Anfang November stürzte eine Offiziersanwärterin auf dem Marineschiff in den Tod. Nun ist die Schulung für ihre 70 Kameraden vorzeitig zu Ende.

Glücksburg/Kiel. 14.500 „Blaue Jungs“ haben ihre Ausbildung auf der „Gorch Fock“ absolviert, 14.500, die sich vor den Fahrten auf den Weltmeeren tränenreich verabschiedeten und Monate später mit dem Dreimaster stolz zurückkehrten. Nun mussten erstmals Offiziersanwärter der Marine die Ausbildung auf dem Schiff abbrechen. Nach dem tödlichen Unfall einer 25-Jährigen sollen die rund 70 Lehrgangsteilnehmer am Montag aus Brasilien nach Deutschland zurückkehren – mit dem Flugzeug.

Während die „Gorck Fock“ mit der Stammbesatzung voraussichtlich ihren Kurs fortsetzt, kommt das Ausbildungskonzept auf den Prüfstand. Erst im September 2011 sollen nach bisherigem Stand wieder Offiziersanwärter an Bord gehen.

Die „GorchFock“- eine 89 Meter lange, elegante Bark mit stolzem Albatros als Galionsfigur – ist nicht irgendein Schiff. Sie ist ein Symbol für die Identität der Marine und wird weltweit als Friedensbotschafterin wahrgenommen, nicht als Kriegsschiff. Auch wenn sie jährlich Millionen kostet, hält der zu massiven Kürzungen gezwungene Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) an ihr fest.

Im Norden ist das Patenschiff des Kieler Landtages fest verankert, nach dem Unglück gedachte das Parlament der Soldatin. ImAugust nahm Bundespräsident Christian Wulff in Flensburg an der feierlichen Vereidigung 250 neuer Offiziersanwärter teil. Eine Woche später legte die „Gorch Fock“ mit einem Teil von ihnen im Heimathafen Kiel zu einer Traumreise ab. Das Segelschulschiff steuerte eine der längsten Ausbildungsfahrten an. 23.000 Seemeilen, etwa 42.500 Kilometer und damit rechnerisch eine Erdumrundung, lagen vor ihm.

Die 250 Offizieranwärter machten den Südamerika-Törn insgesamt in drei Etappen mit. Der Traum wurde zu einem Alptraum: Anfang November stürzte eine Offiziersanwärterin aus der Takelage des Dreimasters auf das Deck. Sie starb. Ihr Tod ist für die Soldaten ein schwerer Schlag. „Der trifft die Crew-Kameraden, der trifft die Schiffsführung, der trifft jeden Marineoffizier“, sagt Fregattenkapitän Uwe Rossmeisl vom Flottenkommando, der selbst auf der „Gorch Fock“ gelernt hat. Und der Kieler Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU), der die Besatzung mit verabschiedet hatte, sagt: „Die Crew hat ein schreckliches Ereignis erlebt. Sie musste zusehen, wie eine Kameradin in den Tod gestürzt ist.“

Sechs tödliche Unfälle hat es in den 52 Jahren gegeben, und keiner sei genau gleich gewesen, sagt Rossmeisl. Trotzdem müsse man alles überprüfen, und das brauche Zeit. Doch was an Bord geändert werden kann und soll, ist offen. Auch, wie ein neues Ausbildungskonzept aussehen könnte, muss geprüft werden. Als eine Möglichkeit gilt, die Offiziersanwärter nicht schon nach ihrer dreimonatigen Grundausbildung auf das Schiff zu schicken, sondern später.

Die Offiziersanwärter, die nun zurückkehren, drücken erstmal an der Marineschule Mürwik bei Flensburg die Schulbank. Sie werden theoretisch und am Simulator ausgebildet. Außerdem gehen sie - ohnehin planmäßig – auf andere Marineschiffe. Dort trainieren die angehenden Offiziere, was sie auf dem Traditionssegler „Gorch Fock“gar nicht lernen können: Sie üben mit moderner Technik beispielsweise für die Luftabwehr, die Bekämpfung von U-Booten und Versorgungsmanöver. „Aber es ist nicht die „Gorch Fock““, sagt Rossmeisl. Und die ist etwas ganz Besonderes: „Das Segelschulschiff ist die einzige Möglichkeit, die Naturgewalten in ihrer Gesamtheit kennenzulernen“, betont der Fregattenkapitän.

Die Enge an Bord, fehlender, wenn auch im Laufe der Jahre verbesserter Komfort, der unmittelbare Kontakt zur oft rauen See – all dies schweißt die Crew zusammen, fördert Teamgeist und Toleranz. Wegen dieses besonderen Flairs und der harten Herausforderungen sind viele Kadetten immer mit einem Mix aus großer Vorfreude und Respekt vor dem, was ihnen bevorsteht, an Bord gegangen.

Wenn mehr als 20 Kunststoffsegel mit einer Gesamtfläche von über 2000 Quadratmetern zu lösen oder zu setzen sind, muss alles Hand in Hand gehen. Ein Ausbilder sagte vor Jahren bedeutungsschwer: „In diesem Schiff stecken 2000 Jahre Seefahrterfahrung der Menschheit drin.“