Geesthacht. Geesthacht schafft in den nächsten drei Jahren zwar über 500 neue Kitaplätze. Warum dennoch die Kleinsten oft in die Röhre schauen.
Tagesmutter Jessica Woehr (Geesthachter Schätze) hat schon von den tollsten Dingen gehört, was Eltern alles versuchen, wenn es darum geht, noch einen Betreuungsplatz zu ergattern. Angebote von 500 Euro seien keine Seltenheit. „Darauf lassen wir uns natürlich nicht ein. Aber es zeigt, wie heiß umkämpft die Plätze sind“, berichtet Woehr. Im Moment befinden sich alle Eltern noch im Stadium der Ungewissheit, im Februar 2024 wird daraus dann entweder große Erleichterung oder Verzweiflung. Dann erfolgt nämlich die zentrale Platzvergabe für das im August 2024 beginnende neue Kitajahr.
In Geesthacht werden vor allem viele Eltern von Krippenkindern (bis drei Jahre) enttäuscht sein. Laut einer aktuellen Liste, die die Stadtverwaltung führt, sind über die Hälfte der Geesthachter Kinder aus dieser Altersgruppe unversorgt. Demzufolge stehen 295 belegten Krippenplätzen 297 weitere Kinder auf der Warteliste gegenüber. Bei den älteren, den sogenannten Elementarkindern, ist die Lage deutlich entspannter. Hier warten „nur“ 164 über Dreijährige auf einen Betreuungsplatz, bei 1061 belegten Plätzen. Das entspricht einem prozentualen Anteil von 13,4 Prozent.
Kinderbetreuung: Viel zu wenig Plätze für Krippenkinder
Insgesamt umfasst die Warteliste also 461 Kinder. Damit ist die Zahl binnen drei Jahren lediglich um 40 gesunken. Untätigkeit lässt sich den Kommunalpolitikern in der Stadt dennoch nicht vorwerfen. Denn seit drei Jahren laufen in Geesthacht parteiübergreifende Anstrengungen, den Platzmangel zu verringern. Mehrere An- und Neubauten wurden bereits realisiert, allerdings lässt die Nachfrage im wachsenden Geesthacht nicht im gleichen Maße nach.
Und trotzdem: Wenn zum 1. Januar zwei neue Elementargruppen (zusammen 40 Plätze) in der Kita St. Johannes am Eichweg öffnen, steigt die Zahl der binnen zwölf Monaten geschaffenen Gesamtplätze in der Stadt auf 215. Weitere 545 sind für die kommenden drei Jahre in Planung oder sogar schon in der Kita-Bedarfsplanung des Kreises berücksichtigt. „Für Eltern, die jetzt einen Platz suchen, da fehlen immer noch fast 500 Plätze. Aber in drei Jahren wird sich etwas getan haben“, sagt Michael Fiebig von der Geesthachter SPD. Das Problem: Es sind zu wenig Krippenplätze, unter den 545 Plätzen sind 130 Krippenplätze.
Kita-Träger vom Bau reiner Krippen überzeugen
„Wir müssen vielleicht mal dort, wo es noch keine genauen Planungen gibt, auf die Träger zugehen, ob sie nicht vielleicht reine Krippenkitas bauen wollen“, regte Christoph Wieck an, der Leiter im Fachdienst Soziales bei der Stadt Geesthacht, als er die Zahlen jüngst der Politik vorstellte. Auch über eine Umwandlung bestehender Gruppen müsse nachgedacht werden.
Das wird allerdings nicht so leicht werden. „Kitas werden oft anders betrieben“, weiß auch Wieck. In der Regel wird mindestens eine Elementargruppe, in der zwei Erzieher 20 Kinder betreuen, pro Einrichtung mehr angeboten als es Krippengruppen (zwei Erzieher und zehn Kinder) gibt. „Wir wollen ja auch Kinder von außerhalb oder die erst später in die Kita kommen aufnehmen können“, erklärt stellvertretend Nicole Maack, die Leiterin der Agilo-Kita Edmundsthal.
In reinen Krippenkitas wie Kribbelkrabbel von Agilo in Aumühle stehen die Eltern zudem vor dem Problem, dass sie sich mit ihrem dreijährigen Kind bei einer neuen Kita erneut für einen Platz bewerben müssen. Ansonsten erfolgt meist ein Wechsel innerhalb einer Einrichtung in den Elementarbereich.
Kirchenkreis Hamburg-Ost: Reine Krippe braucht gutes Konzept
Offen für Gespräche zeigt sich der Kirchenkreis Hamburg-Ost, mit derzeit sechs Kitas und zusammen 620 Plätzen der größte Anbieter in Geesthacht. Davon sind 120 Krippenplätze, 24 integrative Plätze und 30 im Hort (für Schulkinder). Eine reine Krippe ist nicht darunter. „Grundsätzlich ist eine reine Krippe vorstellbar, muss dann aber konzeptionell gut durchdacht werden. Den Familien ist bei der Auswahl der Krippe eine gute und direkte Anschlussmöglichkeit in den Elementarbereich wichtig“, sagt Antje Fuhrmeister, die stellvertretende Geschäftsführerin. Aktuell liege das Verhältnis Krippe/Elementar bei rund 30:70. Begründung: „Weil die eingegangene Bedarfsmeldung so ist.“
Ab der Geburt können Eltern ihr Kind beim Kitaportal Schleswig-Holstein (kitaportal-sh.de/de) anmelden und bis zu drei Wunsch-Einrichtungen angeben. Bei einzelnen Kitas persönlich vorstellig zu werden, hat keinen Sinn. Bei der Platzvergabe werden Alleinerziehende oder Eltern, die beide berufstätig sind, vorrangig berücksichtigt. Auch wer eine längere Betreuungszeit benötigt, hat einen Vorteil. Zudem wird darauf geachtet, dass Geschwisterkinder möglichst in die gleiche Kita kommen.
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Und wenn es doch nicht mit dem Platz klappt? „Unsere Tochter ist im kommenden August eineinhalb Jahre alt. Meine Frau ist derzeit noch in Elternzeit. Was passiert, wenn wir keinen Platz kriegen, überlegen wir uns dann“, sagt der Vater eines angehenden Geesthachter Krippenkindes. Ein unmoralisches Angebot bei einer Tagesmutter, die bis zu fünf Kinder betreuen darf, können sie sich sparen. „Wir sind auch alle voll“, weiß Jessica Woehr.
Zumal Räumlichkeiten für Kitas zu schaffen, nur eine Seite der Medaille ist. Den Trägern fehlt oft auch schlicht das Personal, um Gruppen voll belegen zu können.