Lauenburg. Schon jetzt gibt es zu wenig Hausärzte in Lauenburg. Die Situation spitzt sich weiter zu. Was helfen könnte.
„Tut uns leid, wir nehmen keine neuen Patienten auf“, ist die häufige Antwort, wenn man in Lauenburg auf der Suche nach einem neuen Hausarzt ist. Wer alternativ in Geesthacht sein Glück versuchen will, hat meist ebenfalls Pech. Beide Städte gehören für die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) zu einem Planbereich. Hier fehlen elf Hausärzte, um ärztliche Versorgung einigermaßen sicherstellen zu können.
Die Situation dürfte sich in den nächsten Jahren noch zuspitzen, denn das Durchschnittsalter der hier niedergelassenen Hausärzte beträgt 55 Jahre. 40 Prozent der Hausärzte im Planbereich sind über 60 Jahre alt und scheiden somit in absehbarer Zeit aus dem Berufsleben aus. Wann genau die Ärzte in Pension gehen, weiß niemand. Bei niedergelassenen Ärzten gibt es kein gesetzliches Renteneintrittsalter.
Lauenburg: Die eigene Praxis ist nicht mehr das große Ziel
„Jetzt wäre noch der richtige Zeitpunkt, dieser Entwicklung entgegenzusteuern“, sagte Bürgermeister Thorben Brackmann während der Sitzung des Hauptausschusses am Donnerstagabend (24. September). Auf Antrag der Lauenburger Wählergemeinschaft (LWG) hatte sich der Ausschuss im Mai schon einmal mit der Thematik befasst. An die Verwaltung ging der Prüfauftrag, wie die hausärztliche Versorgung in Lauenburg langfristig sichergestellt werden könne.
Neben den familienfreundlichen Angeboten für junge Ärzte müssten auch Alternativen zur klassischen Selbstständigkeit in die Überlegungen einfließen. Hintergrund: Anders als früher ist eine eigene Praxis heute nur noch der Traum weniger Ärzte. Budgetierung, bürokratische Abrechnungsmodalitäten und Personalverantwortung schrecken viele ebenso ab wie familienunfreundliche Arbeitszeiten.
Fachärzte gibt es ausreichend in Lauenburg
Die Hausarztversorgung in Lauenburg zu verbessern, hat sich Brackmann jetzt selbst auf die Fahne geschrieben. Er hat mit der Ärztegenossenschaft gesprochen, mit der Kassenärztlichen Vereinigung ((KVSH) und mit in Lauenburg niedergelassenen Ärzten. Bei diesen Gesprächen hat er eine ganze Menge Zahlen zusammengetragen. So entspricht der Altersdurchschnitt der Lauenburger Hausärzte etwa dem in ganz Schleswig-Holstein (54,5 Jahre). Dies bedeutet auf der anderen Seite, dass die Konkurrenz bei der Werbung um junge Ärzte in fünf bis zehn Jahren deutlich zunehmen wird.
Genaue Zahlen für Lauenburg präsentierte der Bürgermeister auch. 10,25 Hausarztstellen gibt es in Lauenburg. „Da ist noch Luft nach oben. Die KVSH würde weitere kassenärztliche Niederlassungen genehmigen“, führte er aus. Mit acht Fachärzten ist Lauenburg allerdings schon leicht überversorgt. „Hier müssen wir sehen, dass wir diese Ärzte bei uns halten“, erklärte er.
Medizinisches Versorgungszentrum als mögliche Lösung
Beim Auftrag an die Verwaltung ging es auch darum, die Möglichkeiten für ein Medizinisches Versorgungszentrum in Lauenburg auszuloten. „Solche Zentren können entweder von Medizinern, gemeinnützigen Trägern oder auch von Kommunen betrieben werden“, hat Brackmann in Erfahrung gebracht. Geregelt ist das im deutschen Sozialgesetzbuch.
