Geesthacht. Die medizinische Versorgung der Patienten ist gesichert, der Hausärztemangel in Geesthacht damit aber nicht behoben.

„Diskretion“ steht noch immer vor dem Empfangstresen der ehemaligen Hausarztpraxis von Dr. Jörg Stüber und Dr. Hartmut Klaus in Geesthacht. Und das galt zuletzt auch für das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) der Johanniter, wenn es um die Nachfolge der beiden fast 80-jährigen Mediziner ging, die sich Ende Mai in den Ruhestand verabschiedet hatten. Doch nun ist die Katze aus dem Sack, die den rund 2600 Patienten säckeweise Steine von den Schultern purzeln lässt: Am 3. Juli tritt mit Intigam Baghirov ein neuer Facharzt für Allgemeinmedizin seinen Dienst in der Praxis an.

Somit ist die hausärztliche Versorgung vorerst sichergestellt. In keinem anderen Planbereich der Kassenärztlichen Versorgung Schleswig-Holstein (KVSH), zu dem neben Geesthacht auch Schwarzenbek, Lauenburg und die Ämter Hohe Elbgeest, Schwarzenbek-Land und Lütau gehören, ist der Versorgungsgrad derart schlecht. Ende März lag er bei 90,8 Prozent. Elf Hausarztstellen waren unbesetzt, fünf davon in Geesthacht.

Hausärztemangel in Geesthacht bleibt

Einen neuen Allgemeinmediziner in der größten Stadt im Kreis Herzogtum Lauenburg zu bekommen, war praktisch nicht möglich, weil alle anderen Hausärzte einen Aufnahmestopp hatten. Christine Backs (SPD) hatte auf die prekäre Lage im Sozialausschuss hingewiesen. Bürgermeister Olaf Schulze, ebenfalls SPD, handelte daraufhin und initiierte einen runden Tisch mit den verbliebenen Hausärzten, Apothekern und der KVSH.

Frank Techet von der Stadtapotheke initiierte bereits die Aktion „Gee impft“ und engagierte sich nun auch dabei, einen neuen Hausarzt für Geesthacht zu finden.
Frank Techet von der Stadtapotheke initiierte bereits die Aktion „Gee impft“ und engagierte sich nun auch dabei, einen neuen Hausarzt für Geesthacht zu finden. © Dirk Schulz

Besonders Frank Techet von der Stadtapotheke ließ hernach seine Kontakte spielen. Techet, der beim Neujahrsempfang für „besondere Verdienste“ um die Aktion Gee.impft von der Stadt geehrt wurde, stellte nun auch den Kontakt zwischen den Johannitern und Intigam Baghirov her.

Nachfolger von Dr. Stüber und Dr. Klaus spricht vier Sprachen

Der 49-jährige Facharzt für Allgemeinmedizin ist Vater von drei Kindern und lebt in Boberg. 2006 war er aus Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, fürs Studium in Lübeck nach Deutschland gekommen. Neben Deutsch spricht Baghirov auch Englisch, Russisch und Türkisch. Er arbeitete unter anderem in der Reinbeker Praxis von Dr. Remmele oder bei Dr. Diederich in Wentorf.

Zweimal kam der runde Tisch zur Hausärzte-Versorgung im Geesthachter Rathaus zusammen. Bürgermeister Olaf Schulze (am Kopf der Tafel) hat ihn ins Leben gerufen.
Zweimal kam der runde Tisch zur Hausärzte-Versorgung im Geesthachter Rathaus zusammen. Bürgermeister Olaf Schulze (am Kopf der Tafel) hat ihn ins Leben gerufen. © Stadt Geesthacht

„Über Patientenbesuche für den kassenärztlichen Notfalldienst weiß ich, dass in der Region hier viele Patienten darunter leiden, dass sie keinen Hausarzt haben. Deshalb habe ich mich für Geesthacht entschieden. Die Stadt entwickelt sich gut, und in Hamburg gibt es wirklich genug Ärzte“, sagt Intigam Baghirov. Die telefonische Erreichbarkeit des Johanniter-MVZ soll ab Montag, 26. Juni wiederhergestellt sein, um Termine vereinbaren zu können. „Für Menschen aus der der Ukraine werden wir zusätzlich ein Angebot machen. Sie haben häufig keine Chance auf ärztliche Behandlung“, erklärt Baghirov.

