Geesthacht. Bis Ende des Jahres soll das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sein. Der Widerstand gegen das Projekt geht weiter.
Als Jens Kalke in der Feldmark zwischen Geesthacht und Hamwarde zum Joggen unterwegs ist, entdeckt er frische Pfosten, wie sie Vermesser zum Abstecken eines Geländes benutzen. Kombiniert mit auffälligen hellgrünen und roten Holzstecken findet sich ergänzend jeweils auf einem Asphaltstück davor eine Zahl in roter Farbe und ein eingekreister Messpunkt.
Das Geesthachter Ratsmitglied der Grünen ist alarmiert. Für ihn haben die Markierungen ganz offensichtlich mit der im Norden von Geesthacht geplanten Umgehungsstraße zu tun. Weitere Pfähle dieser Art finden sich im weiteren Verlauf der geplanten Trasse, so an der B404 zwischen Geesthacht und Hohenhorn und in der Feldmark nördlich der Wilhelm-Holert-Straße.
Umgehungsstraße Geesthacht: Trassenverlauf wurde markiert
Markierungen zu finden, ist leicht. Die geplante Trasse verläuft im Wesentlichen parallel zu den Freileitungen für Strom auf deren Südseite. „Stehen nun weitere Arbeiten unmittelbar bevor?“, fragte sich Jens Kalke. Die Grünen sind erbitterter Gegner der geplanten Ortsumgehung.
Vorhabenträger für das mit mindestens 125 Millionen Euro veranschlagte Projekt sind der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) und die Autobahn GmbH. Für den Auftakt ist ein enormes Brückenbauwerk erforderlich. Laut Planung wird die A25 vierspurig den Geesthang hinauf verlängert, wo sie an einer Anschlussstelle auf die aus Hohenhorn kommende B404 treffen soll.
Netz an Messpunkten ist in der freien Landschaft grobmaschig
Ab der Anschlussstelle soll die Straße als zweispurige B5 in einem Bogen um Geesthacht herumgeführt werden. In Höhe des Abzweigs nach Neu-Gülzow trifft die Umgehung auf die bestehende B5. Weitere Abfahrten soll es in Hamwarde und zum Abfallwirtschaftszentrum Wiershop geben.
„Für Straßenneubaumaßnahmen werden Festpunktfelder benötigt, um die Maßnahme richtig einmessen zu können. Während in den Ortslagen die Festpunktfelder der Landesvermessung sehr engmaschig sind und gut genutzt werden können, ist das Netz in der freien Landschaft grobmaschiger. In diesen Fällen muss das bestehende amtliche Festpunktfeld weiter verdichtet werden“, erklärt der LBV.SH auf Anfrage unserer Redaktion.
Farbige Markierungen dienen dem besseren Auffinden
Die grundsätzlichen Arbeiten zur Festlegung und Vermarkung der Vermessungspunkte hätten bereits vor zwei Jahren im Sommer 2021 stattgefunden. Das erneute Aufsuchen, Freilegen, Markieren und Messen wurde in den vergangenen drei Wochen durchgeführt, wobei derzeit das sogenannte Festpunktfeld markiert werde.
Hier werden Festpunkte in Höhe und Lage markiert, die zum Beispiel für weitere Absteckungen als Grundlage dienen. Die fortlaufenden Nummern dienen der Identifikation der Punkte, die farbigen Markierungen dem Auffinden und der besseren Orientierung im Gelände.
Noch läuft das Planfeststellungsverfahren für die Umgehung
Der LBV.SH ist nur für den Bau des Bundesstraßenabschnittes von der B404 bei Hohenhorn in Richtung Osten zuständig, deshalb werden die Markierungen seitens des LBV.SH auch nur in diesem Abschnitt angebracht. „Im westlichen Autobahnbereich liegt die Zuständigkeit für den Bau und die Vorbereitungen bei der Autobahngesellschaft des Bundes“, erläutert der LBV.SH.
Während das Planfeststellungsverfahren noch läuft, kommen zu den Markierungsarbeiten weitere vorbereitende Maßnahmen wie das Befahren von vorhandenen Rohrleitungen und Kanälen bis Jahresende hinzu.
Geld wurde bislang nur für die Planung bereitgestellt
Das harmoniert mit der zeitlichen Einschätzung von Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). Der äußerte im April beim Besuch im Geesthachter Rathaus die Hoffnung, das 2018 begonnene Planfeststellungsverfahren zum Ende dieses Jahres abschließen können.
Damit wäre aber noch lange nicht Schluss mit der Planung. Von welchem Geld denn eigentlich gebaut werden solle?, fragt etwa Gerhard Boll. Auch er ist bei den Geesthachter Grünen aktiv, spricht in diesem Fall aber als Mitglied der Naturschutzorganisation BUND: „In keinem einzigen Haushalt steht Geld dafür, es gab nur Geld für die Planung“. Und außerdem könnte nach Abschluss des Planfeststellungsprozesses eine Welle von Klagen beginnen.
Klage des BUND gegen Umgehungsstraße so gut wie sicher
Für den BUND sei das so gut wie sicher, meint Gerhard Boll. „Das besprechen wir dann mit unserem Fachanwalt für Umweltrecht. Wenn der es befürwortet, werden wir es machen“. Naturschutzverbände kritisieren unter anderem die Eingriffe im Elbhang, einem sensiblen Naturraum. Und Gerhard Boll führt einen weiteren Aspekt gegen das Projekt an. Nämlich den des Einflusses der gewaltigen, versiegelten Fläche auf das Mikroklima entlang der Strecke.
Bei einer Länge von elf Kilometern und angenommenen insgesamt elf Metern Breite für Fahrbahnen und Befestigungen ergibt sich eine versiegelte Fläche von etwa 121.000 Quadratmetern. Das entspricht fast 17 Fußballfeldern aus Asphalt, die tagein, tagaus von der Sonne beschienen werden – und die Wärme auch wieder abgeben.
Sorge um das Mikroklima vor Ort wegen versiegelter Flächen
Welchen Einfluss solche Flächen auf ihre Umgebung haben können, hatte erst im Juli Gerics-Wissenschaftler Markus Groth dem Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung in einer Stadtklimamodellierung vorgestellt. „Das Mikroklima vor Ort wird sich ändern“, ist sich deshalb Gerhard Boll sicher. „Sonst hat man Klimaveränderungen immer nur in großem Stil gesehen, aber Veränderungen im Mikroklima-Raum sind viel relevanter, als man gedacht hat“.
„Diese Auffrischung der Markierungen ist eine gute Gelegenheit, sich die Ausmaße des Korridors einmal anzugucken, wie dicht der an Geesthacht vorbeigeführt wird“, sagt Jens Kalke. Er bietet Interessierten eine von ihm geleitete Tour durch die Feldmark an, um zu zeigen, wo Wäldchen verschwinden und wie laut es für die Oberstadt werden dürfte.
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Besonders betroffen wäre das Neubaugebiet Finkenweg-Nord. Denn die Straße soll ganz in der Nähe erhöht und ohne Lärmschutz auf einem Damm durch die Landschaft geführt. werden. Wer Interesse hat, schreibt eine E-Mail an kalkej@aol.com. Ein Termin soll dann gefunden werden.