Hamwarde. Investor plant Solarmodule auf 15 Hektar am Ortsrand. Hitzige Debatte in der Einwohnerversammlung. Denn wer profitiert davon?
Die geplante Photovoltaik-Anlage am Ortsrand spaltet Hamwarde in zwei Lager. Die Green Fox Energy GmbH mit Sitz in Hamburg möchte am Jetmoorweg eine 15 Hektar große PV-Freiflächenanlage (entspricht einer Größe von 21 Fußballfeldern) errichten und hat sich bereits mit den Grundeigentümern auf eine Pacht verständigt. Anwohner haben gegen das Vorhaben eine Bürgerinitiative (BI) gegründet, die inzwischen aus rund 40 Bürgern besteht. Die BI hat in Hamwarde mehrere Plakate aufgestellt und einen zweiseitigen Flyer verteilt, auf dem sie ihre Sicht der Dinge darstellt.
Die Gemeindevertretung hat nun eine Einwohnerversammlung einberufen, bei dem ein Vertreter des Investors die Pläne vorstellte und auch auf die Argumente der BI einging. Über 130 Hamwarder drängten sich am Donnerstag, 31. August, in den proppevollen Mehrzweckraum im Gemeindezentrum, einige standen sogar vor der Tür im Flur, weil der Platz nicht ausreichte. Das sind immerhin gut 15 Prozent der etwa 850 Einwohner des Dorfes – eine bemerkenswerte Quote.
Aufgeheizte Stimmung bei Einwohnerversammlung
Die Vorgeschichte: Auf dem Neujahrsempfang hatte der inzwischen nicht mehr amtierende Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Richard (SPD) erstmals öffentlich von den Plänen für die PV-Anlage auf einem Areal zwischen Hamwarde und Geesthacht berichtet. Anfang Mai wurden die Mitglieder des Hamwarder Bauausschusses informiert. Wenige Tage vor der Kommunalwahl am 14. Mai stoppten dann ausgerechnet die SPD-Parteikollegen des Bürgermeister das Projekt zumindest vorläufig, in dem ein Beschluss über einen Aufstellungsbeschluss von der Tagesordnung genommen wurde.
Hintergrund: Ein Aufstellungsbeschluss leitet ein komplexes Plan- und Genehmigungsverfahren ein. Das Prozedere hatte Katrin Haralambous vom Bauamt des Amts Hohe Elbgeest in der Sitzung detailliert dargelegt. Etwa, dass nach dem Vorentwurf die Öffentlichkeit sowie alle sogenannten Träger öffentlicher Belange und Behörden informiert würden. Deren Einwände müssten dann berücksichtigt werden. Dazu kann gehören, dass ein anderer Standort gewählt werden muss oder dass die Hamwarder Gemeindevertretung die Planungen im Zweifelsfall jederzeit stoppen kann.
Alexander Timm (SPD): „Thema auf sachliche Ebene zurückbringen“
„Die Gemeinde beschließt und die Verwaltung im Amt setzt die Beschlüsse um“, ergänzte Haralambous bei der Einwohnerversammlung. Und der stellvertretende Bürgermeister Alexander Timm (SPD), der den verhinderten Amtsinhaber Rüdiger Knoop (CDU) vertrat, sagte: „Unser Ansinnen war es, das Thema auf die sachliche Ebene zurückzubringen.“ Allerdings gelang das nur bedingt. Teilweise entwickelte sich eine sehr emotional geführte Debatte. Unter den Anwesenden hielten sich Befürworter und Gegner des Projekts in etwa die Waage. Zuvor hatte die BI mittels Abstimmung erwirkt, dass auch sie nach dem Vortrag des Investors eine Gegenrede halten darf.
Andreas Krause, Projektmanager bei Fox Energy, teilte mit, dass die auf 30 Jahre Laufzeit ausgelegte Anlage jährlich 14.710 Megawattstunden (MWh) Leistung erzielen soll und die Gemeinde gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen Anteil von 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächlich eingespeiste Strommenge erhält. Das entspräche jährlich 29.420 Euro – ein für die BI viel zu geringer Betrag. „Wir sind kein Netzbetreiber, können der Gemeinde also nicht verbilligten Strom zukommen lassen“, sagte Krause. Für den Rückbau müsse zudem eine Bankbürgschaft hinterlegt werden, deren Höhe später überprüft wird, ob sie ausreichend ist.
