Lauenburg. Wer in Lauenburg in der Kartei eines Mediziners steht, kann sich glücklich schätzen. Alle anderen haben ein riesengroßes Problem.

Wer in Lauenburg keinen Hausarzt hat, sollte besser nicht krank werden. „Tut uns leid, wir nehmen keine neuen Patienten auf“, ist die Standardantwort, wenn man in einer Arztpraxis um einen Termin bittet. Wer alternativ in Geesthacht sein Glück versuchen will, hat meist ebenfalls Pech. Beide Städte gehören für die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) zu einem Planbereich. Hier fehlen elf Hausärzte, um ärztliche Versorgung einigermaßen sicherstellen zu können. „Ein Hausarzt zu finden ist wie ein Sechser im Lotto“, postete neulich eine zugezogene Lauenburgerin bei Facebook.

Die Lauenburger Wählergemeinschaft (LWG) hat sich das Thema Ärztemangel auf die Fahne geschrieben und kürzlich Vertreter der KVSH sowie in der Stadt niedergelassene Ärzte zu einem runden Tisch eingeladen. Im ersten Moment hört sich die Versorgungslage in Lauenburg gar nicht so dramatisch an. 10,25 Hausarztstellen sind hier besetzt, das entspricht einer Versorgungsquote von 90,8 Prozent. Außerdem gibt es acht Fachärzte, damit ist die Schifferstadt überdurchschnittlich gut versorgt.

Hausarzt finden: Wer von außerhalb nach Lauenburg zieht, hat kaum eine Chance

LWG-Fraktionsvorsitzender Niclas Fischer. 
LWG-Fraktionsvorsitzender Niclas Fischer.  © Privat | Privat

Für die LWG sind die Zahlen dennoch alarmierend. „Schon jetzt ist Lauenburg durch Hausärzte unterversorgt. Die Situation dürfte sich aber angesichts neuer Wohngebiete in der Stadt noch zuspitzen. Wer nach Lauenburg zieht, hat kaum eine Chance, für seine Familie einen Hausarzt zu finden“, sagt LWG-Fraktionsvorsitzender Niclas Fischer. Dazu komme, dass die Menschen durchschnittlich immer älter würden und damit der Gang zum Arzt meist häufiger.

Der demografische Wandel betrifft übrigens nicht nur die Patienten. „Etwa 40 Prozent der Hausärzte in unserem Planbereich sind über 60 Jahre alt und dürften somit in absehbarer Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden“, weiß Fischer. Wann genau die Ärzte in Pension gingen, wisse man nicht. Bei niedergelassenen Ärzten gebe es kein gesetzliches Renteneintrittsalter, manche arbeiteten noch mit 70 oder darüber hinaus.

Das Problem gibt es aber nicht nur in Lauenburg oder Geesthacht. 2035 werden in Deutschland rund 11.000 Hausarztstellen unbesetzt sein, fast 40 Prozent der Landkreise werden unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht sein. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Robert Bosch Stiftung hervor.

Junge Ärzte scheuen Schritt in die Selbstständigkeit

Das Dilemma: Die verbleibenden Ärzte müssten dann immer mehr arbeiten – und könnten sich eben oft nicht anders helfen, als neue Patienten abzuwimmeln. Auch aus diesem Grund würden frisch ausgebildete Ärzte heute kaum noch eine eigene Praxis anstreben, sondern lieber in medizinischen Versorgungszentren mit geregelten Arbeitszeiten ihre berufliche Perspektive suchen. Als Arzt mit eigener Praxis ist man eben auch Unternehmer, muss Abrechnungen schreiben und Personal führen.

Damit möglichst viele junge Ärzte in Zukunft im ambulanten Bereich praktizieren, hat die KVSH bereits vor elf Jahren eine Nachwuchskampagne gestartet. Diese soll bei Medizinstudenten Lust auf die eigene Praxis machen. Neben der Förderung von Weiterbildungsmöglichkeiten im haus- und fachärztlichen Bereich unterstützt die Vereinigung auch die Weiterentwicklung der Telemedizin und Bildung kommunaler Gesundheitszentren.

Ob Telemedizin der geeignete Weg ist, dem Ärztemangel zu begegnen, scheint aber fraglich. Schon 2018 beteiligte sich das Lauenburger Pflegeheim Askanierhaus an einem Pilotprojekt des Praxisnetzwerkes Herzogtum Lauenburg. Per Videosprechstunde sprachen Bewohner mit ihrem Hausarzt und klärten leichte Beschwerden ab. Ziel war es, dass das Projekt flächendeckend in den Pflegeheimen des Landes zum Einsatz kommt. Durchsetzen konnte es sich bisher nicht.

Versorgungszentren statt Einzelpraxis – ein Weg für Lauenburg?

„Wenn wir eine gesunde Stadtentwicklung wollen, müssen wir das im Blick haben. Fest steht, dass es Ärzte kaum in Gebiete mit einer schwachen Infrastruktur zieht. Wenn wir punkten wollen, müssen wir also lukrative Angebote machen“, sagt Fischer. Dazu gehörten aus seiner Sicht nicht nur Wohnraum oder ausreichend Betreuungsplätze für Kinder, sondern auch attraktive Möglichkeiten zu praktizieren.

Ein Weg, um die medizinische Versorgung langfristig zu sichern, könnte ein Ärztehaus sein. „Wir sollten da ruhig mal nach Büchen schauen. In dem Medizinischen Versorgungszentrum arbeiten die Ärzte im Angestelltenverhältnis, was für viele wesentlich angenehmer ist als die klassische Selbstständigkeit. Möglicherweise ließe sich Ähnliches auch in Lauenburg umsetzen. Zumindest sollten wir alle Möglichkeiten prüfen“, regt der LWG-Chef an.

In Wentorf ist man da schon einen Schritt weiter. Hier haben sich im vergangenen Jahr Vertreter aus Politik und Verwaltung mit praktizierenden Ärzten zusammengesetzt, um die Möglichkeiten für ein Ärztehaus auszuloten. Die Suche nach einem geeigneten Objekt läuft bereits.

Öffentliche Diskussionsrunde Mitte März geplant

Bundesweit gibt es übrigens schon Medizinische Versorgungszentren, die ganz bewusst mit ihrer Lage außerhalb von Großstädten werben. Das Landarzt Medizinische Versorgungszentrum Rhön zum Beispiel macht jungen Ärzten das Leben in der Kleinstadt durch viele Kooperationen schmackhaft. Das Zentrum hatte im Frühjahr 2019 die Arbeit aufgenommen, gefördert vom Landkreis Fulda.

„Wir müssen uns darum kümmern, dass auch bei steigenden Einwohnerzahlen die ärztliche Versorgung in Lauenburg sichergestellt und wenn möglich verbessert wird“, sagt Fischer. Für Mitte März will die Lauenburger Wählergemeinschaft zu einer öffentlichen Diskussion zum Thema Ärztemangel einladen.