Etwa 700 Kinder, Erzieher und Eltern haben vor dem Landtag in Kiel gegen drohende Kürzungen für Kindergärten demonstriert.
Kiel. Pfiffe und Buhrufe von Kindern, Angriffe aus der Opposition im Landtag - die Proteste gegen die drastischen Sparpläne der schwarz-gelben Koalition in Kiel machen Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) zu schaffen. SPD, Grüne, SSW und Linke warfen seiner Regierung in einer von erregten Zwischenrufen geprägten Aktuellen Stunde am Mittwoch vor, den Haushalt auf Kosten der Kinder sanieren zu wollen. Die Koalitionsfraktionen verteidigten ihre Pläne als notwendig. In der kommenden Woche werden CDU/FDP wahrscheinlich beschließen, die gerade erst eingeführte Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr wieder abzuschaffen.
Dies ließ Carstensen am Morgen durchblicken: „Wir haben formal noch keinen Beschluss. Aber rechnen Sie damit. Wir können uns das nicht leisten“, sagte der Regierungschef vor dem Landeshaus. Rund 800 Kinder, Erzieher und Eltern demonstrierten dort. Sie protestierten auch gegen größer werdende Gruppen und eine schlechtere Ausstattung der Kitas. Mit der Abschaffung des beitragsfreien Jahres würde das Land rund 35 Millionen Euro im Jahr einsparen.
CDU und FDP wollen am nächsten Dienstag ein weitreichendes Sparpaket festzurren, das eine Haushaltsstrukturkommission vorbereitet hat. Am Mittwoch will Carstensen die Ergebnisse nach einer Kabinettssitzung verkünden.
Als die Angriffe im Plenum aus der Opposition kamen, hielt es Carstensen kaum auf seinem Platz auf der Regierungsbank. Sozialminister Heiner Garg (FDP) musste beschwichtigend die Hand auf den Arm des Regierungschef legen, so sehr regte sich dieser auf. Er war nicht der einzige: Immer wieder mussten Abgeordnete, aber auch Regierungsvertreter vom Landtagspräsidenten Torsten Geerdts (CDU) zur Ruhe ermahnt werden: „Zwischenbemerkungen von der Regierungsbank sind nicht erlaubt“.
Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) betonte in seiner Stellungnahme für die Regierung, „in absehbarer Zeit ist es angesichts der Haushaltslage des Landes nicht möglich, neben der Qualitätssicherung in den Kitas die Beitragsfreiheit fortzusetzen.“ An bestehenden Standards solle aber festhalten werden, Gruppen nicht vergrößert und Personalschlüssel nicht verändert werden. Zudem soll es Landesmittel für frühkindliche Bildung geben. So soll unter anderem die seit 2004 (unter Rot-Grün) gedeckelte Kita-Grundfinanzierung von 60 Millionen Euro um 10 Millionen Euro erhöht werden. „ Die frühkindliche Bildung ist ein Ziel mit hoher Priorität “, sagte Klug.
Glauben wollte die Opposition dies nicht. „Kürzen bei den Kurzen, das ist gegen jede Vernunft, denn es geht um unsere Zukunft“, sagte Gitta Trauernicht (SPD). Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Monika Heinold, ergänzte: „Frühkindliche Bildung ist kein Luxus, sondern Grundlage für eine erfolgreiche Volkswirtschaft“. Ausgerechnet in dem Bereich, in dem die entscheidenden Weichen für die Zukunft der Kinder gestellt werden, solle „mit scharfem Schnitt“ gekürzt werden, klagte die Linke-Politikerin Antje Jansen. Eine Senkung der Kita-Standards würde aus frühkindlicher Förderung und Bildung schlicht wieder Aufbewahrung machen. Die SSW-Fraktionschefin Anke Spoorendonk erinnerte daran, dass das dritte beitragsfreie Kindergartenjahr erst vor einem Jahr auf Initiative der CDU-Fraktion landesweit eingeführt wurde. „Was vor der Landtagswahl als gutes Argument öffentlich verkauft wurde, sollte auch nach der Landtagswahl gelten; ansonsten verliert die Landespolitik zu Recht ihren Anspruch auf Glaubwürdigkeit.“
Bei der Demonstration vor dem Landeshaus hielten viele Kinder selbstgemalte Plakate in die Luft. „Spart nicht bei uns Kindern, denn wir sind die Zukunft“, „Nicht kürzen bei den Kurzen“, „Wir brauchen gute Spielsachen“ stand auf Schildern.
Unter ohrenbetäubenden Buhrufen und Pfiffen nahm Carstensen rund 30 000 Protestpostkarten entgegen. Er verteidigte den Sparkurs der Koalition: „Wir sparen nicht an der Zukunft, sondern sorgen dafür, dass wir noch Spielraum für die Zukunft haben.“ Als er in seiner Rede von den Demonstranten immer wieder unterbrochen wurde, zeigte der Regierungschef Nerven: „Hören sie ruhig mal einen Augenblick zu, dass kann gar nicht schaden.“