Börnsen. Weil bei einem Gutachten Standards nicht berücksichtigt wurden, gerät ein Projekt zur Energiewende ins Stocken. Wie geht es weiter?

Sie sieht eher unspektakulär aus, die Fläche, die südlich an das Gelände des Gas- und Wärmedienstes Börnsen angrenzt. Und doch bereitet das einen Hektar große Areal Geschäftsführer Joachim Franzke gerade massive Sorgenfalten. Hier sollte in diesem Jahr endlich die lang geplante Solarthermieanlage errichtet werden, und nun dies: Die Untere Naturschutzbehörde hat ein Problem mit dem Artenschutzgutachten, das ein Biologe im Auftrag des Gas- und Wärmedienstes erstellt und im Dezember bei der Behörde eingereicht hat. Ohne eine Klärung der Sachlage ist ein Baubeginn nicht möglich.

Energiewende: Schlafende Haselmaus bremst Bau einer Solaranlage aus

Der Biologe war von April bis November auf der Fläche tätig. „Vor allem ging es um das mögliche Vorhandensein beziehungsweise nicht Vorhandensein von Haselmäusen und Brutvögeln, da mussten regelmäßige Untersuchungen stattfinden“, erklärt Joachim Franzke. Für die geschützte Haselmaus zum Beispiel hätten sich keine Nachweise ergeben. „Der letzte Stand von vor wenigen Tagen ist, dass die Untere Naturschutzbehörde (UNB) dieses Artenschutzgutachten in dieser Form nicht für aussagekräftig hält“.

Man sei aus allen Wolken gefallen, berichtet der Geschäftsführer. „Jetzt besteht die Befürchtung, dass wir dieses ganze Verfahren oder Teile des Verfahrens noch mal wiederholen müssen. Und davon hängt dann ab, ob wir in diesem Jahr das ganze Projekt noch realisieren können oder nicht“. 8000 Quadratmeter der Fläche sollen mit Kollektoren bebaut werden.

Solaranlage: Der Behörde gehe es nicht darum, das Vorhaben zu verhindern

„Es geht nicht darum, das Vorhaben zu verhindern“, beschwichtigt Kreissprecher Tobias Frohnert. „Aber dem Artenschutz müsse Raum verschafft werden“. Das Problem, das das Amt habe: „Bei der Kartierung ist im ersten Schritt nicht so gehandelt worden, wie Methodik-Standards es vorsehen“, schildert Tobias Frohnert die Sicht der UNB.

„So ein Gutachten baut sich über mehrere Schritte auf. Schritt eins zum Beispiel: Welche Arten sind vorhanden? Auf dieser Erkenntnis bauen sich dann die folgenden Schritte auf. Wenn diese Art da ist, wie viele Exemplare sind es? Wird durch die Maßnahmen eine Verdrängung erzielt? Das setzt sich alles fort“, erklärt Tobias Frohnert. „Und wenn der erste Schritt sich nicht an die methodischen Standards gehalten hat, ist die ganze Schlussfolgerung nicht so viel wert.“

Alles ist möglich: von schnell bis zum Worst-Case-Szenario

Wie es weitergeht, ist unklar. Die Gespräche zwischen allen Beteiligten laufen. Eine zeitlich schnelle Möglichkeit: „Nur den ersten Schritt nochmal nachschärfen“, sagt Tobias Frohnert. „Wenn eine aus Sicht der UNB dann richtig durchgeführte Kartierung zu einem gleichen Ergebnis kommt wie zuvor, bleibt das Restgutachten identisch. Kommt der Biologe im ersten Schritt der neuen Kartierung allerdings zu einem ganz anderen Ergebnis, muss alles neu erstellt werden“. Die Haselmaus allerdings, sofern doch vorhanden, hielte gerade Winterschlaf. Störungen in dieser Phase können für sie tödlich sein.

Noch schneller könnte es gehen, wenn die Methodik an sich richtig gewesen sei, nur die Formulierungen unpräzise. Ein Worst-Case-Szenario gäbe es allerdings auch: Wenn Bauherren mit einem neuen Gutachten mauern, dürfe die UNB trotz einen Nicht-Nachweises davon ausgehen, dass Tiere wie die geschützten Haselmäuse trotzdem vorhanden seien, so Tobias Frohnert. Sofern das Gelände dafür geeignet sei, eine mögliche Besiedelung plausibel zu machen. Dann wird es noch komplizierter.

