14 Militärstandorte im Norden werden im Zuge der Reform geschlossen. Besonders hart trifft es Schleswig-Holstein. Die Reaktionen sind geteilt.

Hamburg. Radikale Schrumpfkur für die Bundeswehr: 31 der bundesweit 400 Standorte werden komplett geschlossen, 90 drastisch verkleinert. Vor allem den Norden trifft es hart. Rund 25.000 Dienstposten werden in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern an 14 Standorten gestrichen. In Schleswig-Holstein fallen acht Standorte weg, die Zahl der Dienstposten pro 1000 Einwohner verringert sich von 9,2 auf 5,4. In ganz Ostdeutschland zieht sich die Bundeswehr dagegen nur von fünf Standorten zurück. Das Konzept von Verteidigungsminister Thomas de Maizière wurde am Mittwoch vom Kabinett gebilligt. Der Minister betonte, dass die Truppe trotzdem in der Fläche präsent bleibe. Allerdings müsse sie so stationiert werden, dass sie ihren Auftrag „auch unter den Bedingungen eines zu konsolidierenden Bundeshaushaltes und mit geringeren Umfangzahlen“ erfüllen könne, schreibt de Maizière.

In sechs Bundesländern werden keine Standorte geschlossen. Neben den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen handelt es sich um das Saarland, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Allerdings sind alle Bundesländer über eine Verkleinerung der Standorte von Kürzungen betroffen. Die Standortentscheidung de Maizières ist die letzte wichtige Weichenstellung im Zuge der Bundeswehrreform – nach dem Aussetzen der Wehrpflicht sowie der Festlegung der Truppenstärke und der Grobstrukturen. Die Bundeswehr soll von ursprünglich 250.000 auf bis zu 185.000 Soldaten schrumpfen. Die Zahl der Zivilbeschäftigten sinkt von 76.000 auf 55.000.

Mecklenburg-Vorpommern verliert im Zuge der Bundeswehrreform mehr als 3000 Dienstposten, behält aber weiterhin eine hohe Militärdichte. Neben den Standortschließungen in Trollenhagen, Rechlin (Mecklenburgische Seenplatte) und Lübtheen (Kreis Ludwigslust/Parchim) wird es weitere drastische Stellenstreichungen in der Marineschule Parow sowie in Neubrandenburg geben. An beiden Standorten sollen jeweils etwa 600 Dienstposten wegfallen.

Schleswig-Holstein büßt mit der Bundeswehrreform fast 11.000 von bisher 26.000 militärischen und zivilen Dienstposten ein. Glücksburg mit dem Flottenkommando der Marine, Alt-Duvenstedt und Hohn mit dem Lufttransportgeschwader 63 sowie Lütjenburg mit seiner Heeresflugabwehrtruppe werden ebenso geschlossen wie Bargum, Hürup, Ladelund, Lütjenburg und Seeth. Die Abbaupläne für Boostedt bei Neumünster kommen faktisch einer Auflösung gleich. Dort sollen von 1980 Dienstposten nur 40 übrig bleiben. Stark betroffen ist auch Kiel mit einer Verringerung von 5290 auf 3590 Stellen. Für die künftige zentrale Marineführung ist Rostock vorgesehen.

In Niedersachsen werden drei der 46 Standorte geschlossen und 10.800 Dienststellen abgebaut. Geschlossen werden Schwanewede, Ehra-Lessien und Lorup mit insgesamt mehr als 1200 Dienstposten. In Niedersachsen gibt es derzeit noch insgesamt 51.600 Posten. In einer Vielzahl weiterer Standorte wird teils drastisch Personal abgebaut. Mit am stärksten betroffen sind Hannover, Lüneburg, Munster, Aurich, Delmenhorst oder Rotenburg (Wümme), wo gleich mehrere hundert Stellen wegfallen.

Detlef Eichinger, Bürgermeister von Rotenburg (Wümme), ist trotz des geplanten Abbaus von 500 Dienstposten durch die aktuelle Bundeswehrreform erleichtert. „Wir sind froh, dass der Standort erhalten bleibt“, sagte Eichinger am Mittwoch. Die Kreisstadt mit knapp 22.000 Einwohnern sei bereits seit 1956 Bundeswehrstandort und habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Einheiten. „Die Reduzierung ist schmerzhaft“, räumte der Bürgermeister ein. Aber nun müsse zunächst auf die Details gewartet werden. Weil nicht alle 2000 Dienstposten in Rotenburg besetzt seien, kenne man die genaue Zahl der Reduzierung noch nicht. Auch kenne er noch keinen Zeitplan, sagte Eichinger. Klar sei allerdings, dass die Reduzierung die Wirtschaft der Stadt belaste.

Patrick de La Lanne (SPD) Oberbürgermeister von Delmenhorst hat den Verlust von fast 1200 Bundeswehr-Dienstposten in der kreisfreien Stadt bedauert. Gleichzeitig betonte er am Mittwoch in einer Stellungnahme zu den Reformplänen des Verteidigungsministeriums: „Delmenhorst wird weiterhin ein starker Standort sein. Es ist wichtig, dass dieser erhalten bleibt.“ Derzeit seien in der Feldwebel-Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst 2.400 Soldaten und 150 Zivilangestellte beschäftigt. Dass Delmenhorst als Standort erhalten bleibe, sei ein Ergebnis der guten Zusammenarbeit zwischen Stadt und Bundeswehr, sagte de La Lanne. „Gegenüber Oldenburg und Hannover stehen wir gut da.“ Delmenhorst hat fast 75.000 Einwohner.

