Geesthacht. Bei der Zählung von Fledermäusen in den Bunkerruinen gab es eine neue Bestmarke. Für Naturschützer nur bedingt eine gute Nachricht.

Rekordergebnis bei der Fledermausinventur: Im größten der vom Geesthachter Naturschutzbund hergerichteten historischen Bunker auf dem Gelände des Hereon wurden bei der Zählung 63 Tiere in ihrer Winterruhe entdeckt. Die bisherige Bestmarke lag bei 45 Fledermäusen aus dem Jahr 2022. Im vergangenen Jahr waren es 41.

Damit zeigt sich, wie nachhaltig die Sanierung der ehemals eingestürzten alten Bunkerruine durch den Nabu im Jahr 2016 ist. Das Gemäuer wurde damals für die Überwinterung optimiert. Eine neue Decke und weitere Wände wurden eingezogen, zudem ein flaches Wasserreservoir aufgefüllt. Fledermäuse halten die Winterruhe nicht durch, ohne zu trinken.

Geesthacht: So viele Fledermäuse wurden noch nie in der Bunkerruine entdeckt

Die Zahl der Tiere, die bis dahin kaum einmal im zweistelligen Bereich gelegen hatte, schnellte danach in die Höhe. 2017 wurden 15 Tiere gezählt, 2018 waren es bereits 32, diesmal 63 Fledermäuse, unterteilt in je 30 Wasser- und Fransenfledermäuse sowie drei Braune Langohren. Die Entwicklung wird vom Nabu akribisch protokolliert.

Im deutlich kleineren, aber ebenfalls vom Nabu hergerichteten Stollen etwas weiter unterhalb der großen Anlage wurden erneut vier Fledermäuse aufgefunden – zwei Wasserfledermäuse und zwei Braune Langohren. Die 2023 entdeckte weibliche Wasserfledermaus, leicht identifizierbar wegen eines Ringes, die hier bereits zweimal zur Überwinterung registriert wurde, war diesmal nicht dabei.

Frei hängend zeigte sich im Bunker in Tesperhude nur eine einzige Wasserfledermaus im Lichtkegel der Taschenlampe.
Frei hängend zeigte sich im Bunker in Tesperhude nur eine einzige Wasserfledermaus im Lichtkegel der Taschenlampe. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Dieser Stollen ist noch jung und als Fledermaus-Quartier entsprechend entwicklungsfähig. Etwas anders sieht es aus mit dem seit Längerem vom Nabu betreuten Bunker außerhalb des Hereon-Geländes an der Straße zur Elbe in Tesperhude. Die Zahl der flattrigen Überwinterungsgäste ist stabil, verharrt aber auf niedrigem Niveau. Erst nach der zweiten Biegung in dem engen Bunkerstollen zeigt sich im Lichtkegel der Fledermausexperten das erste Tier.

Eine Wasserfledermaus ist es, die in den Gewölben tief unter dem Helmholtz-Zentrum ihren Winterschlaf hält. Als die jährliche Winterzählung in der Anlage beendet ist, sind die Naturschützer ernüchtert. Nur fünf Exemplare haben sie aufgefunden, drei weitere Wasserfledermäuse sowie ein Braunes Langohr.

Die Abneigung der Fledermäuse gibt Rätsel auf: Was mögen sie nicht am Bunker?

Aber die magere Zahl der Überwinterungsgäste kennen sie bereits von diesem Quartier. Es bleibt ein Sorgenkind, wird einfach nicht angenommen. Warum, darüber rätseln die Naturschützer. Die Lufttemperatur ist optimal, die Dauertemperatur von fünf bis sechs Grad ebenfalls. Störende Geräusche können es auch nicht sein, zudem liegt die Behausung nahe am Wasser – was besonders die Wasserfledermaus schätzt.

Der Bunker wurde zudem zum geschützten Verkriechen mit Röhren-Ziegelsteinen an der Decke und Wellplastikteilen an der Wand, wie sie für Terrassendächer zum Einsatz kommen, für die Fledertiere heimelig hergerichtet. Aus kleinen Wasserflächen ließe sich trinken.

Eine einzeln gedimmte Straßenlaterne soll die Einflugschneise attraktiv machen

Störender Lichteinfall in der Haupteinflugschneise von der Straße aus könnte ein Grund sein, spekuliert das Inventur-Quartett aus Jens Gutzmann (Geesthachter Nabu), Holger Siemers (Nabu Mölln), Matthias Göttsche (Fledermausmonitoring Schleswig-Holstein) und Ulrike Stüber (Geesthachter Fachdienst Umwelt). Die Stadt ist Eigentümer des Stollens. Zudem soll ein zweiter Einflug weiter südlich zugemauert werden.

Hausaufgabe für Ulrike Stüber, um für eine größere Fledermaus-Nachfrage zu sorgen: Sie soll sich erkundigen, ob sich das Licht durch die gegenüberliegende Straßenlaterne reduzieren ließe. Technisch sei das möglich, hat Ulrike Stüber schnell herausgefunden. Die mittlerweile „schlauen“ Straßenlaternen lassen sich einzeln ansteuern und auch dimmen. Aber nun muss die Frage geklärt werden, ob das die Straßensicherheit gefährdet, wenn es an dieser Stelle etwas dunkler wird in Tesperhude.

Jens Gutzmann (v.l., Nabu Geesthacht), Holger Siemers (Nabu Mölln), Matthias Göttsche (Fledermausmonitoring SH) und Ulrike Stüber (FD Umwelt) inspizieren die Bunkerruine in Tesperhude.
Jens Gutzmann (v.l., Nabu Geesthacht), Holger Siemers (Nabu Mölln), Matthias Göttsche (Fledermausmonitoring SH) und Ulrike Stüber (FD Umwelt) inspizieren die Bunkerruine in Tesperhude. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Fledermausexperte relativiert die steigende Zahl der Überwinterungsgäste

Eine gute Nachricht sei die stark gestiegene Zahl im Hauptbunker aber nur bedingt, sagt Jens Gutzmann. Denn der Rückschluss, dass die Population der selten gewordenen Tiere generell wieder ansteige, ließe sich daraus nicht ableiten. „Es könne auch nur darauf hindeuten, dass die Quartiere besser angenommen würden.“

Gute Quartiere sprechen sich bei Fledermaus herum. Vor allem die Langohren gelten als Pioniere unter den Fledermausarten, die gern mal etwas Neues ausprobieren. Aus bisher unbekannten Gründen zieht die Entdeckung von Top-Überwinterungslagern allmählich immer weitere Kreise.

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Zudem sind nicht alle Fledermausarten Bunkerliebhaber. Deren Feuchtigkeit behagt Abendsegler, Breitflügelfledermaus und Zwergfledermaus gar nicht. Sie suchen lieber andere Quartiere auf. Die Entwicklung ihrer Zahlen lässt sich dementsprechend schlecht erfassen. Manchmal kommen welche durch einen Zufall ans Licht. „Bei Herbstkontrollen auf dem Waldfriedhof war in jedem Meisenkästen eine Zwergfledermaus“, erinnert sich Jens Gutzmann.

Aber auch im Bunker tut sich manchmal Erstaunliches. Vor Kurzem hat Jens Gutzmann doch mal eine Breitflügelfledermaus bei der Winterruhe in einem Bunker ertappt – ganz entgegen ihrer Gewohnheiten. „Da habe ich mich gewundert, das ist eigentlich untypisch. Aber die Natur hält sich nicht immer an die Regeln, die wir glauben, erkannt zu haben“, meint der Nabu-Mann.