Die Hannoveraner Hells Angels haben sich selbst aufgelöst - um einem Verbot zuvorzukommen? Sie wollen aber wohl nur ihr Vorgehen ändern.

Hannover. Die Hells Angels in Hannover haben sich zwar aufgelöst, für die Behörden ist die Gefahr der Rockerkriminalität deswegen aber noch nicht gebannt. Möglicherweise steckt hinter der Auflösung nur ein taktisches Manöver. Der Nachrichtenagentur dapd bestätigte der Sprecher der Hells Angels, dass es Überlegungen zu einem Zusammenschluss aller bisherigen Charter in Deutschland gebe. Die Polizei will die Personen nun weiterhin verstärkt im Blick haben.

Es sei seine Hoffnung, dass sich alle Charter in Deutschland zu einem „schlagkräftigen“ Verein zusammenschließen, sagte der in Rockerkreisen „Django“ genannte Pressesprecher der Hells Angels, Rudolf Triller, der Nachrichtenagentur dapd. Nur so könne man sich gegen die „Polizeistaatsmethoden“ und die „flächendeckende Volksverhetzung“ wehren, fügte er hinzu.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hält eine Neustrukturierung durchaus für denkbar. Die Hannoveraner Hells Angels könnten künftig in anderer Form ihre Geschäfte fortführen, sagte der BDK-Vorsitzende Bernd Carstensen im dapd-Interview. „Das Agieren aus dem Ausland ist eine mögliche Variante.“

Auch die Polizei Hannover schließt die Gründung einer Nachfolgeorganisation nicht aus, wie Polizeipräsident Axel Brockmann am Donnerstag in Hannover sagte. Das Landeskriminalamt will genau prüfen, ob die angekündigte Auflösung nur ein „Lippenbekenntnis“ ist. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kündigte an, dass die Behörden aufmerksam die Handlungen dieser Personen im Blick haben werde. „Hier in Niedersachsen wird es auch in der Zukunft keine rechtsfreien Räume geben“, sagte er.

Die Vorsitzenden der beiden Polizeigewerkschaften, Bernhard Witthaut und Rainer Wendt, mahnten nach der Auflösung zur Vorsicht. „Es steht zu befürchten, dass manche ehemalige Mitglieder in den Untergrund gehen, um dort neue Strukturen aufzubauen“, sagte Wendt. Die Polizei müsse den Rockern weiter „auf den Füßen stehen und den Fahndungsdruck weiter hoch halten“, ergänzte Witthaut.

Mit der Auflösung folgen die Hannoveraner dem Charter Potsdam, das bereits Mitte Juni sein Ende bekannt gegeben hatte. Offenbar war der Druck durch die laufenden Ermittlungen der Polizei zuletzt zu groß geworden. Das Landeskriminalamt geht davon aus, dass die Auflösung deswegen vorgenommen wurde.

In Hannover hatten die Hells Angels jahrelang eine besondere Rolle gespielt. Unter dem Präsidenten Frank Hanebuth, der auch deutschlandweit als die Führungsfigur bei den Rockern gilt, hat der Club das Rotlicht- und Amüsierviertel am Steintor kontrolliert. Nach zunehmender Kritik hatten sich die Rocker allerdings im November vergangenen Jahres aus dem Viertel zurückgezogen.

Zuletzt hatten die Innenbehörden der Länder den Druck auf die Hells Angels deutlich erhöht. In mehreren Bundesländern wurden bereits Verbotsverfügungen gegen einzelne Gruppen der Hells Angels ausgesprochen, so etwa in Hessen, Schleswig-Holstein, Bremen und Berlin. Zudem gab es mehrere Razzien, auch in Norddeutschland.

Die Offenbarungen eines Ex-Rockers der inzwischen aufgelösten Kieler Gruppierung Legion 81, einer Hilfstruppe der Hells Angels, hatten am 24. Mai zu einer Durchsuchungsaktion in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen geführt, bei der rund 1.200 Polizeibeamte im Einsatz waren. Dabei wurde auch das Privathaus von Hanebuth durchsucht. (dapd)

Hintergrund: Geschichte und Verbote

Die Hells Angels wurden 1948 von Harley-Davidson-Liebhabern in Kalifornien (USA) gegründet. Aus der Gruppe von Motorrad-Fans mit dem geflügeltem Totenkopf auf der Jacke entwickelte sich eine straffe, weltweite Organisation. Sie gilt als mitgliederstärkster und mächtigster Rockerclub der Welt.

Einzelne Mitglieder der Hells Angels oder ganze Gruppen werden in Deutschland immer wieder mit der Organisierten Kriminalität in Verbindung gebracht. Vor Gerichten müssen sie sich wegen Drogenhandels, Waffenbesitzes, Prostitution oder Gewaltausbrüchen verantworten. Jahrelang schwelte der Konkurrenzkampf mit den rivalisierenden Bandidos. Wüste Schlägereien, scharfe Schüsse und auch Morde waren Mittel des Rocker-Kriegs. Vor zwei Jahren besiegelten die Konkurrenten per Handschlag einen Frieden.

Landesweite Verbote der Hells Angels gibt es in Deutschland bislang nicht. Allerdings sind seit 1983 bundesweit mehrere Ortsclubs, sogenannte Charter, verboten worden. Betroffen waren Hamburg, Düsseldorf, Koblenz (2004, noch nicht rechtskräftig), Flensburg, Frankfurt und West End, (ebenfalls in Frankfurt), Pforzheim, Kiel, Cologne und Berlin City.

Auch von anderen Motorrad-Rocker-Gruppen wurden bereits Ortsclubs verboten, so 2011 die Mongols in Bremen und 2010 die Bandidos in Neumünster. Wie in Hannover sind auch in anderen Städten Ortsclubs einem möglichen Verbot mit Auflösungen zuvor gekommen. Dazu gehören Bremen, die Hells Angels MC Potsdam, die Hells Angels MC Berlin City sowie die Supporterclubs Brigade 81, Berlin City MG 81 und City-Crew 81. In Thüringen hat sich das Bandido-Chapter Weimar/Jena aufgelöst.

Mit Material von dpa und dapd