Lauenburg. Wo sonst Wohnmobile dicht an dicht stehen, herrscht gähnende Leere. Auch Bustouristen meiden die Altstadt. Das sagen Betroffene.
An der Lauenburger Marina gibt es 20 Stellplätze für Wohnmobile, doch ausgerechnet zur Hauptsaison fehlen die Gäste. Grund sind die beiden Baustellen auf der Elbbrücke und der Hafenstraße, die nicht nur die Marina, sondern auch die Hotels und Restaurants in der Lauenburger Altstadt vom Verkehr abgeschnitten haben.
„Ganz Deutschland ist eine Baustelle, es ist eine einzige Katastrophe“, sagen Monika und Karl-Heinz Gieschen aus Bremen. Sie gehören zu den wenigen Wohnmobilisten, die den Weg zum Stellplatz an der Hafenstraße 14 gefunden haben – auf Umwegen. „Wir waren vorher in Ratzeburg, haben uns auf unser GPS-System verlassen und standen plötzlich an einer Baustelle“, berichten die 82-Jährige und ihr 79-jähriger Ehemann.
Fehlende Touristen: „Wirtschaftlich ist es für uns ein Desaster“
Erst nach einem Anruf bei Hafenmeisterin und Stellplatzbetreiberin Yildiz Frühauf fanden sie die Zufahrt. Andere Gäste suchten zunächst zu Fuß den Weg zur Marina oder riefen ebenfalls an. Frühauf holte sie dann in der Oberstadt ab oder lotste sie zum Stellplatz.
Frühauf kritisiert trotz großer Einbußen nicht die Sanierungsarbeiten („Irgendwann muss ja saniert werden“), sondern die Ausschilderung: „Wirtschaftlich ist es für uns eine Desaster, weil der Durchgangsverkehr fehlt.“ Dabei ist eine Zufahrt zur Marina durchaus möglich, auch wenn es für die Fahrer der großen und schweren Wohnmobile etwas Überwindung kostet: Kurz hinter der Posthof-Kreuzung in der Oberstadt müssen sie von der Bundesstraße 5 nach rechts auf den Großen Sandberg abbiegen.
Seit Beginn der Bauarbeiten bleiben die Tagesgäste aus
Die schmale und steile Einbahnstraße mündet in Höhe der Hitzler-Werft in die Elbstraße: Links geht es zur Marina, rechts in die Altstadt und zum Parkplatz Lösch- und Ladeplatz. Doch auch dort gibt es viele freie Plätze: „Im Vorfeld der Baustelle hatte ich angenommen, dass uns vor allem die Gäste aus Niedersachsen fehlen werden, die ja nicht mehr die Elbbrücke nutzen können“, sagt Birgit Schmidt, Inhaberin des „Café von Herzen“ (Elbstraße 46-50). Das war eine Fehleinschätzung, gibt sie heute zu: „Es ist Fakt, dass uns nahezu die gesamten Tagestouristen fehlen.“
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Dabei war die Saison vielversprechend gestartet, sagt auch Sönke Ellerbrock, Wirt des traditionsreichen Restaurants „Zum alten Schifferhaus“ (Elbstraße 114). Zwar sei das „Country-Grillfest“ mit Essen vom Grill und Live-Musik mit „Die glorreichen Zwei“ am Freitag, 4. August, sehr gut gebucht – doch an den übrigen Tagen fehlen jetzt die Gäste. Weil sich das Tagesgeschäft nicht mehr lohnt, öffnet das Haus jetzt erst um 16 Uhr.
Für mehr als zwölf Meter lange Busse ist die Abfahrt durch die Elbstraße schwierig
Doch vor allem fehlen Ellerbrock die Bustouristen: Maximal zwölf Meter lang dürfen die Busse sein, die sein Hotel und Restaurant anfahren können. „Ich hatte eine Reisegruppe, deren Bus 12,50 Meter lang war. Der Fahrer hat in der Oberstadt gehalten und die Gäste mussten zu Fuß die Treppen hinablaufen. Rauf ging es dann in Taxis“, berichtet Ellerbrock. Die Konsequenz: Der Reiseunternehmer habe sein Haus aus dem Programm gestrichen.
Maximal 13,50 Meter dürfen Reisebusse mit zwei Achsen in Deutschland lang sein. Fahrzeuge, die nur zwölf Meter messen, sind entsprechend selten. Doch für längere Fahrzeuge ist nicht nur die Zufahrt über den Großen Sandberg schwierig, sondern vor allem die Abfahrt durch die schmale Elbstraße, an deren Ende die steile Straße Neustadt wartet.
