Landeslisten aufstellen. Folgt man CDU und FDP, kann der Wahltermin damit kaum vor dem Herbst 2012 liegen. SPD, Grüne, Linke und SSW sind überzeugt, dass es auch ein Jahr früher geht.