Geesthacht. 24 Bürger fanden sich zur von Jens Kalke (Grüne) organisierten Tour entlang der Geesthachter Umgehungstrasse ein. Was sie erfuhren.
„Achtung!“, warnt Gerhard Boll. „Wir stehen jetzt mitten auf der Bundesstraße.“ Da müssen die Mitwanderer schmunzeln, statt alarmiert zu sein. Ihr Blick schweift hier an der Kreuzung von Sommerpostweg und Börmweg im Norden von Geesthacht über Felder und Knicks Richtung Hamwarde. Von Fahrzeugen ist weit und breit nichts zu sehen oder zu hören.
Aber das wird sich ändern, wenn es nach den Befürwortern der Geesthachter Umgehungsstraße geht. Die ländliche Idylle nicht nur nördlich der Wilhelm-Holert-Straße ist bedroht. Weil durch Geesthachts Ortsmitte nach ihrem Geschmack zu viele Autofahrer hindurchwollen, sollen die Knicks, Wäldchen und Felder unter Asphalt verschwinden. Etwa 20.000 Fahrzeuge seien Tag für Tag auf der Geesthachter Straße unterwegs, gab Gerhard Boll die Zahlen einer Verkehrszählung wieder.
Die Blechlawine wäre dann nicht weg, nur woanders. Und zwar hier, wo die Menschengruppe um Gerhard Boll sich eingefunden hat. Die Planung des Trassenverlaufs ist jüngst gut sichtbar geworden in Form von frisch gesetzten roten und hellgrünen Holzstecken und mit Farbe markierten Messpunkten auf dem Boden.
Zurzeit läuft immer noch das 2018 begonnene Planfeststellungsverfahren für den insgesamt elf Kilometer langen Abschnitt vom Ende der A25 bis zum Anschluss an die B5 vor Grünhof. Vorhabenträger für das mit mindestens 125 Millionen Euro veranschlagte Projekt sind der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) und die Autobahn GmbH.
Ortsumgehung Geesthacht: Der BUND ist Vorhabenbegleiter
Wegen der neuen Holzpfähle hatte Jens Kalke von den Geesthachter Grünen, die Gegner des Projektes sind, Interessierte eingeladen zu einer Wanderung unter Führung von Gerhard Boll. „Ich bin im Kreisvorstand beim BUND zuständig für Verkehrsfragen“, stellte er sich und seine Expertise gleich zu Beginn vor. Zudem ist er ebenfalls bei den Grünen aktiv.
Der ehemalige Vorsitzende des Ausschusses für Stadt- und Verkehrsplanung ist seit Langem mit den Planungen zur Ortsumgehung vertraut. „Der BUND ist Vorhabenbegleiter“, erklärte Gerhard Boll den 24 Teilnehmern, die sich zum Start auf dem Norma-Parkplatz beim Kreisel an der Mercatorstraße eingefunden hatten. Dabei waren auch Britta und Heinz-Martin Pfeiffer von der Reitanlage in Escheburg, deren Gelände von dem Bauwerk betroffen wäre.
Für die Natur des Elbhanges wäre ein bergmännischer Tunnel am besten
Boll hatte Grafiken mitgebracht, die zeigen, wie sich die Landschaft mit dem Bauwerk verändern wird. Sie gehen von Hand zu Hand, besonders die Planungszeichnung wird aufmerksam studiert. „Die sensibelste Ecke sehen wir hier nicht“, verkündete Gerhard Boll. Gemeint ist der Elbhang. „Vor 20 Jahren sagte mal ein Planer, dass dort naturschutzrechtlich eigentlich nur ein bergmännischer Tunnel zu vertreten sei“, erzählt Gerhard Boll aus seinen Erinnerungen. So eine Variante sei aber immer die teuerste. Die Aussage sei dann auch schnell vergessen worden. Stattdessen werde nun eine sehr lange, hoch aufgeständerte Brücke favorisiert.
Zwei Planungsneuigkeiten hatte er auch im Gepäck: So soll es keine Abfahrt in Wiershop geben. Damit gebe es nur die Anschlussstellen in Hohenhorn, Hamwarde und Grünhof. Und die Autobahngesellschaft baue ihr Stück mit zwei Spuren je Richtung jetzt von der A25 bis hoch zur jetzigen B404 von Geesthacht nach Hohenhorn.
Aber zurück zum Anfang: Gerhard Boll verbesserte sich nämlich. Man würde hier gar nicht auf der Straße stehen, sondern vielmehr in einem Tunnel darunter. Geplant sei, dass die Ortsumgehung statt wie einmal vorgesehen in einer Senke nun auf einem drei Meter hohen Damm geführt werde, erklärte er. „Und hier ist die einzige Möglichkeit, die Straße zu unterqueren. Die nächste ist erst wieder hinter Hamwarde“, sagte er und sorgte damit für Kopfschütteln bei einigen Teilnehmern.
„Der einst geplante Einschnitt wäre gegen die Lärmentwicklung besser gewesen“, erklärte Gerhard Boll. Den Bau eines Dammes hätten die Planer dann aber wegen der Entwässerung bevorzugt. Eine kurze Lärmschutzwand sei nur unten bei Escheburg geplant, wo die A25 den Elbhang hinauf verlängert werde. Dort seien drei Grundstücke, für die die Berechnungen zu hohe Lärmpegel durch den Straßenverkehr ergeben hätten. Für den weiteren Streckenverlauf dagegen sollen die erlaubten Grenzwerte für Lärm eingehalten werden.
„Das ist natürlich auch ein Naherholungsgebiet, das möchten wir bewahren“
Mit dabei war auch Friedhelm Ringe vom Geesthachter Nabu, der naturkundliche Informationen beisteuerte. So war von ihm beim Stopp am westlichen Bereich des Sommerpostweges zu erfahren, dass hier im Frühjahr unter anderem zehn Nachtigallen brüteten, Rotmilan und ein seltenes Uhu-Pärchen hier zudem jagen würden. Sie alle wären im Falle eines Baues der Trasse bedroht, meint der Biologe. „Jede Straße ist für Vögel gefährlich.“
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Er deutete auf die reizvolle kleinteilige Landschaft gen Norden mit ihren typischen Knicks und führt ein weiteres Argument ins Feld. „Das ist natürlich auch ein Naherholungsgebiet, das möchten wir bewahren. Wenn der Damm erst da ist, ist der Blick verstellt für Wanderer, das ist ja kein sehr schönes Bauwerk“, sagt Friedhelm Ringe zu seien Zuhörern.