Lauenburg. Reinhard Nieberg und Thomas Burmester waren nicht nur Kollegen, sie sind auch Freunde. Warum sie trotzdem aneinander gerieten.
Die Schreibtische sind ausgeräumt, Persönliches verstaut – Thomas Burmester und Reinhard Nieberg sind nun Pensionäre. Offiziell zwar erst am 1. Januar, aber die Lauenburger Verwaltung hat zwischen den Feiertagen geschlossen. Auf insgesamt 77 Jahre Jahre Erfahrung blicken beide zurück, Bürgermeister haben sie kommen und gehen sehen. Für ihre Nachfolge ist gesorgt. Rechtzeitig hat die Stadt die Verwaltungsstruktur komplett umgekrempelt. Statt zwei Amtsleitern gibt es jetzt drei. Den Staffelstab haben Christian Asboe, Wilhelm Steffens und Friederike Betge übernommen.
Thomas Burmester: „Zahlenmensch“ statt Bauer
Wenn man Thomas Burmester eines nicht nachsagen kann, dann ist es Sprunghaftigkeit. Er erinnert sich noch genau an seinen ersten Arbeitstag. Es war Anfang September 1975, das neue Ausbildungsjahr in der Lauenburger Stadtverwaltung hatte gerade begonnen. „Ich wurde gleich in die Stadtkasse geschickt und das erste, was mir auffiel war, dass es fast nur ältere Mitarbeiter gab“, erzählt der heute 65-Jährige. Aber so ist das nun mal, wenn man jung ist.
Thomas Burmester ist in Lauenburg geboren. Eigentlich hatte er Landwirtschaft studieren wollen, aber krankheitsbedingt klappte es mit dem Abi nicht. „Geh’doch in die Verwaltung“, riet sein Vater. Das tat er dann auch, zunächst mit halbem Herzen. Hätte ihm damals jemand erzählt, dass er bis auf ein kurze Unterbrechung sein ganzes Berufsleben als „Zahlenmensch“ in der Lauenburger Verwaltung verleben würde, er hätte denjenigen wohl für verrückt erklärt. Doch im Laufe der Zeit entdeckte Thomas Burmester eine neue Begabung an sich. Als Kämmerer hatte er ein Auge auf die Finanzen der Stadt – und niemand konnte das trockene Zahlenwerk besser erläutern als er.
Reinhard Nieberg: Aus dem Ruhrpott an die Elbe
Reinhard Nieberg stammt aus dem Ruhrpott und Herne ist immer seine Heimat geblieben. 1992 hat es ihn trotzdem nach Lauenburg verschlagen. Hier war die Stelle als Bauamtsleiter ausgeschrieben und da schlug der studierte Stadtplaner zu. „Wir saßen auf der Terrasse im Hotel Möller. Die Sonne schien auf die Elbe und ich dachte mir: Ja, hier lässt es sich leben“ erinnert er sich.
Ohnehin war er immer flexibel geblieben, was seine beruflichen Ziele betrifft. Er hatte schon als Schlafwagenbetreuer und Kneipenwirt gearbeitet. In Lauenburg machte er dann die gleiche Erfahrung, die auch Thomas Burmester bei seinem Einstieg in die Lauenburger Verwaltung gemacht hatte. „Hier arbeiten ja fast nur alte Menschen habe ich gedacht“, erinnert er sich.
Kollegen, Freunde – und manchmal Sturköpfe
Als Reinhard Nieberg Bauamtsleiter wurde, hatte Thomas Burmester ihm schon 17 Jahre Erfahrung in der Lauenburger Verwaltung voraus. Sie seien sich gleich sympathisch gewesen, sagen sie: der Lauenburger Jung und der aus dem Pott. „Nach und nach waren wir nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde“, sagen beide.
Doch sie waren auch Amtsleiter. Kämmerer Thomas Burmester musste die immer knapper werdenden Mittel der Stadt zusammenhalten und zeitweise den Mangel verwalten. Bauamtsleiter Reinhard Nieberg wollte bauen und brauchte dafür Geld. Beide verbissen sich zuweilen in ihre Aufgaben. Diskussionen darüber gingen auch in den privaten Bereich. „Da mussten wir die Reißleine ziehen, um unsere Freundschaft nicht zu gefährden“, sagt Burmester. Und Nieberg verrät: „So ist es eben, wenn zwei Sturköpfe aufeinander treffen.“
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Gemeinsame Projekte schweißen zusammen
Dass beide ihre Aufgaben so ernst nahmen, hatte aber einen entscheidenden Vorteil. „Wir haben einige Großprojekte realisiert, weil wir uns aufeinander verlassen konnten“, sagt Nieberg. Die Sanierung der Heinrich-Osterwold-Halle zählt er auf jeden Fall dazu. Das 1,2 Millionen-Euro-Projekt bildete den Abschluss der Sanierung der Lauenburger Altstadt.
Auch das neue Medienzentrum, das im Spätsommer nächsten Jahres fertig werden soll, werde ihm immer in Erinnerung bleiben. Auch hier musste und muss die Stadt mit massiven Kostenerhöhungen kämpfen und das ginge nur durch das gute Zusammenspiel der Ämter. Reinhard Nieberg hätten die Eröffnung gern noch im Amt als Krönung ihrer beruflichen Laufbahn erlebt, aber daraus wurde nun doch nichts.
Was die beiden Freunde aber am meisten prägte, waren die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre. Bis Januar 2013 war Thomas Burmester außerdem Wehrführer der Stadt und auch danach in die Organisation der Rettungsmaßnahmen eingebunden. Als Amtsleiter für Stadtentwicklung war Reinhard Nieberg an vorderster Front des Katastrophenschutzes dabei. „Da konnte sich einer auf den anderen verlassen“, erinnert er sich.
Ihre Wege trennen sich, aber nicht für immer
Im kommenden Jahr werden sich die Wege von Thomas Burmester und Reinhard Nieberg trennen. Der „Junge aus dem Pott“ zieht im März nach Herne zurück. Thomas Burmester hat seine Wurzeln in Lauenburg und kappt die auch nicht im Rentenalter. Langweilen werden sich beide nicht.
Reinhard Nieberg freut sich auf seinen großen Freundeskreis, der in im Ruhrgebiet auf ihn wartet. Thomas Burmester hat mehr Zeit für seine großen Leidenschaften: Die Jagd und die Haltung von Galloway-Rindern. Seinen Traum Landwirt zu werden, hat er nämlich nie aus den Augen verloren.
Natürlich will sich auch Reinhard Nieberg ab und zu wieder in Lauenburg sehen lassen, schon allein, um seinen ehemaligen Kollegen zu besuchen. Jetzt gilt es aber noch ein Geheimnis zu lüften. Wieso nennt ihn in Lauenburg jedermann Alfred? „Das hat nichts mit der Radio-Kultserie rund um die Amtsschimmel Baumann und Clausen zu tun“, sagt er lachend. Mit dem Oberamtsrat Alfred Clausen hätte er aber trotzdem was gemeinsam. „Alfred ist mein zweiter Vorname. der hat sich irgendwann mal rumgesprochen“, klärt er auf. Auch seine Freunde in Herne nennen ihn so.