Christian von Boetticher wird Peter Harry Carstensen als Parteichef folgen - wohl auch als Kadidat für Ministerpräsidenten-Wahl.
Kiel. Die CDU hat als erste Partei personelle Weichen für die vorgezogene Neuwahl in Schleswig-Holstein gestellt. Fraktionschef Christian von Boetticher, 39, soll in knapp drei Wochen den Parteivorsitz von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, 63, übernehmen und wird die CDU damit absehbar als Spitzenkandidat und möglicherweise Ministerpräsident in die Neuwahl führen. In der SPD ist unklar, ob Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner erneut antritt.
Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) leitete seinen Rückzug auf Raten selbst ein. Der Diplom-Bauer gab bekannt, dass er anders als noch vor Tagen angekündigt am 18. September auf dem Parteitag in Neumünster nicht wieder als Parteichef antreten werde. "Ich lege das in jüngere Hände", sagte er und schlug wie erwartet von Boetticher als Nachfolger vor.
Der Kronprinz, der in der CDU nicht unumstritten ist, hofft auf ein überzeugendes Wahlergebnis. "Ich arbeite daran, dass die Partei sehr geschlossen sein wird", sagte er dem Abendblatt. "Ich habe aber auch Ecken und Kanten und will es nicht jedem recht machen." Der Spitzenpolitiker aus Pinneberg gilt einigen in der bodenständigen Nord-CDU immer noch als "Exot", als "Küsten-Ole", der wie Hamburgs ehemaliger Bürgermeister auch gern mal Positionen jenseits des konservativen Mainstreams vertritt.
+++ Umfrage: CDU und SPD in der Wählergunst gleichauf +++
Der Anwalt hat so nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er den Widerstand gegen eine Kreisgebietsreform in Schleswig-Holstein für übertrieben hielt und er kein bedingungsloser Freund der Atomkraft ist. Für Unmut in der Union sorgte zudem die Vorliebe des Fraktionschefs für Kurzurlaube auf Sylt, wo er den Abend gern bei einer guten Flasche Wein ausklingen lässt.
Als Parteichef muss von Boetticher schärfere Töne anschlagen. Einen Vorgeschmack lieferte er gestern, indem er öffentlich mit der SPD abrechnete. Im Unterschied zur Großen Koalition 2009 sei die Koalition aus CDU und FDP auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichts "voll arbeits- und handlungsfähig". Als Termin für die Neuwahl nannte er den Herbst 2012.
Wer die CDU in den Wahlkampf führt, ließen Carstensen und von Boetticher offen. In der Union hat allerdings traditionell der Parteichef den ersten Zugriff auf die Spitzenkandidatur. Unklar ist, ob Carstensen sein Amt als Ministerpräsident noch vor der Neuwahl für von Boetticher räumt. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki rät Carstensen dazu, bis zur Neuwahl weiter zu regieren. "Alles andere macht relativ wenig Sinn, weil ein neuer Kandidat sich nicht dem Risiko aussetzen sollte, im Landtag nicht alle Stimmen zu erhalten." In der CDU wird ebenfalls das Risiko gesehen, dass von Boetticher bei einer Wahl zum Regierungschef aufgrund der knappen Einstimmenmehrheit durchfallen könnte und damit auch als Spitzenkandidat "verbrannt" wäre.
+++Gericht überprüft Sitzverteilung – Schwarz-Gelb auf Kippe?+++
Eine Palastrevolte muss auch SPD-Chef Stegner, 50, fürchten. Er wollte sich bisher nicht dazu äußern, ob er die SPD in die Neuwahl führt. "Ich will keine öffentliche Debatte entfachen." Klarheit will Stegner erst schaffen, wenn der Wahltermin steht. Parteiinterne Kritiker können sich vorstellen, den Spitzenkandidaten in einer Mitgliederbefragung zu küren. Eine Alternative zu Stegner ist bisher allerdings nicht in Sicht. Für Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig, 47, dürfte die vorgezogene Neuwahl zu früh kommen, weil er erst seit gut einem Jahr im Amt ist, und nicht so vorzeitig aussteigen möchte. Eine weitere mögliche Konkurrentin winkte ab. Die Schweriner Sozialministerin Manuela Schwesig, 36, ließ über ihren Sprecher mitteilen, Gerüchte über einen Wechsel nach Schleswig-Holstein seien "Quatsch mit Soße".