Norderstedt. Nach mehrmonatiger Kampagne für Reformen ziehen Ärzte Bilanz. Was der Norderstedter Hausarzt Dr. Svante Gehring sagt.
Über Monate hatten sich Ärztinnen und Ärzte aus dem Norden zusammengeschlossen. In einer breiten Allianz organisierten sie eine Protestkampagne und Aktionstage. Sie wiesen auf das hin, was aus ihrer Sicht im deutschen Gesundheitssystem verkehrt läuft.
Und das ist einiges: hohe Energie- und Materialpreise, nicht ausreichende Vergütung von Dienstleistungen und Medikamenten, ein großer Mangel an Fachkräften auf allen Ebenen, übermäßige Bürokratie zu Lasten der Patientinnen und Patienten, eine Honorar-Obergrenze.
Norderstedt: Ärzteprotest – „Gesundheitsversorgung droht zu kippen“
Jetzt hat die Ärztegenossenschaft Nord eine Bilanz gezogen. „Mit dieser Informationskampagne haben wir die niedergelassene Ärzteschaft wieder in den Blickpunkt der Politik und Medien gerückt“, sagt Dr. Axel Schroeder, Koordinator der Kampagne und Urologe.
Im Herbst habe man, als Reaktion auf das Finanzstabilisierungsgesetz für die Gesetzlichen Krankenkassen, mit der Aktion begonnen. In jedem Monat wurde auf Defizite demonstrativ hingewiesen.
Svante Gehring: „Fallpauschalen bilden den Leistungsaufwand nicht mehr ab“
Der Norderstedter Hausarzt Dr. Svante Gehring ist Vorsitzender der Ärztegenossenschaft. Er sagt: „Die Gesundheitsversorgung droht zu kippen. Wir benötigen dringende Reformen in der medizinischen Versorgung, neue Strukturen im stationären und ambulanten Bereich und eine solide Reform der Finanzierung. Ständige Spargesetze lösen die Probleme nicht. Sie ähneln eher einem blinden Aktionismus als einer nachhaltigen Reform.“
Svante Gehring weiter: „Fallpauschalen und ein einheitlicher Bewertungsmaßstab bilden den Leistungsaufwand nicht mehr ausreichend ab. Gleiches gilt für die überfällige Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte.“
Budgetierung als „Relikt aus den 90er-Jahren“
Die sogenannte Budgetierung bleibt ein Ärgernis für die Branche. Diese bedeutet: Ist vor Jahresende eine festgelegte Leistungsmenge erreicht, kann es sein, dass weitere Behandlungen nicht von den Kassen gezahlt werden.
Axel Schroeder bezeichnet das Instrument als „Relikt aus den 90er-Jahren“ Diese seinen „eine Zeit der Ärzteschwemme“ gewesen. Heute habe man aber Ärztemangel, mit der Folge längerer Wartezeiten, weniger Sprechstunden und weniger Leistungen.
Axel Schroeder: „Unsere Praxen sind am Limit“
Schroeder: „Unsere Praxen sind am Limit, das nicht nur seit der Pandemie – und Grippewelle.“ Die Ruhestandswelle verschärfe den Fachkräftemangel, die „miserable Gesamtsituation“ schaffe keine Perspektive für den Nachwuchs.
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Wie es nun weitergehen soll? Praxen und Kliniken sollen besser zusammenarbeiten, genauso auch mit nichtärztlichen Heil- und Gesundheitsberufen. „Bei einer Umstrukturierung muss ambulant vor stationär stehen“, so die Ärztegenossenschaft.
Das lindere die Arbeitsbelastung des Personals, schone die Finanzen und entlaste die Personalkapazitäten. Es setze sogar Fachpersonal sowie Ärztinnen und Ärzte frei. „Alles im Sinne einer qualifizierten, wohnortnahen Versorgung.“
Svante Gehring: „Dringender Handlungsbedarf bei Medizinerausbildung“
Man begrüße daher eine Krankenhausreform, die Neuordnung der Notfallversorgung sowie des Rettungsdienstes, so Schroeder. „Diese Reformen dürfen aber nicht nur aus dem Blickwinkel der Kliniken erfolgen, sondern können nur gemeinsam, zusammen mit der niedergelassenen Ärzteschaft, Erfolg zeigen.“
Gefordert seien die Bundesländer auch bei der Aus- und Weiterbildung, so Svante Gehring. „Wir sehen dringenden Handlungsbedarf in der Medizinerausbildung, besonders in der angekündigten Reform der Approbationsordnung, sowie in der Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte, um künftig die jungen Mediziner im Lande zu halten und über attraktive stationäre und ambulante Weiterbildungen in der Region zu binden.“