Geesthacht. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen besucht das Geesthachter Rathaus. Was er zum Bahnanschluss für die Stadt sagt.

„Der Bürgermeister hier schwimmt im Geld“, meinte Claus Ruhe Madsen vergnügt nach einem Blick auf die Geesthachter Einnahmen aus der Gewerbesteuer. 21.958.989 Millionen Euro im Jahr 2022 waren auf der Tafel im Konferenzzimmer des Rathauses zu lesen gewesen. Schleswig-Holsteins Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus war auf Einladung von Olaf Schulze zu Gast im Rathaus und bekam allerlei an Daten und Fakten über die Stadt präsentiert. Aber es gab Lücken für ihn: In welcher Liga die Fußballer seien, wollte er wissen. „Die stehen vor dem Aufstieg in die Oberliga“, klärte ihn Olaf Schulze über die Kicker des Düneberger SV auf. „Da ist Rostock besser“, so die Replik von Madsen. Dort war er von 2019 bis 2022 Oberbürgermeister gewesen.

Nach dem verbalen Warm-up wurde es dann aber ernst. Der Bürgermeister kam auch auf ein Thema zu sprechen, das in der Stadt ganz besonders auf den Nägeln brennt. „Der Bahnanschluss wäre für uns existenziell. Die ansässigen Unternehmer weisen immer wieder darauf hin. Wir haben auch zu wenig Ärzte und hören immer wieder, dass der Bahnanschluss wichtig wäre“, führte er aus. Claus Ruhe Madsen ließ sich nicht lumpen mit einer Antwort, die so klar noch nicht zu hören war von einem Landespolitiker: „Bisher war es so, dass man immer nur diskutiert hat“, sagte der parteilose Däne, der seit Februar auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. „Jetzt haben wir uns mit Hamburg verständigt und gesagt, ,wir legen uns fest’. Sonst kommen wir von einer Ausschusssitzung in die nächste, um zu diskutieren, wollen wir dieses oder wollen wir jenes“. Motto: Man wolle zwar, wisse aber nicht wie. „Und jetzt wissen wir wie, und es muss jetzt umgesetzt werden“, gab sich Madsen entschlossen.

Zum Hauptbahnhof geht es zunächst nicht

Dem Geesthachter Wunsch, direkt an den Hamburger Hauptbahnhof angebunden zu werden, erteilte Claus Ruhe Madsen aber – zunächst – eine Absage. „In erster Stufe wird es nicht bis zum Hauptbahnhof gehen, sondern nach Bergedorf“. Grund ist die Auslastung des Hauptbahnhofs. „Wichtig ist, dass das Ministerium uns auch wirklich vorn platziert und uns vorn sieht“, machte sich Olaf Schulze Sorgen über die Zeitdauer der Realisierung. Auch hier hatte Claus Ruhe Madsen eine positive Replik parat: „Als ich zu Rathausleitergesprächen in Hamburg war, hatten wir nur drei Themen, und ihr wart eines der drei Themen“, beruhigte er ihn. Madsen: „Aus meiner Sicht ist es weit vorn“.

Minister Claus Ruhe Madsen (2.v. l.) besucht Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze (Mitte). Mit ihm tauschten sich auch Andrea Tschacher (CDU, Landtag), Nina Scheer (SPD, Bundestag) und Oliver Brandt (Grüne, Landtag) aus.
Minister Claus Ruhe Madsen (2.v. l.) besucht Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze (Mitte). Mit ihm tauschten sich auch Andrea Tschacher (CDU, Landtag), Nina Scheer (SPD, Bundestag) und Oliver Brandt (Grüne, Landtag) aus. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Mit in der Runde: Die Geesthachter Bundestagsabgeordnete Nina Scheer (SPD), aus dem Landtag Andrea Tschacher (CDU) und Oliver Brandt (Grüne), zudem Dagmar Poltier vom Fachbereich Bauen und Umwelt und Verkehrsexperte Lukas Knipping von der Nah.SH. Er ist in Geesthacht gut bekannt, hatte in der Einwohnerversammlung im Oktober den damals aktuellen Stand der Planungen zum Bahnanschluss vorgestellt. Das Gutachten von der Ingenieurgesellschaft für Verkehr- und Eisenbahnwesen in Hannover war im Auftrag der Nah.SH erstellt worden.