Engagement des Bürgermeisters hat sich ausgezahlt

Bürgermeister Olaf Schulze reagierte erfreut auf die Lösung. „Es hat sich gelohnt, die Praxis zu retten, auch wenn es einiges an Arbeit gekostet hat.“ Derweil soll auch die zweite frei gewordene Hausarztstelle im Johanniter-MVZ möglichst schnell neu besetzt werden. Eine Ärztin soll großes Interesse gezeigt haben, im Oktober einzusteigen. Angeblich soll für die Übergangszeit Dr. Hartmut Klaus Bereitschaft signalisiert haben, noch einmal zur Verfügung zu stehen. Offiziell bestätigen wollte dies aber niemand.

In dieser Angelegenheit soll wie bei Intigam Baghirov Diskretion herrschen. Schließlich bahnte sich schon Anfang Mai eine Nachfolgelösung für Stüber/Klaus an – dies hatte Bürgermeister Olaf Schulze im Hauptausschuss angedeutet. Tatsächlich, das haben Recherchen der Redaktion ergeben, gab es damals einen Kandidaten, der die Praxis sogar als Selbstständiger übernehmen wollte, dann aber kurzfristig abgesprungen war.

Reaktion der KVSH sorgt für Unverständnis

Im Hintergrund liefen die Bemühungen aber weiter. Und dass es mit der Praxis weitergehen könnte, darauf deutete ein handschriftliches Schild am Eingang der Bergedorfer Straße 31 hin. Neben einem Hinweis, wann bestellte Rezepte bei den Arzthelferinnen abgeholt werden können, stand, dass „voraussichtlich“ eine Neuöffnung der Praxis zum 3. Juli erfolge. Doch darüber reden wollten die Beteiligen diesmal erst nachdem die Tinte auf dem Vertrag getrocknet war.

Gleichwohl bleibt die hausärztliche Versorgungslage in Geesthacht weiter angespannt. Dr. Thomas Völkel vom Hausarztzentrum Geesthacht in der Bohnenstraße hat vom runden Tisch im Rathaus mitgenommen, dass auch er sich engagieren solle, weil die verbliebenen Hausärzte in Geesthacht stark überaltert sind. Völkel beantragte bei der KVSH daher für eine Weiterbildungsassistentin eine besondere Förderung, die es in unterversorgten Gebieten geben soll.

Keine besondere Förderung im unterversorgten Planbereich Geesthacht

Die Antwort, die er erhielt, verschlug ihm die Sprache. „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es in Schleswig-Holstein keine unterversorgten oder drohend unterversorgten Gebiete und daher kann auch kein erhöhter Zuschuss gewährt werden“, schrieb eine Mitarbeiterin. „Frau Schliffke (KVSH-Vorsitzende, die Red.) war beim runden Tisch selbst vor Ort, sprach von einer Versorgungsquote von 90,8 Prozent und anschließend hat eine unserer angestellten Ärztinnen gekündigt, was in der Prozentzahl noch nicht berücksichtigt wurde“, sagt Völkel. Hintergrund: Unter 90 Prozent soll besondere finanzielle Förderung möglich sein.

Völkel schickte nun ein Schreiben an Schliffke mit der Frage, ob die Auskunft der Mitarbeiterin jetzt die offizielle Position der KVSH sei. Hintergrund: Er will die Kapazität seiner Praxis erhöhen und hatte auch für den größeren Anmeldetresen auf Förderung gehofft. Auch Bürgermeister Schulze reagierte auf die Haltung der KVSH erstaunt und kündigte an, dies gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung auch zu äußern.