Lauenburg. Wenn es aus den Gullys sprudelt, wird es für die Menschen an der Königsberger Straße eklig. Warum sich so schnell nichts ändern wird.
Wenn sich über Lauenburg dunkle Wolken zusammenziehen, schicken die Anwohner der Königsberger Straße bange Blicke gen Himmel. Sie wissen genau: Bei Starkregen sprudelt nach kurzer Zeit wieder eine braune Brühe aus den Gullyschächten. Wenn es ganz schlimm kommt, fließt der Dreck aus der Kanalisation in ihre Gärten und Keller.
„Wenn es wenigstens nur Wasser wäre. Aber bei Starkregen kommt hier die ganze Schiete hoch“, schimpft Anwohner Norbert Meins. In seinem Garten findet er nach so einem Guss nicht nur Fäkalien, sondern gelegentlich auch benutzte Damenbinden und Toilettenpapier. Seinen Nachbarn ginge es nicht anders. Dabei könnte das Dilemma längst behoben sein. Mittel für die Sanierung der Königsberger Straße waren im Stadthaushalt nämlich schon eingeplant, fielen aber dem Rotstift zum Opfer.
Braune Brühe in Lauenburger Gärten: Kanalisation über 60 Jahre alt
Seit 1998 sind die Stadtbetriebe dabei, das Trennsystem im Lauenburger Stadtgebiet zu installieren. Die Mischkanäle, in denen Regen- und Schmutzwasser zusammen zum Klärwerk fließen, sind bis zu 65 Jahre alt. Ziel war es, das gesamte Kanalsystem der Stadt bis 2022 modernisiert zu haben. Doch davon kann keine Rede sein.
In der Königsberger Straße dürfte es theoretisch gar keine Probleme geben. Seit Erschließung der Wohnstraße Anfang der 1960er-Jahre gibt es hier ein getrenntes Regen- und Schmutzwassersystem. „Da in der Straße eine Trennkanalisation vorhanden ist, können Starkregenereignisse per se nicht zu einem Fäkalienrückstau führen“, sagt Bauamtsleiter Christian Asboe. Er könne sich das nur so erklären, dass die Schmutzwasserleitungen der jeweiligen Eigentümer eventuell an die Regenabflüsse angeschlossen wurden. „Das liegt dann in der Verantwortung des Grundstückseigentümers“, sagt er.
Straßensanierung fiel dem Rotstift zum Opfer
Rolf Burmester wohnt seit 1963 in seinem Einfamilienhaus an der Königsberger Straße. Er hat auch die Verlegung der Kanalisation miterlebt. Deshalb glaubt er nicht, dass die Probleme aus angeblich falschen Hausanschlüssen resultieren. „Von Anfang wussten alle, dass die Durchmesser der Abwasserrohre viel zu klein bemessen sind. Deshalb gab es ja auch immer wieder Probleme, allerdings waren die nie so folgenreich wie in den letzten Jahren“, sagt er. Dies sei auch der Stadt bekannt. „Mitarbeiter der Stadtbetriebe waren mehrmals mit der Kamera da, konnten aber nichts ausrichten“, sagt er.
Vor zwei Jahren wurden in der Königsberger Straße die Versorgungsleitungen neu verlegt und anschließend die Gehwege erneuert. Bei einem Ortstermin hätten der damalige Bürgermeister Andreas Thiede und sein Bauamtsleiter Reinhard Nieberg zugesagt, dass ein Jahr später auch die Abwasserleitungen und die Sanierung der Straße in Angriff genommen würden, erinnern sich die Anwohner. Im Stadthaushalt 2023 waren 250.000 Euro für die Sanierung der Königsberger Straße vorgesehen. Gebaut wurde nicht, und im Doppelhaushalt 2024/2025 taucht dieser Posten gar nicht mehr auf.
Kanalsanierung: „Wir sollten eine Prioritätenliste erstellen“
Anwohner Tim Bienwald sitzt in der Zwickmühle. Einerseits ist er von der unhaltbaren Situation in der Königsberger Straße selbst betroffen. Andererseits hat der CDU-Stadtvertreter den Doppelhaushalt 2023/2024 mit beschlossen – und damit auch die Streichung ursprünglicher Positionen. „Angesichts der großen Vorhaben und der schwierigen Haushaltssituation kamen wir darum nicht herum“, sagt er.
Er plädiert aber dafür, jetzt alle im Doppelhaushalt geplanten Straßenbaumaßnahmen auf den Prüfstand zu stellen. „Die Starkregenereignisse nehmen zu und es gibt in der Stadt einige problematische Stellen und einige, die weniger dringend sind. Wir sollten unter diesem Aspekt eine Prioritätenliste beschließen“, regt er an.
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Starkregenereignisse: Gefahren- und Risikokarte für Lauenburg
Bezüglich der Königsberger Straße hat er an die Verwaltung einen Fragenkatalog gerichtet. Er will wissen: Welche konkreten Maßnahmen wurden in den letzten fünf Jahren unternommen, um den bekannten Missstand zu beheben? Welche kurzfristigen Möglichkeiten bietet die Stadt, die Anwohner bei den nicht verschuldeten Überschwemmungen zu unterstützen? In welcher Form wurden die Anwohner von Verwaltung und Politik in die Planungen einbezogen? Die Antworten dazu stehen noch aus.
Einen Ansatz der Bürgerbeteiligung zu diesem Thema gab es übrigens schon mal. Im August 2021 beschloss die Politik, eine Gefahren- und Risikokarte für Starkregenereignisse in Lauenburg zu erstellen. Bewohner der Schifferstadt sollten ihre diesbezüglichen Erfahrungen melden. Auf dieser Grundlage sollte ein Handlungskonzept entstehen, so war es geplant. Aktuelle Klimamodellierungen zeigen, dass in Zukunft immer häufiger mit diesen Extremwetterereignissen zu rechnen ist. In einer aktuellen Veröffentlichung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung heißt es: „Bedingt durch den Klimawandel wird auch die Intensität von Starkregenereignissen weiter zunehmen. Das heißt, in kürzester Zeit werden immer größere Wassermengen über unseren Städten und Regionen abregnen.“