Lauenburgs Tourist-Info sagt Film- und Musiknächte ab
Ellerbrock ist jedoch angewiesen auf die Bustouristen. Er geht von einem Umsatzverlust von etwa 50 Prozent aus. Birgit Schmidt rechnet mit 30 Prozent Minus: „Doch das ist in der Hochsaison natürlich schlimmer, als wenn wir dieses Minus im ohnehin umsatzschwachen November hätten.“ Jetzt, so die Gastronomin, werden normalerweise die Rücklagen für den Winter erwirtschaftet. „Wir arbeiten mit Vollzeitkräften, setzten kaum Aushilfen ein. Und die kann ich ja nicht einfach entlassen“, beschreibt Schmidt ihr Dilemma.
Auch die Tourist-Info in der Altstadt bestätigt einen Rückgang von Buchungsanfragen und bei Tagestouristen. Öffentliche Stadtführungen, die nächste beginnt am Sonnabend, 29. Juli, um 14.30 Uhr am Schloss, seien noch nicht gestrichen worden, wohl aber die Film- und Musiknächte am 25. und 26. August. Bisher seien zu dieser Veranstaltung immer viele Gäste aus Niedersachsen gekommen, die jetzt die Elbbrücke nicht passieren können. Ohne diese Gäste sei aber die zu erwartende Besucherzahl zu gering, so die Begründung.
Sönke Ellerbrock: „Wir sind hier eine Ferienregion.“
Ihre zehn Gästezimmer seien hingegen gut gebucht, sagt Gastronomin Schmidt – vor allem durch Radfahrtouristen. Doch lange aufhalten und von Geschäft zu Geschäft bummeln mögen die derzeit auch nicht, hat sie beobachtet. Der Grund ist der Auto- und Lieferverkehr, der jetzt die schmale Elbstraße nutzt. Außerhalb der Fahrradständer am Rufer-Platz, vor dem Café von Herzen oder der Tourist-Info könne man derzeit kaum Fahrräder abstellen.
„Unsere große Hoffnung ist, dass die Baustellen nicht noch in die Verlängerung gehen“, so Schmidt. „Und wir dann einen sonnigen und schönen Oktober bekommen.“ Sönke Ellerbrock hätte sich hingegen den Oktober eher als Start für die Bauarbeiten vorstellen können: „Ich habe mit Fachleuten gesprochen – unsere Winter sind nicht so hart, dass man nicht von Oktober bis Dezember hätte arbeiten können.“
Gastronomen fordern bessere Ausschilderung
Aufgrund des Wetters und geringerem Verkehrsaufkommen werden derartige Baustellen oft in die Ferienzeit gelegt, so Ellerbrock, dabei habe man aber seitens der Deutschen Bahn übersehen, dass Lauenburg eine Ferienregion und auf Besucher angewiesen sei. Der Hotelier und Gastronom hofft, dass die Bauarbeiten zumindest im September so weit fortgeschritten sind, dass eine Reisegruppe sein Haus per Sondererlaubnis erreichen kann: „Die kommen mit einem 13,5 Meter langen Bus, an dem noch ein neun Meter langer Anhänger für die Fahrräder hängt.“
Einig sind sich die drei Gastronomen, dass die Ausschilderung dringend verbessert werden müsste. „Wir brauchen Hinweistafeln für die Marina und die Altstadt“, so Ellerbrock. Frühauf hat auf eigene Kosten bereits blaue Schilder mit dem weißen Piktogramm eines Wohnmobils samt Hinweispfeil drucken lassen. Ein kleines Schild hängt bereits an der Zufahrt zum Großen Sandberg, das Ordnungsamt hat ein Auge zugedrückt.
Kaum jemand nimmt bei der Durchfahrt auf der B5 die kleinen Hinweisschilder wahr
Denn im öffentlichen Straßenraum darf nicht jeder Schilder aufhängen. „Wir sind Frau Frühauf im Rahmen unserer Möglichkeiten schon sehr entgegengekommen“, sagt deshalb auch Lauenburgs Bürgermeister Thorben Brackmann. Das Problem: Kaum jemand nimmt bei der Durchfahrt auf der Bundesstraße 5 die kleinen Hinweisschilder wahr. Groß ist nur die Tafel, mit der auf die Sperrung von Hafenstraße und Elbbrücke hingewiesen wird.
„Wir haben ja bereits ein touristisches Leitsystem, und die Zufahrt über die Grünstraße im Westen der Stadt ist ja weiterhin offen“, betont Brackmann. Allerdings kommt man von dort nur zum Parkplatz Borkeplatz, der Lösch- und Ladeplatz liegt hingegen auf der anderen Seite der Altstadt und ist nur über den Großen Sandberg erreichbar. Ein Leitsystem über den Großen Sandberg in die Altstadt wäre etwas komplett Neues, bei dem auch die Belange der dortigen Anwohner zu berücksichtigen seien.
Brackmann versprach, sich noch einmal mit den Gastronomen in Verbindung zu setzen und unterstützt den Appell, den Frühauf an die Lauenburger Bürger formuliert hat: „Wenn ihr Essen gehen wollt, fahrt nicht in andere Städte, sondern kommt zu uns und unterstützt uns in dieser schwierigen Zeit.“