Geesthacht. Im Interview spricht Geesthachts Bürgermeister über Ganztagsbetreuung, das Heizungsgesetz und die finanzielle Lage der Stadt.

Im vergangenen Jahr ist Geesthacht in die Reihe der zehn größten Städte in Schleswig-Holstein aufgestiegen. Laut Einwohnermeldeamt leben hier 33.651 Menschen (Stand Dezember 2023). Und das Wachstum geht weiter. Das bringt teure Investitionen in der Infrastruktur mit sich.

Herr Schulze, wie ist die finanzielle Lage der Stadt?

Wir haben das Jahr 2023 trotz der ganzen Krisen ganz gut gemeistert. Wir planen, das Haushaltsjahr mit einem Überschuss von 4,7 Millionen Euro zu beendet. Für 2024 planen wir mit einem Defizit von sieben Millionen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses geplante Defizit verbessern können. 2023 war das auch gelungen.

Vom Finanziellen einmal abgesehen: Wie steht es um die Entwicklung Geesthachts?

Geesthacht ist weiter eine wachsende Stadt. Anders als in vielen anderen Orten werden bei uns die großen Bauprojekte trotz der Krise im Bausektor fortgeführt. Wir werden auch 2024 neue Bebauungspläne erstellen. Der für die „Gartencity“ ist vor dem Abschluss. Alle neuen Bebauungspläne werden mit mindestens 25 Prozent Sozialwohnungen geplant. Damit sind wir in Schleswig-Holstein an der Spitze im sozialen Wohnungsbau. Das müssen wir weiter fördern.

Wichtig ist auch, dass die Infrastruktur mitwächst. Hier gibt es bei Kitas, Schulen und Straßen Nachholbedarf. 50 Prozent der Krippenkinder (unter drei Jahre) können nicht versorgt werden.

Stimmt. Wir haben insgesamt, also in Elementarbereich und Krippe, 461 Kinder auf der Warteliste. 2023 haben wir 215 neue Plätze geschaffen. Weitere Projekte laufen. Bis Ende 2026 sind mit diesen 215 Plätzen insgesamt 545 zusätzliche Betreuungsplätze geplant – 130 davon für Krippenkinder, 322 davon für Elementarkinder. Um den Bedarf für die Krippe decken zu können, werden wir mit Trägern in Gespräche gehen. Man muss bei diesem Thema aber auch bedenken, dass sich Familienleben verändert hat. Früher sind Kinder oft die ersten drei Jahre zu Hause geblieben. Dementsprechend wurde lange mit einem geringeren Bedarf an Kitaplätzen gerechnet – und das müssen wir jetzt aufholen.

Die Lehren daraus?

In der Ganztagsbetreuung gibt es ab 2026 einen Rechtsanspruch für Grundschulkinder. Wir rechnen von vornherein damit, dass wir für alle Kinder einen Platz vorhalten müssen. Dafür fehlen an unseren Schulen Räumlichkeiten. Die Ratsversammlung hat 2023 einen Schulentwicklungsplan inklusive Prioritätenliste verabschiedet. Demnach sollen mindestens 50 Millionen Euro in den Schulausbau investiert werden.

Wie ist hier der aktuelle Stand?

Durch die im Jahr 2023 aufgestellten Container an der Silberbergschule, die auf zehn Jahre gemietet sind, haben wir erst einmal Luft geschaffen, wenn wir hier zusätzliche Klassenräume bauen wollen. Wir müssen auch an allen Grundschulen eine Mensa bauen, die Waldschule in Grünhof ist als Nächstes an der Reihe. Am Otto-Hahn-Gymnasium fehlen ebenfalls Klassenräume. Wir werden an mehreren Schulen parallel arbeiten und sehen, wo wir mit weiteren Containern kurzfristige Lösungen schaffen können. Zum Glück haben wir im Rathaus zwei neue Kollegen für den Hochbau gefunden, die sich um diese Vorhaben kümmern können. Wir werden demnächst unsere Planungen für die Schulen vorstellen. Dazu gehört auch, dass wir den Fachklassentrakt der alten Realschule am Buntenskamp abreißen wollen. Dann hätten wir einen Standort für den Neubau von Volkshochschule (VHS) und Bücherei, sodass die Grundschule Buntenskamp die jetzige VHS mitnutzen kann. Sie sehen, das Thema Schule wird uns baulich und finanziell noch eine Zeit beschäftigen.

