Hamburg. Dorfgemeinschaft Billwärder wehrt sich gegen Ausgleichsmaßnahme für Oberbillwerder und stellt Eilantrag gegen Fällung – mit Erfolg.
Am Billwerder Billdeich sollen 50 Hybridpappeln gefällt und 46 gekappt werden. Statt bisher bis zu stattlichen 30 Metern wären die Bäume dann nur noch fünf Meter hoch. Die Umweltbehörde (Bukea) will damit eine vorgezogene Ausgleichsmaßnahme für Oberbillwerder umsetzen. Dagegen wehrt sich nun die Dorfgemeinschaft Billwärder, die Einspruch gegen die Fällgenehmigung eingereicht hat. „Der Eilantrag wurde angenommen“, berichtet Vereinsvertreterin Katja Haack.
Auf der Fläche, wo der neue Stadtteil Oberbillwerder geplant ist, werden Brutplätze für 34 Feldlerchenpaare verloren gehen. Als Ausgleich sollen Brutplätze für die besonders geschützte Vogelart an anderer Stelle geschaffen werden, wie die Bukea Ende September im Sonderausschuss Oberbillwerder der Bergedorfer Bezirksversammlung vorstellte. Die neuen Plätze liegen etwa in der Boberger Niederung, auf Hahnöfersand oder eben in Billwerder, wo drei Paare einen neuen Brutplatz finden könnten.
Pappeln sollen weichen, damit die Feldlerche dort brüten kann
Allerdings brauchen die Bodenbrüter dafür ein weitgehend flaches und unbewachsenes Gelände. Die Hybridpappeln, deren Art Ende des 19. Jahrhunderts aus einer Kreuzung der schnellwüchsigen Kanada-Pappeln mit verschiedenen europäischen Pappelarten entstanden ist, würden dem entgegenstehen. Also sollen die Bäume hinter dem Reiterhof Graumann gefällt werden. „Ein Skandal“, findet die Dorfgemeinschaft Billwärder. Denn die Bäume seien nicht nur prägend für das Landschaftsbild von Billwerder, sondern würden vor allem auch zahlreichen Fledermäusen Schutz und Wohnraum bieten.
Bis zu acht verschiedene Fledermausarten seien dort zu finden, wie aus einem Gutachten von 2017 hervorgeht, betont die Dorfgemeinschaft. „Fledermäuse orientieren sich auf ihrem Beuteflug an Knicks, Bäumen und idealerweise an Baumreihen. Viele Fledermausarten, darunter alle in Billwerder vorkommenden, sind streng geschützt“, erklärt Jens Rosenberger. Insbesondere in der Hybridpappelreihe sei die größte Aktivität von Fledermäusen zu beobachten.
Die Bukea sieht die Pappeln aber auch als Gefahrenquelle an: Sie würden sich in der Alters- und Zerfallsphase befinden. Einige Bäume mussten bereits komplett gefällt, andere stark zurückgeschnitten werden. Zudem sind wiederholt schwere Äste abgebrochen, teilte die Behörde in ihrem Vortrag mit.
Feldlerche statt Fledermaus? Dorfgemeinschaft fordert Rücknahme der Fällgenehmigung
Zwei Fledermausarten würden dort überwintern. Sie würden ihr Winterquartier verlieren, betont die Dorfgemeinschaft. Das sei allerdings nach Bundesnaturschutzgesetz verboten, da sich der Erhaltungszustand der lokalen Population verschlechtert, erklärt Katja Haack, die darin einen klaren Bewertungsfehler in der Planung erkennt. Die Schaffung von drei Brutplätzen für die besonders geschützte Feldlerche stehe im Konflikt mit einer großen und streng geschützten Fledermauspopulation. „Wir fordern daher, dass die Fällgenehmigung für die Pappeln zurückgenommen wird, um irreparable Schäden für die lokale Fledermauspopulation zu vermeiden“, betont sie.
Fledermäuse spielten im Vortrag der Bukea allerdings keine Rolle. Aus Sicht der Behörde seien sie keine Lebensraumkonkurrenten für die Feldlerche. Auf Nachfrage von Jörg Froh (CDU) im Ausschuss teilt die Bukea mit, dass in 150 Metern Entfernung zu den Hybridpappeln ein 1500 Meter langer Knick gepflanzt und sich zum Jagdgebiet für die Fledermäuse entwickeln soll. Die Pflanzung sei bereits beauftragt, so die Behörde.
Dorfgemeinschaft will alle Möglichkeiten für den Erhalt der Pappeln ausschöpfen
Dass der Knick irgendwann, wenn er mal größer ist, auch genug Insekten anzieht, um für Fledermäuse als Jagdgebiet zu dienen, mag ja richtig sein, meint die Dorfgemeinschaft. Die lokale Population und vor allem die Winterquartiere und Wohnstuben der Fledermäuse würden jetzt aber empfindlich gestört. Doch warum droht gerade jetzt die Fällung der Bäume? „Eine Ausgleichsmaßnahme muss funktionieren, wenn der Eingriff beginnt. Das bedeutet, dass zur kommenden Brutsaison alles vorbereitet sein muss, damit der Bau von Oberbillwerder zur Brutsaison beginnen kann. Soweit das Kalkül der Planung“, ist Jens Rosenberger überzeugt.
- Oberbillwerder: So viele Lkw rollen für den Bau des Hamburger Stadtteils durch Bergedorf
- Oberbillwerder: Angst vor Verkehrschaos in Neuallermöhe
- Oberbillwerder: IBA Hamburg stellt Pläne für die neue City vor
Mit der Annahme des Eilantrags sei aber erstmal Zeit gewonnen: Das Verwaltungsgericht werde nun dem Bezirksamt Bergedorf mitteilen, dass die Fällung zu unterlassen sei, weiß Katja Haack. Daraufhin werden die beteiligten Behörden Stellung nehmen und ein Richter entscheiden, ob die Fällgenehmigung widerrufen wird – oder nicht. Solange dürfe erstmal nichts passieren, meint Haack. „Wir sind entsetzt, dass ohne einen gültigen Bebauungsplan diese Fällung bereits vorab vollzogen werden soll und werden diese nicht hinnehmen. Die Dorfgemeinschaft Billwärder wird sich mit all ihren Möglichkeiten aktiv für den Erhalt der Pappeln einsetzen“, betont Jens Rosenberger.