Der ehemalige Rocker “Imperator“ packt als Kronzeuge gegen die Hells Angels aus. Die Behörden schützen den Mann an einem geheimen Ort.

Kiel. Ein "Verräter“ könnte den Kieler Hells Angels zum Verhängnis werden. Der Ex-Rocker, früher "Präsident“ der Legion 81 (eine inzwischen aufgelöste Hilfstruppe der Hells Angels), ist Kronzeuge der Staatsanwaltschaft. Der Mann mit den früheren Spitznamen "Imperator“ oder "Kugelblitz“ habe ausgepackt, sagte sein Verteidiger am Mittwoch in Kiel der Nachrichtenagentur dpa. So soll der 40 Jahre alte Ex-Rocker entscheidende Hinweise gegeben haben im Fall des seit zwei Jahren vermissten Türken Tekin Bicer aus Kiel. Auch über weitere angebliche geplante Auftragsmorde und diverse andere Straftaten der Hells Angels habe er berichtet.

Seit fast einer Woche sucht die Polizei in einer Lagerhalle in Altenholz bei Kiel nach Bicers Überresten. Er soll unbestätigten Medienberichten zufolge von Hells Angels gefoltert, erschossen und dann im Boden der Lagerhalle in Altenholz einbetoniert worden sein.

Die Staatsanwaltschaft schweigt zu den Schilderungen des Verbrechens, ebenso über den Kronzeugen. Zu laufenden Ermittlungen gebe es keine Stellungnahmen, hieß es knapp.

Sein Mandant sei Hauptbelastungszeuge und deshalb im Zeugenschutzprogramm an einem geheim gehaltenen Ort, berichtete der Verteidiger. Er selbst könne nur über Mittelsmänner Kontakt zu ihm aufnehmen.

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Die Behörden brachten den Mann aus Sicherheitsgründen aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster weg, bevor die Groß-Razzia am vergangenen Donnerstag mit 1200 Polizisten gegen Rockerkriminalität im Norden begann. 89 Bordelle, Kneipen und Wohnungen wurden durchsucht, vor allem im Kieler Raum, aber auch ein Objekt in Hamburg und das Anwesen des Hannoveraner Hells Angels-Präsidenten Frank Hanebuth. Besonders gewichtige Aufträge hätten nur mit Hanebuths Billigung ausgeführt werden dürfen, soll der Kronzeuge ausgesagt haben.

Die Rolle des "Verräters“ – so die Sicht der Hells Angels – ist für den Kronzeugen riskant. Denn es gilt bei den straff organisierten Rockern ein "Ehrenkodex“, nicht über Straftaten zu berichten oder andere zu belasten.

Rockerkriminalität wurde lange verharmlost, das Klischee der Easy Riders auf ihren Motorrädern überlagerte oft die Realität. Mafiöse Strukturen bescheinigte Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU) den Hells Angels und ihren Kontrahenten, den Bandidos. Waffenhandel, Drogendelikte, Menschenhandel, Zuhälterei, Erpressung und schwere Körperverletzung gelten als typische Straftaten.

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Seit 2009 kämpft im Norden eine SOKO "Rocker“ gegen diese Form der organisierten Kriminalität – mit Erfolg. Die Vereine der Hells Angels Flensburg und Kiel wurden ebenso verboten wie die Bandidos in Neumünster. Ähnliche Maßnahmen gab es in anderen Bundesländern, am Mittwoch verbot Berlin die dort ansässige wichtigste Hells Angels-Rockergang. Bei Bottrop in Nordrhein-Westfalen war am Vortag ein Mitglied der mit den Hells Angels konkurrierenden Bandidos erschossen worden.

Die Innenminister wollen bei ihrem Treffen in Göhren-Lebbin (Mecklenburg-Vorpommern) an diesem Donnerstag auch über ihre Erfahrungen bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität sprechen. Ein bundesweites Verbot der Hells Angels könne es aber aus rechtlichen Gründen nicht geben, sondern stets nur Verbote einzelner örtlicher Vereine, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Kiel.

"Imperator“ dürften eigene Interessen wichtiger sein als die Verbrechensbekämpfung des Staates. Als Kronzeuge kann er selber mit Strafmilderung und Zeugenschutz auch in Zukunft rechnen. An diesem Donnerstag geht der Prozess gegen den Ex-Rocker vor dem Kieler Landgericht weiter. Der Angeklagte ist unter anderem wegen Menschenhandels, Zuhälterei, und schwerer Körperverletzung angeklagt.

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Die Staatsanwaltschaft ließ bei der Groß-Razzia fünf führende Mitglieder der verbotenen Kieler Hells Angels verhaften, es wurden diverse Kartons mit möglichem Beweismaterial beschlagnahmt. Welchen Wert das Material und die Aussagen von "Imperator“ für Strafverfahren haben werden, ist noch nicht absehbar. Es geht allein für die Kieler Staatsanwaltschaft im Bereich der Rockerkriminalität um fast 200 Ermittlungsverfahren gegen 69 Beschuldigte.

(dpa)