Lauenburg. Fast fünf Jahre lang verschandelte die Brandruine das Stadtzentrum. Warum der Abriss trotzdem nicht alle Probleme löst.
Dass sich ein Bürgermeister beim ersten Spatenstich fotografieren lässt, kommt häufig vor. Dieser Akt soll zeigen: Hier entsteht Neues, zum Wohle der Gemeinde. Seltener kommt es dagegen vor, dass ein Stadtoberhaupt einen Abrissbagger bewegt – und zwar nicht nur symbolisch, sondern mit vollem Einsatz.
Thorben Brackmann erfüllte sich am Freitagvormittag, 8. Dezember, einen Traum. Wie viele Kinder wollte er später einmal Baggerfahrer werden. Das hatte zwar nicht geklappt, dafür ging ein anderer Wunsch in Erfüllung, den er bei seinem Amtsantritt im April formulierte: Wenn die schäbige Brandruine im Stadtzentrum fällt, will er selbst Hand anlegen. Dafür hatte der Bürgermeister monatelang bei Behörden und Gerichten gebaggert, wie zuvor schon sein Vorgänger Andreas Thiede. Dem war es nicht mehr vergönnt, während seiner Amtszeit die Früchte der Bemühungen zu ernten.
Brandruine: Bürgermeister rammt Baggerschaufel in Lauenburgs Schandfleck
Von Felix Seidel, Inhaber des gleichnamigen Abrissunternehmens aus Hohenhorn, gab eine kurze Einweisung, wie die Steuerung des 22 Tonnen schweren Gefährts per Joystick funktioniert. Dann versenkte der Bürgermeister die Baggerschaufel in das morsche Gemäuer. Rums! Schutt und Holzbalken landeten in dem nebenstehenden Baucontainer. „Du stellst dich gar nicht schlecht an. Wenn du mal einen neuen Job brauchst, melde dich“, flachste der Firmenchef.
Von der Straße aus war von der Aktion wenig zu sehen. Aus Sicherheitsgründen erfolgt der Abriss von der Rückseite der Ruine aus. Verborgen blieb die Aktion dennoch nicht. Noch bevor sich Lauenburgs Verwaltungschef als Baggerfahrer versuchte, machten erste Bilder in einer Lauenburger Facebookgruppe die Runde. „Das ist ein Feiertag für Lauenburg. Endlich kommt der Schandfleck weg“, brachte ein Lauenburger die Stimmung auf den Punkt. Manch einer hatte offenbar schon gar nicht mehr an den Abriss geglaubt.
Bürokratische Hürden vor dem Abriss des Fachwerkhauses
Rückblick: In der Nacht zum 8. Januar 2019 stand das historische Vorwerkhaus an der Hamburger Straße lichterloh in Flammen. Es war Brandstiftung, hat die Polizei später ermittelt. Das 1730 erbaute Gebäude war nicht mehr zu retten. Für die Lauenburger Verwaltung begann ein nervenaufreibender Kampf mit der Eigentümerfamilie, Denkmalschützern, Gutachtern und Gerichten. Das alles blieb den meisten Lauenburgern verborgen. Was wuchs, war der Groll der Bewohner über den Schandfleck inmitten der Stadt.
Im Sommer vergangenen Jahres schien der Knoten endlich geplatzt: Die Stadt setzte den Abriss der Ruine mit rechtlichen Mitteln durch. Doch nun schob das Landgericht Hamburg dem Abriss einen Riegel vor. Die Versicherung weigerte sich nämlich, die Eigentümerfamilie zu entschädigen. Das Gericht entschied daraufhin, zum wiederholten Mal einen Sachverständigen zur Begutachtung des Gebäudezustandes nach Lauenburg zu schicken. Doch der ließ sich Zeit.
Abrissarbeiten der Brandruine dauern eine Woche
„Wir werden hier etwa eine Woche lang zu tun haben“, sagt Felix Seidel. Das morsche Gebäude einzureißen, ist nämlich nur das eine. Parallel dazu werden die Jahrhunderte alten Holzbalken des Fachwerkhauses und der Schutt säuberlich getrennt. Das Holz wird später zu Brennmaterial verarbeitet, der Schutt als Untergrundmaterial für den Straßenbau. Hinter dem Abbruchhaus ist wenig Platz für Bagger und Baucontainer. Weil der Abriss nun schon einmal beauftragt ist, wollen die Eigentümer auch gleich Nägel mit Köpfen machen. Der Flachbau hinter der Ruine, der zuletzt einen türkischen Kulturverein beherbergte, kommt auch gleich mit weg.
Wer nicht vom Fach ist, dürfte ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken haben, dass mehrere Gebäude direkt an die Ruine angrenzen. Nur mit sehr viel Mühe war es der Feuerwehr damals in der Brandnacht gelungen, ein Übergreifen der Flammen auf die Nachbarhäuser zu verhindern. Doch der erfahrene Abrissunternehmer sieht die Sache gelassen. „Hier ist doch eine Menge Platz. Da kennen wir ganz andere Sachen“, sagt er lachend. Wenn er und seine Mitarbeiter in einer Woche abziehen, wird nur noch eine leere Fläche an die Brandruine erinnern.
Lauenburg muss mindestens drei oder vier Jahre mit der Brachfläche leben
In der Lauenburger Facebookgruppe spekuliert man bereits, was in der exponierten Lage entstehen wird. Doch darauf weiß bisher niemand eine Antwort. Der Stadt jedenfalls sind weitgehend die Hände gebunden. „Wir können die Eigentümer nicht zwingen, dort zu bauen. Auf der anderen Seite müssen zu allen Plänen die zuständigen politischen Gremien der Stadt grünes Licht geben“, sagt Bürgermeister Thorben Brackmann.
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Vor zwei Jahren hatten die Eigentümer der Stadt den Plan eines Wohngebäudes vorgelegt, das sie an dieser Stelle errichten wollten. Doch der massive Baukörper fiel bei der Politik geschlossen durch. Der Ankauf durch die Stadt scheiterte an den Preisvorstellungen der Eigentümer. Selbst wenn die jetzt einen zustimmungsreifen Entwurf hätten, würde dann erst das langwierige Genehmigungsverfahren beginnen. „Realistischerweise müssen wir davon ausgehen, dass wir mindestens drei oder vier Jahre mit der Brachfläche leben müssen“, sagt Brackmann.