In den jüngsten Haushaltsberatungen der Ratsversammlung haben Sie die Landesregierung für die Bildungspolitik kritisiert.

In der Bildungspolitik gibt es eine totale Fehlentwicklung. Wir bauen mit der Ganztagsbetreuung gerade ein Parallelsystem auf. Wir haben dann eine Vormittagsschule, die vom Land organisiert wird, und eine Nachmittagsschule, die von der Stadt organisiert werden soll. Und beides muss zusammengeführt werden.

Was sind die Probleme?

Wir sollen nachmittags ein pädagogisches Angebot schaffen und etwa Nachhilfe geben. Doch woher sollen wir wissen, wer in welchem Fach Nachhilfe benötigt? Eigentlich wäre es gut, wenn ein Lehrer der Schule die Nachhilfe betreut. Die dürfen nach dem Schulgesetz aber am Nachmittag nicht eingesetzt werden. Andererseits macht es angesichts des Lehrermangels Sinn, wenn die Betreuung vormittags mit Ganztagskräften aufgefangen werden könnte, was auch nicht geht. Aktuell muss ich pädagogische Kräfte finden, die eine kurze Zeit vor dem Schulbeginn zur Verfügung stehen, wenn die Eltern zur Arbeit sind, und solche, die am Nachmittag arbeiten wollen. Ich sage Ihnen, solche Menschen sind schwer zu finden.

Was wäre die Lösung?

Wenn Schule und Ganztag in einer Hand wären, könnte man es meiner Meinung nach besser und günstiger machen. Ganztagsbetreuung ist eine Länderaufgabe. Wenn das Land das Nachmittagsangebot nicht übernehmen möchte oder kann, brauchen die Kommunen zumindest mehr finanzielle Unterstützung. Aber das sehe ich bei der finanziellen Lage des Landes nicht.

Ein anderes Thema, das viele Menschen umtreibt, ist das Heizungsgesetz und wie sie eine mittlere fünfstellige Summe zum Heizungstausch aufbringen sollen.

Wir gucken gerade gemeinsam mit den Stadtwerken, wie die Versorgung in der Stadt künftig aussehen kann. Hierfür hätte ich mir mehr Zeit gewünscht. Hier ist Schleswig-Holstein schneller als der Bund. Wir müssen mit der kommunalen Wärmeplanung bis Ende 2024 fertig sein, im Bund ist es erst 2026 so weit.

Sie wollen für jede Straße festlegen, auf welche Heizungsart künftig gesetzt werden soll. Einige Häuser eignen sich aber gar nicht für bestimmte Heizungsarten. Was ist dann?

Es wird nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen, wenn ich etwa jemandem sagen muss, dass er keine Fernwärme bekommt. Aber: Wir setzen hier nur um, was Bund und Land beschlossen haben und müssen es dann vor Ort verkaufen.

Fühlen Sie sich zu Unrecht an den Pranger gestellt?

Viele Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, für welche Bereiche die Stadt zuständig ist und für welche etwa das Land oder der Bund. Das bekomme ich in Diskussionen oft mit – und woher sollen die Leute das auch im Detail wissen? Nehmen wir das Beispiel mit Tempo 30 vor der Kita im Heuweg. Dort mussten wir die Geschwindigkeitsbegrenzung aufheben, weil die Kita während des Umbaus vorübergehend umgezogen ist. Der Grund für Tempo 30 ist an dieser Stelle also zeitweilig weggefallen. Andererseits wurde in Hamburg Tempo 30 vor einer Schule eingerichtet, die noch gebaut wird. Da höre ich dann immer, warum geht es dort, aber hier nicht, und wir stehen dann wie die Doofen da. Dabei ist die Straßenverkehrsordnung eindeutig.