Bürgerinitiative bezweifelt Vorteil für Hamwarde
„Wo ist der Vorteil für Hamwarde?“ fragt derweil Regina Haese, Sprecherin der Bürgerinitiative und Anwohnerin am Jetmoorweg. Die BI hatte Einsicht in die Planungsunterlagen und sich umfassend mit dem Thema auseinandergesetzt. Sie zweifelt die Berechnungen zur Leistung und dem Gemeindeertrag an, bemängelt eine unkontrollierte Brandgefahr bei der Anlage, die Verschattung des Bodens, eine Betonierung des selbigen, Spiegelung auf den Modulen, verloren gehende Felder für die Nahrungsmittelherstellung und viele weitere Punkte. Die BI sagt: „Photovoltaik gehört auf Dächer, nicht auf Äcker.“
Auch auf diese Kritikpunkte ging Andreas Krause in seinem Vortrag ein und widerlegte die meisten der Aussagen, etwa, dass die Fundamente nicht betoniert, sondern lediglich Stützen in den Boden „geschossen“ werden. Beim Abstand der Solarmodulreihen ging er auf die BI ein und sicherte einen Abstand von drei anstatt zwei Metern zu und versprach auch einen höheren Zaundurchlass für Kleintiere.
Wie groß muss der Abstand zu Wohnbebauung sein?
Überzeugt war die BI nicht und bleibt bei ihrem vorab geäußerten Standpunkt. Sie stellte erfolgreich einen Antrag, dass sich die Gemeindevertretung damit befassen muss, ob PV-Freiflächenanlagen künftig einen Abstand von 250 Metern zur Wohnbebauung haben müssen – wie es im neuen Regionalentwurfsplan III der Landesregierung empfohlen wird. Im aktuellen Projekt sind es 50 Meter Abstand. „Lediglich der Investor und die betroffenen Grundeigentümer werden durch die Erbauung des Photovoltaikkraftwerkes sicher profitieren. Alle anderen Überlegungen sind vage und unrealistisch. Warum also wird dieses Projekt so vehement durch den Gemeinderat verteidigt und protegiert?“ fragt stellvertretend Klaus Bibow.
Alexander Timm als Gemeindevertreter stellt klar: „Die Bürgerinitiative sagt immer, die Gemeindevertretung plane das Solarkraftwerk. Richtig ist: Der Investor plant und hat sich mit den Eigentümern geeinigt. Dann ist das Vorhaben an uns herangetragen worden und wir haben darüber zu entscheiden. Außerdem nimmt die BI Dinge vorweg, die erst während eines Aufstellungsbeschlusses untersucht werden.“
Am 21. September geht es in der Gemeindevertretung weiter
Das weitere Vorgehen: Bei der nächsten Gemeindevertretersitzung am 21. September soll ein Aufstellungsbeschluss erneut auf der Tagesordnung stehen. Tendenz: Er wird beschlossen. „Wir müssen auch in Hamwarde unseren Beitrag für den Klimawandel leisten. Es wird ja noch alles geprüft. Außerdem bin ich gespannt, ob sich die Betroffenen genauso ins Zeug gelegt hätten, wenn die PV-Anlage nicht an ihre Grundstücke heranreichen würde. Die CDU wird jedenfalls zustimmen“, sagt CDU-Gemeindevertreter Matthias Bartsch.
Für die SPD gab Alexander Timm an, dass sich seine Fraktion in der kommenden Woche zusammensetzen wolle. „Ob wir geschlossen oder nach unserem Gewissen abstimmen, wird sich zeigen“, so Timm. In der Gemeindevertretung hat die CDU eine Mehrheit von 7:4-Stimmen. Vor der Wahl lag es mit 6:5 zugunsten der SPD.
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Das Ergebnis habe Potenzial das Dorf zu spalten, sagt die Bürgerinitiative. Dazu hatte Andreas Krause eine treffende Antwort: „Es gehört zu einer gelebten Demokratie, dass man über das Vorhaben informieren lässt, Vor- und Nachteile gegeneinander abwägt und dann durch die gewählten Vertreter des Dorfes eine Entscheidung getroffen wird. Demokratie ist eine Mehrheitsentscheidung.“