Geesthacht. Seitdem eine Anlage umgebaut wurde, herrscht dort reger Betrieb. Warum den kleinen Tieren das Helmholtz-Gelände in Geesthacht gefällt.
Die große Überraschung gab es im letzten Bunker: eine Wasserfledermaus mit einem Ring. Fest steht, es ist ein weibliches Tier. Aber wo kommt es her? „So ein Fund ist absolut selten“, sagt Jens Gutzmann vom Geesthachter Nabu. Mühsam wird mit einem vergrößerten Handyfoto die Gravur auf dem Alu-Ring entziffert. Er stammt aus Dresden und wurde mal in Schwerin an die Wasserfledermaus geheftet. Nun fliegt sie in Geesthacht herum. Und, zweite Überraschung, nicht erst seit Kurzem.
Sie mag offenbar die Ritzen der Bausteine, die hier als Winterruhestätte an den Wänden angebracht sind. Schon 2021 wurde sie hier während der jährlichen Fledermaus-Inventur beim Winterschlaf entdeckt, sagt das Protokoll. Über die aufgefundenen Tiere wird akribisch Buch geführt. Die Statistik beim Geesthachter Nabu geht zurück auf den vor einem Jahr verstorbenen Herbert Bahr. Sein Erbe als Geesthachter Fledermausexperte hat nun Jens Gutzmann angetreten.
Das Rekordergebnis vom vergangenen Jahr wurde fast wieder erreicht
Insgesamt nahm das Trio mit Jens Gutzmann und den externen Fachleuten Matthias Göttsche (Fledermausmonitoring Schleswig-Holstein) und Holger Siemers (Nabu Mölln) drei historische Bunkeranlagen unter die Lupe sowie einen weiteren Bunker, der als Ausgleichsfläche geschaffen werden musste für ein Bauvorhaben auf dem Gelände.
Im größten Bunker wurden 41 Tiere entdeckt. Die Zahl kommt fast an das Rekordergebnis von 2022 heran, da waren es 45 Tiere. Damit zeigt die Sanierung des Bunkers im Jahr 2016 deutliche Erfolge. Als die alte marode Decke einstürzte, wurde eine neue eingezogen nebst weiteren Wänden, zudem ein flaches Wasserbecken installiert – Fledermäuse bekommen Durst während der Winterruhe – sowie Bausteine und wellige Terrassendachplatten zum Verkriechen an den Wänden angebracht. Lag die Zahl der Tiere bis 2016 in diesem Bunker kaum einmal im zweistelligen Bereich, schoss sie danach in die Höhe. Schon 2017 wurden 15 Tiere gezählt, 2018 waren es bereits 32.
Diese Entwicklung zeigt sich überall, wo etwas für die Fledermäuse getan wird, wenn auch nicht immer so extrem wie auf einem ehemaligen Bundeswehrübungsgelände in Kropp. Dort wurden auf 200 Hektar Fläche gut 100 Bunker hergerichtet. Die Zahl der überwinternden Fledermäuse stieg von 21 im Jahr 1999 auf gut 5500 in diesem Jahr.
Stollenanlage hat viel Potenzial – Ausbau wird angestrebt
Die Arten in Geesthachts Vorzeigebunker verteilen sich diesmal auf 16 Wasser- und 20 Fransenfledermäuse sowie fünf Braune Langohren. Die seltenen Großen Mausohre und Bechsteinfledermäuse zeigten sich in den vergangenen Jahren indes nicht mehr. Das heißt nicht unbedingt, dass sie nicht mehr da sind. Die Dunkelziffer an überwinternden Fledermäusen ist groß, überall auf dem weitläufigen Gelände liegen Bunkerruinen aus der Zeit der Dynamitfabrik verstreut, die nicht aufgesucht werden. Und auch in den nicht von den Naturschützern angelegten Mauerspalten finden sich reichlich Ritzen zum Verstecken. Kaum zu glauben, in welch schmale Spalten sich die Tiere hineinquetschen können.
Im kleineren Objekt bei Grünhof-Tesperhude wurden fünf Fledermäuse gefunden (drei Wasserfledermäuse und zwei Braune Langohren), in dem stollenartigen Gang auf dem Hereon-Gelände neben der bereits genannten beringten weitere vier Wasserfledermäuse. Matthias Göttsche findet, dass der Stollen viel Potenzial hat. Er schlägt Jens Gutzmann einen Ausbau vor mit Steinen und Wellplatten.
Der jüngste Ausgleichsbunker wurde von einem Büro geplant, aber die Fledermäuse mögen ihn nicht, erklären die Experten. Ein Grund: Die vorgesehenen Schlafplätze hängen zu tief, so wären die schlafenden Fledermäuse eine leichte Beute für allerlei Fleischfresser. Außerdem muss eine gewisse Feuchtigkeit herrschen. „Wenn bei Brillenträgern beim Betreten des Stollens die Brille beschlägt, ist es richtig“, sagt Matthias Göttsche. Aber am Freitag (27. Januar) zeigen sich doch zwei Langohren.
„Sie sind Pionierfledermäuse“, erläutert Matthias Göttsche. „Die Langohren sind nicht so wählerisch mit ihrem Platz. Sie sind immer auf der Suche nach dem Motto: ,Was gibt es Neues?’“. Die kleineren Arten wie die Mückenfledermaus zeigen sich hingegen nicht in den Winterquartieren der Bunkerruinen. Denn sie mögen es eher trocken.
Ansonsten müssen sich gute Schlafplätze erst herumsprechen in Fledermauskreisen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Offenbar gibt es einen Austausch darüber, wo sich tolle Winterlager befinden, erzählt Matthias Göttsche. „Wie sie das machen, weiß bisher niemand“ – außer den Fledermäusen natürlich. Sie fliegen bereits im Sommer herum, besichtigen potenzielle Winterlager und zeigen sie auch dem Nachwuchs.
Im Herbst kommen die Geschlechter zwecks erneuter Fortpflanzung wieder zusammen
Im Winterlager herrscht im Übrigen Waffenstillstand zwischen den Männchen, die erst ab dem Frühjahr wieder beginnen, ihr Revier zu verteidigen. Kämpfe im Winter würden zu viel überlebenswichtige Energie kosten. Im Herbst begattete Weibchen halten sich den Samen als Reserve vor und steuern den Zeitpunkt der eigentlichen Befruchtung, die im Frühjahr erfolgt. Erst im Herbst kommen die Geschlechter dann zwecks erneuter Fortpflanzung wieder zusammen.
- Vorsicht: Fledermäuse zwischen dem Brennholz
- KZ-Gedenkstätte als Rückzugsort für Vögel und Fledermäuse
Zum Abschluss kontrollierte Jens Gutzmann noch einen vom Nabu erst in diesem Jahr frisch aufgehängten Winterkasten für Fledermäuse. Er besteht aus Beton und isolierender Pappe. Insgesamt fünf Stück davon sind im Stadtgebiet verteilt. Bis zu 100 Tiere könnten Unterschlupf finden. Tun sie in diesem Fall aber nicht, der Kasten ist leer. Immerhin findet Jens Gutzmann Kotspuren, sie wurden also zumindest schon einmal besucht. Ein gutes Zeichen. Das hier ein Kasten hängt, muss sich ja auch erst herumsprechen.