Die Kita kommt in absehbarer Zeit zurück. Und wenn Sie das Schild einfach hätten hängen lassen? Wo kein Kläger, da kein Richter.

Wir haben zweimal im Jahr eine Verkehrsschau mit der Polizei und dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein. Ich bin an Gesetze gebunden und kann sie nicht ignorieren, bis sich jemand beschwert. Außerdem möchte ich betonen, dass das besagte Tempo 30 in Hamburg wieder zurückgenommen werden musste. Wir haben uns richtig verhalten und in Hamburg wurde das fälschlich aufgestellte Schild wieder abgebaut.

Warum ist es so schwer, eine Ampel oder Querungshilfe über die Bundesstraße in Grünhof zum Netto-Supermarkt zu bekommen? Das ist ein weiterer Punkt, der auf wenig Verständnis stößt.

Hier ist es ähnlich. Bundesstraßen sind Ländersache. Ich kann nicht allein entscheiden, selbst wenn ich das wollte. Aber wir sind in Gesprächen mit dem Land für eine Ampellösung.

Ab Herbst wird mit der Düneberger Straße eine wichtige innerstädtische Route für eine vollständige Sanierung gleich zwei Jahre gesperrt. Warum dauert das so lange?

Einerseits soll ich Straßen befahrbar halten, aber wenn wir was machen, gibt es auch wieder Beschwerden. Wir erneuern an der Düneberger Straße unter anderem die Kanalisation – und Arbeiten im Tiefbau brauchen nun einmal Zeit, wie das Beispiel Am Spakenberg zeigt. Außerdem sollen die Anlieger noch zu ihren Grundstücken kommen, auch darauf nehmen wir bei der Planung Rücksicht. Wir könnten natürlich sagen, wir bauen Tag und Nacht. Aber das würde kein Unternehmen machen, und abgesehen davon: Den Aufschrei möchte ich mal erleben.

Apropos Aufschrei: Die Gegner einer Bahnanbindung nach Bergedorf haben sich öffentlichkeitswirksam positioniert.

Wenn wir wollen, dass die Menschen weniger mit dem Auto fahren, müssen wir die Schiene voranbringen. Dass das zur Belastung einzelner Personen führt und diese sich beschweren, ist normal. Auch in Ahrensburg und Rahlstedt gibt es massiven Widerstand gegen die neue S-Bahn. Natürlich müssen Bedenken ernst genommen werden, und im Laufe des Verfahrens werden Themen wie zum Beispiel notwendiger Lärmschutz auch betrachtet. Schwierig ist es immer, gegen persönliche Gefühle zu argumentieren, zumal es die einfache Antwort oft nicht gibt. Aber das wollen die meisten Menschen leider nicht hören. Ich bin sicher, dass die große Mehrheit der Geesthachter für eine Bahnanbindung nach Bergedorf ist.

Wie schaffen Sie es, den Bürgern Maßnahmen besser zu erklären?

Wir müssen nach draußen noch besser und mehr kommunizieren. Dafür haben wir zum Beispiel auch eine Stelle im Social-Media-Bereich geschaffen. Alle werden wir aber nie erreichen können. Eine besondere Herausforderung in Sachen Kommunikation ist für uns auch, dass bei den meisten Themen mindestens Politik und Verwaltung im Boot sind, beide aber unterschiedliche Rollen haben. Politik kann zum Beispiel etwas beschließen, was gar nicht rechtens ist. Und ich als Verwaltungschef muss das dann wieder einkassieren, selbst wenn ich es persönlich für richtig halte. Wir als Stadtverwaltung müssen anders als die Politik vorsichtiger formulieren. Aber: Beim Thema Schule habe ich mich ja schon weit aus dem Fenster gelehnt.

Wollen Sie also noch mal in der Landespolitik angreifen?

Nein, ich gehe nicht zurück, sondern bleibe Bürgermeister dieser schönen Stadt.