Jenny Böken (18) ging in der Nacht zum 4. September über Bord. Sie trug keine Rettungseste. Ein Verbrechen oder Selbstmord schlossen die Ermittler jetzt aus.
Der Todessturz einer jungen Offiziersanwärterin von Bord des Segelschulschiffs "Gorch Fock" in die Nordsee im letzten September bleibt ein Rätsel. Die genauen Umstände des tragischen Unglücks liegen für die Kieler Staatsanwaltschaft im Dunkeln.
Nach monatelangen Untersuchungen schloss die Behörde am Freitag eine Straftat ebenso aus wie Selbstmord. "Die Ursache für den Todesfall konnte nicht abschließend geklärt werden", sagte Oberstaatsanwalt Uwe Wick. Die 18 Jahre alte Offiziersanwärterin Jenny Böken aus Geilenkirchen (Nordrhein-Westfalen) war in der Nacht zum 4. September vor Norderney während ihrer Wache von Bord des Schiffes in die Nordsee gestürzt.
Erst elf Tage später entdeckte die Besatzung eines Fischereiforschungsschiffs ihre Leiche 120 Kilometer nordwestlich von Helgoland. Zuvor hatten Rettungsboote, Flugzeuge und Hubschrauber vergeblich nach der Soldatin gesucht. Rund 600 Menschen nahmen bei einer bewegenden Trauerfeier in Geilenkirchen-Teveren Abschied von der jungen Frau, deren Tod die Besatzung der "Gorch Fock" tief erschüttert hatte. Da die Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten fand, leitete sie auch kein Ermittlungsverfahren ein.
Es war gutes Wetter, als die Offiziersanwärterin am 3. September eine Viertelstunde vor Mitternacht 15 Kilometer nördlich von Norderney über Bord ging und in der Nordsee ertrank. Sie trug laut Staatsanwaltschaft keine "Sicherungs- und Rettungsmittel", musste dies angesichts der Bedingungen aber auch nicht. Deshalb könne den Vorgesetzten an Bord auch kein fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden, gab die Staatsanwaltschaft an. Nur bei schwerer See hätten sich die Kadetten sichern müssen.
Nach dem Todesfall leitete die Staatsanwaltschaft umfangreiche Vorermittlungen ein: Sie befragte in 82 Vernehmungen Stammcrew und Ausbildungsmannschaft der "Gorch Fock" und stellte in Dublin an Bord des Dreimasters die Ereignisse aus der Unglücksnacht nach. All dies sowie die rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Untersuchungen ergaben Wick zufolge keine "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren strafrechtlichen Verantwortlichkeit für den Tod der Seekadettin". Auch Mutmaßungen über einen möglichen Zusammenhang zwischen einer etwaigen Erkrankung der Offiziersanwärterin und dem Unglück könnten nicht bestätigt werden, hieß es weiter.