Erheblich mehr Kranke müssen sich in Hamburg in Zukunft einen Hausarzt teilen. Die medizinische Versorgung wird sich verändern müssen.

Hausärztinnen und Hausärzte werden mit Recht als „Lotsen durch das Gesundheitssystem“ bezeichnet. Dass auch sie in der Überalterungsfalle gefangen sind, erschwert die Herausforderungen für alle, die medizinische Hilfe suchen. Es trifft Jung wie Alt. Heute Patientin oder Patient zu sein ist mit erheblich mehr Unsicherheiten verknüpft als vor wenigen Jahren.

Unser leichtester Gang führt zu Dr. Google. Was das Internet an Informationen und solchen, die den Namen nicht verdienen, bereithält, ist, nun ja, mega-reichhaltig. Schon hier brauchen selbst die smartesten User – einen Lotsen. Nur in seltenen Erkrankungsfällen ist eine „digitale Selbstbesprechstunde“ dem direkten Austausch mit einem Hausarzt überlegen oder überhaupt therapieförderlich.

Gesundheit Hamburg: Die Wege werden weiter, die Wartezeiten länger

Ob nun Generation Oma, X, Y oder Gen Z – erheblich mehr Kranke müssen sich in Hamburg in Zukunft einen Hausarzt teilen. Auch wenn viele keinen festen „Doktor für alles“ mehr haben oder wollen, wird man sich darauf einstellen müssen: Die Wege werden weiter, die Wartezeiten länger, der Kontakt wird möglicherweise auch digitaler, aber vielleicht nicht mehr so eng sein können. Immerhin: Wir leben in Hamburg auf einer Insel der Glückseligen in einer Medizinmetropole, in der fast jeder noch so spezielle ärztliche Eingriff, jede noch so moderne Therapie und Hightech allerorten verfügbar sind. Unsere Vollkasko-Mentalität übersieht aber die versteckten Kosten einer alternden Gesellschaft und die Trends der vergangenen Jahre.

Zugegeben: Das sind häufig esoterisch anmutende Themen für Expertenzirkel. Für Hausärztinnen und Hausärzte ist es aber nicht trivial, wenn zu viel ihrer Zeit mit dem Ausfüllen von Bescheinigungen für Disease-Management-Programme verloren geht, für Dokumentationen an die Krankenkassen und den realen bürokratischen Wahnsinn. Wer einen Hausbesuch macht und sich über 23,88 Euro Extrahonorar freut, schaut möglicherweise neidisch auf Handwerker, die ein Vielfaches aufrufen.

Man muss noch nicht spenden für die niedergelassenen Ärzte. Aber eine Neuordnung ihrer Honorare und eine verbesserte Bezahlung der sprechenden Medizin gelten schon als akzeptierte Allgemeinplätze eines jeden Reform-Rufes. Man kann sich an fünf Fingern der demografischen Entwicklung zusammenrechnen, dass mehr ältere Menschen mehr ärztliche Leistungen nachfragen werden, mehr Operationen, mehr Therapien, mehr Pflege. Es wäre ein Irrglaube, wenn man annähme, mit den derzeit geltenden Krankenkassenbeiträgen sei das zu machen.

Gesundheit Hamburg: Hansestadt muss bei der medizinischen Infrastruktur nacharbeiten

Gleichzeitig wird immer deutlicher: Nicht die eine Demografie-Bombe wird hochgehen, sondern es wird hier und da Detonationen geben. Wir sollten sie wahrnehmen. Die relativ junge und wachsende Stadt Hamburg mit ihren Wohnungsbauprojekten und endlich ökologischer gedachten Quartieren muss bei der medizinischen Infrastruktur nacharbeiten. Das Bewusstsein ist da, allein, es fehlt das strukturierte Handeln. Kleine Anreize müssen her, dass sich zum Beispiel Haus- und Kinderärzte neu zusammenfinden können, und zwar in Praxisgemeinschaften dort, wo der Bedarf am größten ist. Weg mit Gesetzen, die das behindern!

Es hat zudem einen großen Wert, dass es in Hamburg einen Mix gibt aus vielen niedergelassenen Medizinern, angestellten Ärzten in Medizinischen Versorgungszentren und Krankenhäusern, jungen und erfahrenen Ärztinnen und Ärzten. Auch das ist Vielfalt, neudeutsch: Diversity. Das gilt es zu erhalten und auszubauen. Sonst geht im Lotsenhaus das Licht schnell aus.