Fahrgastzahlen durch 49-Euro-Ticket könnten Prognose übertreffen

Zur Erinnerung: Auf der 14 Kilometer langen Trasse wäre eine Geschwindigkeit von bis zu 80 Kilometer pro Stunde möglich, auf dem Weg nach Hamburg gäbe es ab Bahnhof Geesthacht Stopps an den Haltestellen Geesthacht-West, Escheburg, Börnsen, Bergedorf-Süd und Bergedorf. Fahrtzeit: 22 Minuten in Zehn- und 20-Minutentakten. Angestrebt wird zudem eine Durchbindung zum Hamburger Hauptbahnhof, dorthin würden 60 Prozent aller potenziellen Fahrgäste fahren wollen. 60 Prozent der Gesamtstrecke liegt auf Schleswig-Holsteiner Seite. Aber: Die stärksten baulichen Eingriffe wären im Bezirk Bergedorf zu leisten. Allein mit der Vierlandenstraße und dem Sander Damm wären zwei sehr stark befahrene Straßen von einer Zugquerung betroffen. Als Investitionskosten waren bis zu 60 Millionen Euro errechnet worden bei Betriebskosten von 17 Millionen Euro im Jahr. „Es gibt Vorschläge über die Kostenverteilung, die für beide Seiten akzeptabel sind“, sagte Madsen, ohne sich detailliert äußern zu wollen.

Die Studie geht von knapp 2500 Nutzern aus. Das Zahl der Interessenten indes hat Luft nach oben. Zahlen mit Stand vom 31. Dezember ermittelten 10.571 Auspendler aus Geesthacht, 8.395 Einpendler bei 5.952 Pendlern, die innerorts unterwegs sind. Macht insgesamt täglich 24.918 Pendler. „Die Machbarkeitsstudie ist mittlerweile im positiven Sinne überholt, durch das 49 Euro Ticket werden die Fahrgastzahlen höher sein als angenommen“, erwartet Oliver Brandt.

Arbeitsgruppe arbeitet bereits für eine Vorplanung

Herzstück auf dem Weg zum Bahnanschluss ist eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Nah.SH, HVV und Behörden, die sich regelmäßig trifft. Das nächste Mal in der kommenden Wochen in Hamburg. Lukas Knipping: „Auf Arbeitsebene gibt es bereits einen sehr intensiven Austausch mit Hamburg“. Die Arbeitsgruppe wurde gegründet als Grundlage für die Vorplanung, die 2024 abgeschlossen sein soll. „Wir haben jetzt die Situation, dass sich beide Bundesländer entschlossen dazu bekennen, das gab es bisher wahrscheinlich noch nicht. Machen wir uns ans Werk“, führte Kipping aus. Einen Zeitplan ließ er sich zwar nicht entlocken, immerhin so viel: „Das wäre sportlich“, antwortete Kipping auf die Frage, ob ein heute 59 Jahre alter Pendler mit einem Renteneintrittsalter von 67 seine letzten Fahrten zur Arbeitsstätte schon mit der Bahn absolvieren könne.

Der alte ZOB soll nicht zum Bahnhof verlegt werden

Dass der alte Bahnhof reaktiviert wird, ist übrigens unwahrscheinlich, es läuft auf einen Neubau hinaus. Der Geesthachter ZOB selbst soll aber nicht zum Bahnhof verlegt werden, Olaf Schulze schwebt eher ein zweiter Knotenpunkt vor. „Der ZOB ist dort wichtig für die Bergedorfer Straße und die Einkaufssituation“, meinte er. Langfristig hat er im Blick, dass die Bahn weiterrollt bis nach Grünhof, auch dorthin liegen die Gleise bereits. Aber zunächst noch nicht. „Wir wollen nicht damit anfangen, die Hürden jetzt noch höher zu machen“, sagte Schulze. „Wichtig ist, den Zug erst mal ins Rollen zu bekommen“.

Ali Demirhan, der Fraktionsvorsitzende der Geesthachter Grünen, ist einer der langjährigsten Kämpfer in Geesthacht für das Projekt. „Dass wir mal einen Termin hätten, wann die Bahn fährt, wäre wichtig“, meint er zur neuesten Entwicklung. Die Grünen warten selbst mit einem hochinteressanten Gast zum Thema auf. Am Dienstag, 2. Mai, haben sie um 19 Uhr für eine öffentliche Veranstaltung Madsens Pendant aus Hamburg, den grünen Verkehrssenator Anjes Tjarks, ins Krügersche Haus (Bergedorfer Straße 28) eingeladen. „Wir hoffen dann, aus Hamburger Sicht neue Erkenntnisse zu erfahren“, sagt Ali Demirhan.