Lohbrügge. Offene Sprechstunde an drei halben Tagen pro Woche. Einstimmiges Lob von Bergedorfs Politik – doch die will noch viel mehr vom Senat.
Es ist ein zarter Anfang, wenn auch mit breitem politischen Rückenwind: Am Herzog-Carl-Friedrich-Platz weiht Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) am 14. Juni das Lohbrügger Gesundheitszentrum ein – Bergedorfs ersten gezielten kommunalen Versuch, dem rasant wachsenden Ärztemangel im Bezirk entgegenzuwirken.
Mit bloß drei halben Öffnungstagen und einer eher winzigen medizinischen Crew um die Allgemeinärztin Dr. Maren Oberländer will die Bergedorfer Sozial-gGmbH „Der Begleiter“ als Träger aber „immerhin erst mal anfangen, denn der Bedarf ist riesig. Anschließend schauen wir, wie die offene Sprechstunde weiter aufzustocken ist“, sagt Kai Gliesmann. Denn der Geschäftsführer weiß sich mit diesem zunächst für drei Jahre von der Sozialbehörde finanzierten Engagement in bester Gesellschaft mit Bergedorfs Politik.
Ärztemangel verschärft sich – neues Gesundheitszentrum hilft
Auf Antrag von SPD, Grünen, FDP und CDU hat die Bezirksversammlung gerade erst einstimmig die Ansiedlung solcher kommunalen Projekte im Bezirk gefordert. Die sollen nicht zuletzt auch jungen Ärzten den Einstieg in den Beruf erleichtern. Statt das finanzielle Risiko einer Praxisgründung einzugehen, können sie hier als angestellte Ärzte anfangen. Vorbild ist Bremen, wo es solche Medizinischen Versorgungszentren in städtischer Trägerschaft längst gibt.
Tatsächlich gehört Bergedorf zu den Regionen Hamburgs, die in der statistisch eigentlich überversorgten Hansestadt mittlerweile als unterversorgt gelten. Jahrelange Abwanderung von Hausärzten und verschiedenen Fachmedizinern bei gleichzeitig deutlich gestiegener Einwohnerzahl sind der Grund. Wie die Linken in einer Bürgerschaftsanfrage vergangene Woche erfuhren, gibt es neben der Ärztewanderung in die reicheren Stadtteile rund um die Alster bei den Allgemeinmedizinern noch eine weit dramatische Entwicklung: 20 kassenärztliche Hausarztsitze sind aktuelle vakant, weil die schlechtere Bezahlung junge Allgemeinmediziner scheuen lässt, eine eigene Praxis zu eröffnen.
Bergedorfs Ärzte werden immer weniger – während die Einwohnerzahl wächst
Bergedorfer Zahlen gab die Sozialbehörde zuletzt 2021 bekannt. Schon damals verzeichnete der Bezirk im Vergleich zum Jahr 2014 bei den hier niedergelassenen Ärzten insgesamt ein Minus von 5,4 Prozent oder oder 11,25 Vollzeitstellen auf nur noch 200,25. Gleichzeitig war die Zahl der Einwohner Bergedorfs im selben Zeitraum aber um mehr als sechs Prozent gewachsen. Besonders deutlich rutschte die Zahl der Hausärzte ab: um 15 Prozent auf nun noch 70 Mediziner.
Dass „Der Begleiter“ allein mit seinem Lohbrügger Gesundheitszentrum, kurz LGZ, spürbar gegensteuern kann, glaubt Kai Gliesmann zwar nicht. „Aber wir wollen den Menschen, die wegen ewiger Wartezeiten auf Facharzttermine oder grundsätzlicher Ablehnung wegen überfüllter Praxen resigniert haben, den Weg zurück in die medizinische Versorgung ebnen.“ Das gelte insbesondere für Senioren, junge Familien mit Kindern, Bergedorfer mit sozialen Problemen und Menschen mit Migrationshintergrund. „Aber auch darüber hinaus ist das LGZ offen für alle.“
„Lohbrügger Gesundheitszentrum“ startet Praxisbetrieb am 15. Juni
Das Team ist von Donnerstag, 15. Juni, an in der ehemaligen Logopädie-Praxis des „Begleiters“ im Herzog-Carl-Friedrich-Platz 1 im Einsatz. Telefonisch erreichbar ist das LGZ unter 040/28 53 86 10 immer dienstags von 12 bis 17 Uhr sowie mittwochs bis freitags von 8 bis 13 Uhr. Die offenen Sprechzeiten sind dienstags von 13.30 bis 16.30 Uhr, mittwochs von 9 bis 12 Uhr und freitags von 9 bis 11 Uhr.
Wer kommt, erhält im LGZ eine Art medizinische Sozialberatung: „Unser Team schaut sich an, was der Patient genau braucht“, sagt Kai Gliesmann. „Was könnte der wirkliche Grund des chronisch zu hohen Blutdrucks sein? Warum will eine Wunde einfach nicht heilen? Und vor allem: Gibt es einen Grund, warum keine gewöhnliche Hausarztpraxis aufgesucht wird?“
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So versteht sich das Lohbrügger Gesundheitszentrum neben der medizinischen Erstversorgung, für die es keine Krankenversicherten-Karte braucht, vor allem als Vermittler in die ärztliche Versorgung im Bezirk. „Wir sind als Träger Psychosozialer Hilfen eng mit den medizinischen Strukturen Bergedorfs vernetzt – bis hin zur Drogenberatung und natürlich auch zum Bethesda Krankenhaus. Genau von diesem Netzwerk sollen auch die Patienten des LGZ profitierten“, sagt Kai Gliesmann, der hier neben der Praxis Dr. Oberländer vor allem den vielsprachigen Pflegedienst Arslan und die Lohbrügger Elefanten Apotheke als engste Kooperationspartner heraushebt.