Lauenburg. Beleben Geschäfte die Innenstadt? Was bewirkt mehr Aufenthaltsqualität? Auch ungewöhnliche Gedanken sind willkommen.
„Wo ist denn hier das Stadtzentrum?“ Diese Frage wird von Besuchern häufig gestellt, die es zum ersten Mal in die Lauenburger Oberstadt verschlägt. Dass es einmal anders war, erzählen Alteingesessene oft. Nachdem in der Nachkriegszeit die meisten Geschäfte aus der Unterstadt in die Oberstadt gezogen waren, galt Lauenburg als Einkaufsparadies.
Gewerbetreibende orderten von Zeit zu Zeit sogar Sonderbusse, um Kunden aus den umliegenden Dörfern und auch aus Niedersachsen zur Einkaufstour abzuholen. „Seit Jahrhunderten ist Lauenburg für diese Gebiete wirtschaftlicher Mittelpunkt. Man weiß es mit Recht zu schätzen, wenn man in Geschäften kauft, denen man seit langer Zeit vertraut“, schrieb die Lauenburgische Landeszeitung am 6. Dezember 1956.
Zukunftswerkstätten, von denen wenig geblieben ist
Auf den Tag genau, allerdings 67 Jahre später, präsentierte das Dortmunder Büro Stadt+Handel die ersten Vorstellungen, das Lauenburger Stadtzentrum neu zu erfinden. Dieser Fahrplan soll nicht am grünen Tisch geschrieben werden, sondern unter aktiver Beteiligung der Bewohner. Die Impulsveranstaltung vor etwa 40 Interessierten bildete den Auftakt.
Einen ähnlichen Ansatz gab es vor zehn Jahren schon einmal. Zwischen 2012 und 2014 hatte die Stadt zu drei Zukunftswerkstätten eingeladen. Das Interesse damals war riesig. Schon damals ging es vielen Teilnehmern an den Workshops darum, lieber Plätze zum Wohlfühlen zu schaffen, statt auf große Einkaufstempel zu setzen. Die meisten dieser Vorschläge verschwanden bald in der Schublade. Damals setzte die Stadt vor allem auf Großprojekte wie Markthalle, Marktgalerie und Luxushotel – Vorhaben, die inzwischen allesamt gescheitert sind.
Innenstadt: Experten verfolgen verschiedene Ansätze
Wohin die Reise gehen wird, ist noch nicht entschieden. Im Oktober dieses Jahres verabschiedete die Politik das seit Jahren diskutierte Einzelhandelskonzept. Zuvor hatte Gutachter Andreas Gustafsson aus dem Büro BullwinGesa eine Liste von „zentrumsrelevanten Sortimenten“ präsentiert, die nicht am Stadtrand angeboten werden sollten. Für Gustafsson hat die Förderung des Einzelhandels höchste Priorität, um die Innenstadt neu zu beleben.
Mit Problemen wie Geschäftssterben und Leerstand ist Lauenburg aber nicht allein. Deutschlands Innenstädte stecken allgemein in der Krise. Nach Einschätzung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) werden in diesem Jahr 9000 Geschäfte schließen. Die beiden Hauptgründe dafür sind nach Angaben des HDE die sinkende Kaufkraft der Menschen bei gleichzeitig steigenden Kosten für die Betreiber sowie der konkurrierende Onlinehandel, der vielen Ladeninhabern die Geschäftsgrundlage entzieht. Die Experten von Stadt+Handel verfolgen deshalb einen anderen Ansatz: Die Innenstadt sollte so gestaltet werden, dass sie eine Frequenz für den Handel bringt, nicht durch den Handel.
Auch ungewöhnliche Ideen sind willkommen
Ein Schritt in die richtige Richtung sei das neue Medienzentrum Stappenbeck und die geplanten Lesegärten in dessen Umfeld. Die Stadtplaner werben dafür, die Bewohner mit ins Boot zu nehmen, wenn es um Stadtentwicklung geht. Dafür seien auch auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Gedanken willkommen. Warum sollen leerstehende Ladengeschäfte nicht Start-up-Unternehmen einen Raum geben? Auch der Direktverkauf landwirtschaftlicher Produkte findet immer mehr Liebhaber. Ebenso sind Showrooms für den regionalen Onlinehandel denkbar. Und natürlich auch die sogenannten Coworking-Spaces, die neue Formen der Arbeit möglich machen.
„Lauenburg hat ein funktionierendes Netzwerk von ehrenamtlich aktiven Menschen, die sich für ihre Stadt interessieren. Das ist ein großes Potenzial“, freute sich Referent Jens Nussbaum nach der Veranstaltung über die Beteiligung. Dabei ermutigen die Stadtplaner ausdrücklich auch zu Ideen, die in der Vergangenheit eher belächelt wurden.
Beteiligung auf vielen Ebenen geplant
Bei der Bürgerbeteiligung setzt Stadt+Handel auf vielfältige Formen. Am Freitag (15. Dezember) beginnt um 10 Uhr ein Spaziergang durch Lauenburg mit den Stadtplanern, Mitarbeitern der Verwaltung und interessierten Bürgern, der dem Austausch dienen soll. Treffpunkt ist an der Kreissparkasse an der Alten Wache. Im nächsten Schritt sollen Speeddatings per Videocall mit Lauenburger Akteuren ein Stimmungsbild und weitere Impulse liefern.
Mit der Entscheidung, in Lauenburg einen Wirtschaftsbeirat zu etablieren, hat sich die Stadt auch in Sachen Innenstadtentwicklung einen Gefallen getan. Nach der Erfahrung der Wirtschaftlichen Vereinigung Lauenburg (WVL) würden sich Gewerbetreibende nicht nur anhand der vorhandenen Ladengeschäfte und wirtschaftlicher Überlegungen für eine Geschäftseröffnung entscheiden. „Sie fragen sich: Wo können meine Kunden parken oder wie stelle ich sicher, dass ich meine Kunden erreichen kann?“, sagt Vorstandsmitglied Karsten Legeler. Möglicherweise könnten auch optimierte Busverbindungen für eine Belebung sorgen. Der Wirtschaftsbeirat, für den die WVL seit Jahren wirbt, könne solche Erfahrungen auch in die Innenstadtentwicklung einbringen.
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Eine Millionen Euro für Aufbau Citymanagement
Im Frühjahr soll es dann mehrere Workshops geben, die der Ideenfindung dienen. Wer nicht direkt daran teilnehmen kann, soll sich online zuschalten können. Bis zum Jahresende – so der Plan – haben die Experten einen Fahrplan für das Citymanagement entwickelt. „Es wäre schön, wenn diese Stelle im Laufe des nächsten Jahres besetzt werden würde, damit die Arbeit nahtlos ineinander übergehen kann“, wünscht sich Nussbaum.
Dass Lauenburg jetzt ein professionelles Citymanagement aufbauen kann, liegt an einer Zuwendung aus dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“. Das mit 250 Millionen Euro ausgestattete Förderprogramm soll helfen, den Strukturwandel in den Innenstädten auszugleichen. Ein Zuwendungsbescheid über fast eine Million Euro aus diesem Topf ging nach Lauenburg.