Geesthacht. Tempobeschränkung in Kirchwerder, obwohl die Schule gerade gebaut wird. Vor der Kita Heuweg ist sie während der Sanierung aufgehoben.
Mit Tempo 30 ist das so eine Sache. Björn Reuter vom CDU-Ortsverband Geesthacht versteht jedenfalls die Welt nicht mehr, nachdem er auf unseren Artikel aus den Vier- und Marschlanden gestoßen war. „Tempo 30 wegen Schulbetrieb, den es noch gar nicht gibt“, hatte unsere Redaktion berichtet. Vor der künftigen Stadtteilschule Kirchwerder gilt bereits jetzt ein Tempolimit, obwohl die Schule erst im Bau ist.
In Geesthacht ist es genau andersherum. „Hier wurde vor der Kita Heuweg Tempo 30 wegen vorübergehenden Leerstands demontiert – das ist doch verrückt“, stellt Reuter vor dem Eindruck fest, dass seine Partei erst gerade mit dem Versuch scheiterte, Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt von Grünhof-Tesperhude einzuführen.
Tempo 30: Während der Sanierung der Geesthachter Kita aufgehoben
Rückblende: Vor fast genau einem Jahr war dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Geesthachter Christdemokraten am Heuweg aufgefallen, dass die Tempo-30-Schilder vor der städtischen Kindertagesstätte verschwunden waren. Vor den Einmündungen zum Dahlemer Weg und der Charlottenburger Straße standen lediglich noch die leeren Masten. Auf Nachfrage erfuhr er, dass die Schilder zur Geschwindigkeitsbeschränkung von Mitarbeitern der städtischen Betriebe abgebaut wurden.
Die Begründung, die ein Mitarbeiter der örtlichen Verkehrsbehörde damals lieferte, lautete: „Uns fehlt die rechtliche Grundlage.“ Auch wenn es sich bei der Kita Heuweg nur um einen vorübergehenden Auszug handele, sei Tempo 30 somit nicht mehr zulässig. Denn laut Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) stelle eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Kilometer pro Stunde eine Beschränkung der Nutzung einer Straße dar. Und den Grund für die Beschränkung, die Kita, gebe es nun mal gerade nicht.
Die Einrichtung bleibt zwar dauerhaft an dem Standort, die Kinder werden seit Ende der Sommerferien 2022 jedoch am Neuen Krug betreut, bis ihre Kita vollständig saniert ist. Wann das der Fall sein wird, steht noch nicht fest. Die Arbeiten haben erst im Oktober begonnen. Mit 3,65 Millionen Euro ist es der größte Investitionsposten im Geesthachter Haushalt 2024. Um die Ausgestaltung der Kita-Sanierung hatte die Kommunalpolitik zuvor lange diskutiert.
In Kirchwerder sollen sich Autofahrer an Schule gewöhnen
In Hamburg wird nun genau gegensätzlich argumentiert. Die Verkehrspolizei will die Autofahrer frühzeitig auf die neue Situation am Kirchenheerweg vorbereiten, teilte die Pressestelle der Polizei Hamburg auf Anfrage unserer Redaktion mit. Solche Veränderungen bräuchten einen „gewissen Vorlauf“. Spätestens wenn die neuen Schulgebäude eröffnet werden, soll die Verkehrssituation für die vielen Schüler möglichst sicher sein.
Außerdem werde der Schulweg möglicherweise schon lange vor Inbetriebnahme der neuen Bildungseinrichtung von Kindern geübt, teilt Hamburgs Polizeisprecher Sören Zimbal mit. Deshalb muss werktags von 6 bis 22 Uhr auf einem 500 Meter langen Abschnitt vor der Großbaustelle der neuen Stadtteilschule Kirchwerder, auf dem bisher 50 Kilometer pro Stunde erlaubt waren, deutlich langsamer gefahren werden.
Im schleswig-holsteinischen Geesthacht wird Autofahrern offensichtlich eine größere Flexibilität zugetraut. Seit einem Jahr haben sich die Autofahrer bereits ans schnellere Fahren gewöhnt und müssen dann halt später wieder umlernen. „Dabei ist die Straßenverkehrsordnung doch überall gleich, aber bei Tempo 30 ist das gefühlt eine Auslegungssache“, wundert sich Björn Reuter.
CDU scheitert mit Tempo 30 in Grünhof
Seine Partei hatte sich jüngst im Geesthachter Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung mit einem Antrag zu Tempo 30 eine blutige Nase geholt. Die CDU wollte die Verwaltung prüfen lassen, ob auf der gesamten Länge der Ortsdurchfahrt durch Grünhof-Tesperhude vom Steinberg über Tesperhuder Straße bis zur Elbuferstraße zur Vereinheitlichung Tempo 30 eingeführt werden kann.
Begründet war dies mit teilweise nur 80 Zentimeter breiten Gehwegen, einem dicht bebauten Wohngebiet sowie einem bereits geltendem Tempo 30 zu Schulzeiten in Höhe des Dorfteiches und einem Tempolimit für Lkw in der Tesperhuder Straße. Zudem seien alle von der Ortsdurchfahrt abgehenden Straßen auch Tempo-30-Zonen.
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Allerdings machte Bürgermeister Olaf Schulze (SPD) ziemlich schnell deutlich, dass es sich bei der Ortsdurchfahrt um die Kreisstraße 63 und damit um eine sogenannte „übergeordnete Straße“ handele, in der laut StVO keine Tempo-30-Zone von der Gemeinde eingerichtet werden darf.
Für die Einrichtung einer Tempo-30-Zone muss es gute Gründe geben
Deshalb seien auch 1997 eine Bürgerinitiative und weitere gleichlautende Ansinnen in der Folge gescheitert. Zusätzlich teilte die Verwaltung mit: „Innerhalb von Tempo-30-Zonen dürfen keine Lichtsignalanlagen installiert und keine Zebrastreifen eingerichtet werden.“ In Verlauf der K63 in Grünhof-Tesperhude stehen drei Bedarfsampeln.
Aktuell muss es für die Einrichtung einer Tempo-30-Zone gute Gründe geben – wie etwa eine besonders hohe Lärmbelästigung, was durch entsprechende Gutachten zu belegen ist, eine Kita/Schule oder ein Krankenhaus/Altenheim an der betroffenen Straße. Die im Raum stehenden Erleichterungen für Kommunen zur Einführung von Tempo 30 sind vom Bundesrat noch nicht beschlossen worden. In Sachen der Ortsdurchfahrt von Grünhof-Tesperhude will die CDU nun im Lauenburgischen Kreistag einen weiteren Anlauf starten. Im Stadt- und Verkehrsplanungsausschuss hatten die Christdemokraten ihren Antrag zurückgezogen.
Die Stadtverwaltung Geesthacht hat eine Anfrage zur unterschiedlichen Auslegung von Tempo 30 in Hamburg und Schleswig-Holstein bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen.