Geesthacht. Erneute Änderungen verzögern Planfeststellungsverfahren. Was das für die Umgehungsstraße und die Menschen bedeutet.

Wenn Bürgermeister Olaf Schulze auf die Ortsumgehung von Geesthacht angesprochen wird, zitiert der SPD-Mann gern den früheren Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein Bernd Buchholz (FDP), der gesagt habe: „Die Planfeststellung sollte 2020 abgeschlossen sein.“ Doch selbst der zweite Termin, Ende 2022, verstreicht: Die Maßnahme, die im Bundesverkehrswegeplan als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft ist, zieht sich zäh hin.

Auf Anfrage unserer Redaktion teilt der Landesbetrieb Schleswig-Holstein (LBV.SH) mit: „Das Planfeststellungsverfahren (läuft seit August 2018, die Red.) ist noch nicht abgeschlossen. Im September und Oktober wurden weitere Anhörungstermine zur ersten Planänderung durchgeführt. Aus der Anhörung sind einzelne Unterlagen nochmals anzupassen.“ Erst wenn betroffene Privatpersonen oder Gemeinden nach diesen Änderungen keine Einwände mehr haben, erfolgt ein Planfeststellungsbeschluss.

Ortsumgehung Geesthacht hat eine Länge von elf Kilometern

Der geplante Trassenverlauf der Ortsumgehung Geesthacht. Ausfahrten sind an der B 404 und in Hamwarde geplant.
Der geplante Trassenverlauf der Ortsumgehung Geesthacht. Ausfahrten sind an der B 404 und in Hamwarde geplant. © BGZ | LBV SH

Aber selbst dann würden die Bagger nicht rollen. Zunächst haben Betroffene die Möglichkeit zur Klage gegen das Projekt, das sich nach letzten Berechnungen auf etwa 125 Millionen Euro belaufen soll. Gerhard Boll von der Geesthachter Ortsgruppe des BUND hat derartige Absichten bereits bekundet.

Die Geesthachter Ortsumgehung hat eine Länge von elf Kilometern. Sie führt von der Autobahn 25 nördlich um Geesthacht herum und trifft beim Ortsteil Grünhof wieder auf die Bundesstraße 5. Die ersten vier Kilometer werden als Verlängerung der A 25 bis zur neuen Anschlussstelle Geesthacht Nord an der B 404 vierspurig ausgebaut. Dass dafür der Geesthang mittels einer etwa 500 Metern hohen Großbrücke durchschnitten wird, kritisieren die Naturschützer. Die restliche Trasse wird als zweistreifige Bundesstraße gebaut. Samt einer zweiten Ausfahrt in Hamwarde.

Mit der Umgehung hofft Geesthacht seit Jahrzehnten auf eine Entlastung des innerstädtischen Verkehrs. In der Stadt sind einige Durchgangsstraßen dringend sanierungsbedürftig. Bürgermeister Schulze würde dies am liebsten erst nach Bau der Ortsumgehung angehen. Entsprechend enttäuscht reagierte er als unsere Redaktion ihn über den erneuten Zeitverzug informierte.

Warum die Umgehung für Geesthacht wichtig ist

Die B 404/A 21 von Kiel bis Trittau weitgehend auf drei oder vier Spuren ausgebaut. In Geesthacht führt die Bundesstraße mitten durch die Stadt. Am Richtweg parkende Autos am Straßenrand führen zu Behinderungen bei Begegnungsverkehr.  
Die B 404/A 21 von Kiel bis Trittau weitgehend auf drei oder vier Spuren ausgebaut. In Geesthacht führt die Bundesstraße mitten durch die Stadt. Am Richtweg parkende Autos am Straßenrand führen zu Behinderungen bei Begegnungsverkehr.   © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Die Neugestaltung der Kreuzung an der Post ist ein Projekt, das die innerstädtischen Verkehrsströme im wachsenden Geesthacht besser leiten soll. „Ob man da vielleicht einen Kreisverkehr macht? Der Platz wäre wohl da“, überlegt Bürgermeister Olaf Schulze und schiebt sofort eine Einschränkung hinterher. „Der ganze Bereich wird sich erst entspannen, wenn wir die Ortsumgehung haben.“ Da ist es wieder, dieses Wort, das Geesthachter genauso wenig mehr hören können, wie die Reaktivierung des Bahnanschlusses.

Beide Projekte werden seit Jahrzehnten diskutiert. Passiert ist aber wenig. Im seit August 2018 laufenden Planfeststellungsverfahren mussten nach einer weiteren Anhörungsrunde mit Betroffenen im Herbst dieses Jahres zum zweiten Mal Änderungen vorgenommen werden. Das dürfte die Umsetzung um ein weiteres Jahr hinauszögern.

Naturschützer, Privatpersonen und Gemeinden haben Einwände

Die Geesthachter Ortsgruppe des BUND hatte eine ganze Reihe Einwände vorgebracht: die Zerstörung des hochwertigen Waldes im Geesthang, Eingriffe in die Natur im Bereich Gut Hasenthal. In der Oberstadt werde es zu Lärmbelästigungen kommen, weil die Umgehungsstraße ab dem Anschluss an der B 404 als zweispurige Bundesstraße auf einem Damm ohne Lärmschutz vorgesehen ist. Die Planer argumentieren derweil mit eingehaltenen Grenzwerten.

Insbesondere die 500 Meter langen Großbrücke, die die A 25 durch den Geesthang führt, stört Gerhard Boll vom BUND. „Die Brückenhöhe ist so gewählt, dass weder die darunter liegenden Bahngleise elektrifiziert werden können, noch die Trasse zweigleisig ausgebaut werden kann“, bemängelt Boll, der als Grünen-Politiker dem Geesthachter Stadtplanungsausschuss vorsitzt.

Heinz-Martin Pfeiffer vom Pferdehof Pfeiffer in Escheburg hatte 2015, als die Umgehung bereits lange diskutiert wurde, eine Baugenehmigung für eine neue Reithalle erhalten. Diese liegt genau im Radius des Zubringers von der B 404 auf die A25 in Fahrtrichtung Hamburg und müsste abgerissen werden. Die alten Gebäude liegen dicht neben dem Zubringer.

Hohenhorn fürchtet Anstieg des Verkehrs

„Die Lage der Brücke durch den Geesthang konnte um 100 Meter nach Geesthacht verlegt werden, weil eine alte Sandkuhle als schützenswert gilt. Der Zubringer müsste nur 30 bis 50 Meter verschoben werden. Aber die Planer bewegen sich in keiner Hinsicht“, sagt Pfeiffer. Immerhin: Es soll ein neues Gutachten darüber erstellt werden.

In Hohenhorn regt sich Protest gegen den Bau der Ortsumgehung Geesthacht. Vor der denkmalgeschützten Kirche des Dorfes durch das die B 404 mitten hindurch führt, ist der Fußweg gerade mal einen Meter breit.
In Hohenhorn regt sich Protest gegen den Bau der Ortsumgehung Geesthacht. Vor der denkmalgeschützten Kirche des Dorfes durch das die B 404 mitten hindurch führt, ist der Fußweg gerade mal einen Meter breit. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

„Mitten durch unseren Ort läuft über 50 Jahre ein Autobahnzubringer“, argumentiert Hohenhorns Bürgermeisterin Hanna Putfarken. In ihrem Ort regt sich großer Protest gegen Geesthachts Umgehung. Putfarken rechnet nach Fertigstellung damit, dass etwa Schwarzenbeker fortan über die B 404 und A 25 nach Hamburg fahren anstatt wie bisher über die B 207 nach Bergedorf. 50 Jahre – so lange werde es aus Putfarkens Sicht dauern, bis das Teilstück der A 21/B 404 von Schwarzenbek bis zum Anschluss an der Geesthachter Umgehung gebaut ist. Wirtschaftsvertreter fordern derweil den Weiterbau der A21 über die Elbe.

Ortsumgehung Geesthacht: So geht es weiter

Generell können betroffene Privatpersonen und Kommunen nach Eröffnung der Planfeststellung ihre Einwände vorbringen. Werden anschließend Änderungen im Projekt vorgenommen, können nur dagegen abermalige Einwände vorgebracht werden. Liegt ein Planfeststellungsbeschluss vor, bleibt danach die Möglichkeit, Klage einzureichen.

„Der BUND sammelt schon Geld dafür“, berichtet Gerhard Boll. Heinz-Martin Pfeiffer wird nachziehen, wenn er keinen Ausgleich erhält. „Es geht nur nicht um Geld, sondern nur um die Aufrechterhaltung meines Betriebs“, sagt er.

Der Landesbetrieb Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) und die Autobahn GmbH als Vorhabenträger für das mit mindestens 125 Millionen Euro veranschlagte Projekt werden nun alle Unterlagen beim Amt für Planfeststellung Verkehr (APV) einreichen, das fortan zuständig ist. „Das APV entscheidet, ob und wenn ja, wer bezüglich der Änderungen in der zweiten Planänderung zu beteiligen ist“, teilt der LBV.SH zum weiteren Vorgehen mit.

Derweil wünscht sich Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze, dass deutsche Behördenmühlen endlich schneller mahlen. „Genau weil sich Genehmigungsverfahren so lange hinziehen, müssen die Abläufe beschleunigt werden“, fordert Schulze.