Die Stellungnahme des Biologen liegt dem Kreis mittlerweile vor

Am Dienstag, 9. Januar, ist bei der Behörden die Stellungnahme des Biologen eingegangen. „Wir sind in Gesprächen“, heißt es vom Kreis. Für Joachim Franzke können sie nicht schnell genug vorangehen. Er möchte wissen, woran er ist. Die Zeit drängt, um starten zu können. „Wir versuchen, diese ganzen Dinge noch im Januar zu klären. Vielleicht ist es ja auch nur eine Verständnisfrage“, hofft Joachim Franzke. Der Gas- und Wärmedienst würde gern die sonnen- und damit ertragreichen Sommermonate für Solarthermie noch nutzen.

„Wir hauen dieses Jahr wieder Tonnen von CO₂ raus, die wir einsparen könnten, wenn wir Solarthermie hätten“, sagt Joachim Franzke. „Durch sie lassen sich pro Jahr 1,5 Millionen kWh Gas einsparen. Bezogen auf die Gesamtlaufzeit entspricht dies 8600 Tonnen CO₂ oder umgerechnet 2.127.000 Kilometern mit dem Pkw“, rechnet der Geschäftsführer den Umweltfaktor vor.

Ausgleichsflächen für die Bebauung sind an drei Stellen gefunden worden

Das Vorhaben gestaltete sich vom Start weg hakelig. Auf der Brachfläche hatten sich Bäume angesiedelt, die Fläche wurde schließlich als Wald klassifiziert. Wo die geforderten Ausgleichsflächen sein werden, ist auch erst seit Kurzem klar: im Kreis Steinburg, in der Gemarkung Flintbek und bei Kollow. „Die ersten Gespräche geführt wegen des Vorhabens habe ich 2018“, sagt Joachim Franzke. „Das kann doch nicht wahr sein, wir können doch nicht noch ein Jahr verlieren“, klagt er.

Wenn das Gutachten akzeptiert ist, sehen die nächsten Schritte so aus: „Wir würden dann ganz kurzfristig den Bauantrag stellen, dann vergeht wieder einige Zeit bis zur Genehmigung. Die Bauarbeiten selbst sind mit der Aufständerung der Paneele eine Sache, die in wenigen Tagen erledigt ist“, erklärt Joachim Franzke. Auch die Abfragen an die Firmen und der Ausschreibungsprozess seien gestartet, „wir würden dann nur auf die Baugenehmigung warten“.

Mehr Trinkwasser für die wachsende Börnsener Bewohnerzahl

Auch bei anderen wegweisenden Projekten ist der Börnsener Versorger momentan zum Abwarten verurteilt. So in Sachen Ausbau des Fernwärmenetzes. Hier muss erst die kommunale Fernwärmeplanung stehen. Ein weiterer Ausbau ohne diesen Masterplan wäre ökonomisch ineffizient. Schließlich liegt der Meterpreis für eine Röhre je nach Verlegungsaufwand im Gelände bei 300 bis 600 Euro.

Zudem will der Gas- und Wärmedienst, der mit mittlerweile 15 Mitarbeitern neben dem Wärmenetz vor Ort auch das Erdgas- und Wassernetz betreibt, angesichts des Börnsener Wachstums mehr Trinkwasser fördern. Das Wasserwerk steht auf dem Gelände an der Straße Zwischen den Kreiseln. Dafür musste ein Antrag gestellt werden, die Genehmigung steht noch aus. Statt 220.000 sollen es künftig 260.000 Kubikmeter Wasser sein, die für die Haushalte zur Verfügung stehen.

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Und es gibt auch gute Nachrichten – auf die Erfüllung allerdings müssen diesmal die 4500 Kunden warten. Die Versorgungssituation habe sich wieder normalisiert, sagt Joachim Franzke. Zwar würden die Einkaufspreise von Gas über dem Niveau aus der Zeit vor dem Einfall der Russen in die Ukraine verharren, aber immerhin sei die Lage stabil. Vorbehaltlich, dass keine weiteren Krisen den Markt empfindlich stören, ist für das kommende Jahr mit sinkenden Preisen zu rechnen.