Das Medizinische Versorgungszentrum in Büsum gilt als Pilotprojekt in Deutschland. Die Nordseegemeinde hat rund 5000 Einwohner und damit weniger als die Hälfte von Lauenburg. Dort sah man allerdings schon vor zehn Jahren das Problem, dass Hausärzte in absehbarer Zeit aus Altersgründen ihre Praxis aufgeben werden. Auf Initiative des Kreises Dithmarschen und der kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) planten die Büsumer daraufhin ein zu diesem Zeitpunkt einzigartiges Modellprojekt – eine hausärztliche Gemeindepraxis.
Tochterunternehmen der Gemeinde als Betreiberin
2015 kaufte die die Gemeinde ein Haus am Markt, in dem vier der fünf Ärzte ihre Praxen hatten, baute um und stellte junge Ärzte und einen Geschäftsführer für das neue Ärztehaus ein, das auch noch eine Apotheke, eine Praxis für Physiotherapie, eine Heilpraktikerin und ein Pflegebüro beinhaltet. Sie beschäftigt Ärzte als Angestellte, bietet ihnen attraktive und familienfreundliche Arbeitsbedingungen und entlastet sie von Verwaltungsaufgaben und den wirtschaftlichen Risiken, die mit der Eröffnung einer eigenen Praxis verbunden sind.
3,6 Millionen Euro nahm die Kommune dafür in die Hand, die KVSH steuerte 160.000 Euro zu den Baukosten und weitere 40.000 Euro für die Erstellung eines Business-Plans bei. Alleiniger Träger des Ärzte- und des Gesundheitszentrums ist die Ärztezentrum Büsum gGmbh, eine eigens gegründete Tochter der Gemeinde, die die Geschäfte des Ärzte- und Gesundheitszentrums eigenständig führt.
Bürgermeister leitet Arbeitsgruppe
„Ob so eine Lösung auch für Lauenburg infrage kommt, muss geprüft werden. Nach meinen Recherchen arbeiten die Medizinischen Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft nicht kostendeckend“, gab Brackmann zu bedenken. Andererseits dürfe man solche Überlegungen auch nicht zu lange vor sich herschieben, die Umsetzung eines solchen Projektes würde fünf bis acht Jahre dauern.
Der ausführliche Bericht des Bürgermeisters machte bei den Ausschussmitgliedern Eindruck. Ohnehin haben sich mittlerweile alle Fraktionen das Thema ärztliche Versorgung auf die Fahne geschrieben. Unter Leitung des Bürgermeisters wird sich eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe mit dem Thema beschäftigen. Zunächst wird ein Gespräch mit den niedergelassenen Hausärzten geführt. Auf diese Weise soll sich ein Bild ergeben, wann sich der Ärztemangel in Lauenburg zuspitzen könnte. Auf dieser Grundlage sollen dann zeitnah Lösungsansätze erarbeitet werden.
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KVSH schlägt Alarm: Ambulante Versorgung in Gefahr
Dass in dieser Hinsicht schnell etwas passieren muss, macht ein Brandbrief der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein deutlich. Vor dem Hintergrund der anstehenden Finanzierungsverhandlungen mit den Krankenkassen heißt es darin: „Steigende Praxis-, Personal- und Investitionskosten machen den Betrieb einer Praxis immer unrentabler. Eine Inflationsrate von aktuell mehr als sechs Prozent lässt die Ausgaben der Praxen massiv in die Höhe schnellen.“ Eine ausreichende Gegenfinanzierung sei wegen der gedeckelten Arzthonorare kaum noch möglich.
„Die Stimmung bei Ärztinnen und Ärzten sowie Praxispersonal ist auf dem Tiefpunkt angelangt. Mehr Arbeitsaufwand, mehr Bürokratie, weniger Fachkräfte und eingedeckeltes Budget – das kann nicht mehr lange gut gehen und wird sich in der Versorgung bemerkbar machen“, beschreibt Dr. Monika Schliffke, die Vorstandsvorsitzende der KVSH, die Situation.