Das Abendblatt sprach mit Bürgermeistern der betroffenen Standorte über die jeweiligen Auswirkungen für die Gemeinden. Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich.

Mecklenburg-Vorpommern

Ute Lindenau , Bürgermeisterin von Lübtheen: "Wir können nicht verstehen, was man an so einem kleinen Standort noch sparen kann". Von einer Schließung seien vor allem die Menschen in den zivilen Dienstposten betroffen, die ihren Heimatort in der 4500 Einwohner zählenden Stadt Lübtheen hätten und jetzt umziehen müssten. Es werde der Stadt enorme Wirtschaftskraft entzogen. "Das ist ein schwerer Schlag", so die Bürgermeisterin.

Peter Enthaler , Bürgermeister von Trollenhagen. "Noch wissen wir ja nichts genaues. Der Flughafen Trollenhagen besteht aus zwei Teilen: einem militärischen und einem zivilen. Wir wissen noch gar nicht, in welchem Umfang eine Schließung den Flughafen betreffen wird", sagte er. Auch der zeitliche Rahmen sei noch überhaupt nicht klar. "Aber morgen gehen hier mit Sicherheit noch nicht die Lichter aus und auch nicht in den nächsten zehn Jahren", so Enthaler.

Schleswig-Holstein

Rüdiger Brümmer , Bürgermeister von Ladelund: "Als es hieß, Soldaten werden abgezogen, habe ich mir schon gedacht, dass das Materialdepot hier betroffen sein wird“, sagte Brümmer. Er reagierte enttäuscht und mit Resignation: „Ich finde es schade, aber wir können jetzt nicht viel machen.“ In Ladelund sind 50 Menschen von der angekündigten Bundeswehr-Standortschließung betroffen. „Das Dorf wird sicherlich an Attraktivität verlieren.“ Die Bundeswehr zählte zu den größten Arbeitgebern in der nordfriesischen Gemeinde.

Peter-Wilhelm Dirks , Bürgermeister des Ortes Seeth: „Ich bin erschüttert über die angekündigte Schließung. Über viele Jahrzehnte hatten wir den Standort, eine Schließung war nie im Gespräch.“ Betroffen sind 650 Soldaten, die in der Stapelholm-Kaserne stationiert sind. „Es wird ganz große Einschnitte geben – für die Kindergärten, oder die Ganztagsbetreuung“, so der Bürgermeister weiter. In Seeth leben knapp 700 Menschen. Betroffen sind hier auch die zahlreichen Zuliefererbetriebe, wie Bäcker, Maler und Schlosser, deren Arbeit nicht mehr benötigt wird, sagte Dirks.

John Witt , Stadtrat von Glücksburg: "Für uns wäre die Schließung ein Super-GAU. Damit würden wir den größten Arbeitsgeber für die Stadt und das Umland verlieren." Witt könne die Entscheidung nicht nachvollziehen. Viel Geld sei in den Standort investiert worden. "Ein kompletter Abzug wäre daher völlig unsinnig", sagte er weiter.

Bernd Wolf , Bürgermeister von Bargum: "Wir sind nur noch ein ganz kleiner Dienstposten. Mit der Schließung sind wir am Ende der Fahnenstange jahrelanger Kürzungen angekommen".

Lothar Ocker , Bürgermeister von Lütjenburg: "Das ist eine politische und militärische Fehlentscheidung aus Hinterzimmern". Ocker will, dass Bundesverteidigungsminister Lothar de Maizière zu ihnen in den Norden kommt. Der Minister müsse „die Hosen runterlassen“.

Niedersachsen

Heinrich Kreutzjans , Bürgermeister von Lorup: "Neben den 26 Arbeitsplätzen, die uns verloren gehen, bedauern wir es auch sehr, das nun die gute Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zu Ende geht", sagte Kreutzjans.

Jenny Reissig , Bürgermeisterin der 1600 Einwohner-Gemeinde Ehra-Lessien: "Wir haben schon länger damit gerechnet, deshalb haut uns die Schließung jetzt auch nicht um. Vor Jahren haben wir bereits die Flächen für die gewerbliche Nutzung freigegeben", sagte sie dem Abendblatt. Die Stadt erwarte daher keine großen wirtschaftlichen Einbußen. Es sei vielleicht sogar eine Chance, sich als Gemeinde in eine neue Richtung zu entwickeln.

Harald Stehnken (SPD), Bürgermeister von Schwanewede: „Das ist ein sehr trauriger Tag für uns. Bis vor kurzem war hier noch alles bestens. Ich kann die Entscheidung überhaupt nicht nachvollziehen“. 1300 Soldaten sind in Schwanewede stationiert. Die Gemeinde zählt knapp 20.000 Einwohner. Die angekündigte Schließung werde ganz schlimme Folgen für den Wohnungsmarkt und die Kaufkraft haben, so Stehnken. „Es wird schwierig sein, den Bürgern zu erklären, dass über eintausend Arbeitsplätze verschwinden werden.“