In Schleswig-Holstein geht's ans Eingemachte: Die sogenannte Giftliste betrifft Polizisten, Kliniken, Häfen, Vereine, Blinde und Politiker.
Kiel. Nach Informationen des Abendblatts will die Kieler CDU/FDP-Koalition bei Polizei und Blinden sparen, Programme etwa für Wirtschaft und Wohnungsbau eindampfen, vielen Vereinen und Verbänden Zuschüsse kürzen, die Hochschulen samt Klinika umbauen und nicht zuletzt Politikereinkünfte begrenzen.
"Es gibt keine Tabus mehr", sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) dem Abendblatt. Konkrete Sparmaßnahmen nannte er nicht. Die geheime "Giftliste" soll am Dienstag (25. Mai) in den Regierungsfraktionen diskutiert und nach dem Segen des Kabinetts am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Gleichwohl sickerten am Rande der Landtagssitzung viele weitere Details der umfangreichsten Sparaktion in der Landesgeschichte durch.
Eines der größten Opfer wird der Polizei abverlangt. Die Beamten sollen künftig erst mit 62 statt 60 Jahren in Pension gehen. Eine Übergangsregelung soll die Belastung für ältere Beamte mindern. Das Land will zudem mehr teure Beförderungsstellen schaffen und bei der Polizei keine Stellen abbauen. Im übrigen Landesdienst, auch in den Schulen, sollen wie geplant bis 2020 mehr als 5600 Jobs wegfallen.
Auf Einschnitte müssen sich die 4450 Blinden in Schleswig-Holstein einstellen. Das Blindengeld , für Kinder und Jugendliche 200 Euro, für Erwachsene 400 Euro im Monat, soll gekürzt werden. Eine komplette Streichung des Blindengeldes ist damit vorerst vom Tisch.
Mit weniger Geld müssen auch viele Einrichtungen im Kultur-, Sozial- und Umweltbereich auskommen, von Museen über Beratungsstellen bis zum Öko-Verein. Faustformel: Im laufenden Jahr werden die Zuschüsse um zehn Prozent gekürzt, in den nächsten zwei Jahren um jeweils 15 Prozent.
Aus anderen Einrichtungen will das Land sich sofort und komplett zurückziehen. Als Beispiel wird im Landeshaus die Tourismusagentur genannt. Sie organisiert bisher mit Landesmitteln die Werbung für das Urlaubsland Schleswig-Holstein. Aussteigen wollen CDU und FDP auch aus Landeshäfen wie etwa dem in Friedrichskoog (Dithmarschen). Städte und Gemeinden müssen weitere Opfer bringen. So will das Land seine Förderprogramme für den Städte- und für den Wohnungsbau zurückfahren.
Angesetzt wird der Rotstift auch beim teuersten Hilfsprogramm, der Investitionsförderung für Einzelbetriebe. Die Subventionen, bisher gut 40 Millionen Euro im Jahr, sollen deutlich gesenkt und dem Vernehmen nach regional begrenzt werden. Geld aus Kiel sollen demnach vor allem Betriebe im Norden und Westen Schleswig-Holsteins erhalten. Weitere Millionen will das Land beim Radwegebau sparen. Neue Trassen für Zweiräder wird es kaum noch geben.
Auf der Giftliste stehen auch mehrere große Sparmaßnahmen, die sich erst in einigen Jahren auszahlen sollen. So will das Land verschiedene Modelle zur Modernisierung der maroden Universitätsklinika in Kiel und Lübeck prüfen. Dazu gehört auch eine Privatisierung der Großkliniken. Proteste dürften auch die Pläne zum Umbau der Hochschullandschaft auslösen. In Lübeck soll der Medizinstudiengang auslaufen. Die Universität Flensburg soll die Wirtschaftswissenschaften abgeben, den Uni-Status aber behalten dürfen.
Angesichts der drohenden Protestwelle wollen die Landespolitiker auch bei sich selbst sparen. Die Pensionsregelungen für Minister und Staatssekretäre sollen eingedampft, die Funktionszulagen für die Vorsitzenden der sechs Landtagsfraktionen gesenkt werden. Das Sparprogramm ist der erste Schritt, um das Haushaltsdefizit von 1,25 Milliarden Euro bis 2020 auf null zu senken.