Lauenburg. In drei Wochen wird die Baustelle übergeben. Beim Blick hinter die Kulissen gibt es auch eine Erklärung für die umstrittenen Gauben.
Mir ist, als wäre es erst vor vier Wochen gewesen, als ich einen Blick hinter die Kulissen der Baustelle des Medienzentrums werfen durfte. Dabei sind inzwischen fast sechs Monate vergangen, in denen viel passiert ist. Vor allem, weil alle Beteiligten an dem ehrgeizigen Plan festhalten: Noch in diesem Jahr soll der Umbau abgeschlossen werden. Mit Jahresbeginn sollen Bücherei und Stadtarchiv in ihre neuen Räume ziehen. Das Stadtcafé wird im nächsten Frühjahr eröffnet.
Als ich im Juni mit Stadtarchitektin Marina-Wulf-Junge auf der Baustelle war, brauchte ich ziemlich viel Fantasie um mir vorzustellen, wie es hier einmal aussehen wird. Jetzt erinnern im ehemaligen Festsaal Stappenbeck nur noch ein paar Leisten, Kabelreste und Holzbohlen auf dem Boden daran, dass wir uns auf einer Baustelle befinden. Meine Begleiterin schaut mich erwartungsvoll an. Kein Wunder: Wenn sie jetzt ab und zu Besucher über die Baustelle führt, sind die restlos begeistert. Auch ich bin beeindruckt von dem, was ich sehe.
Lauenburg: Medienzentrum Stappenbeck kurz vor der Fertigstellung
Durch die weißen Wände wirkt der Saal jetzt viel größer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Der rotbraune Deckenanstrich nimmt dem Raum etwas von der Höhe. Die Stuckleisten sind mir früher nie aufgefallen, jetzt werden sie durch eine indirekte Beleuchtung hervorgehoben. Der Elektromeister lässt sich nicht lange bitten, für ein Foto die Kronleuchter im Saal in Betrieb zu nehmen. Für einen Moment mischt sich das warme Licht mit den blassen Sonnenstrahlen, die durch die Fenster fallen. Auch die kleine Bühne für Lesungen oder andere Aufführungen ist schon fertig. Der Vorhang wird in ein paar Tagen im gleichen Farbton wie der Deckenanstrich geliefert. Die Treppe daneben führt später in den Kinder- und Jugendbereich der Bücherei.
Wer den alten Festsaal noch vor Augen hat, der wird vielleicht nicht gleich bemerken, dass die verwendeten Farben ihren historischen Ursprung haben. „Nachdem wir im Gasthaus an den Wänden verschiedene Schichten abgetragen hatten, stießen wir auf rostrote und olivgrüne Anstriche“, erzählt Martina Wulf-Junge. Diese Farben haben die Planer im gesamten Gebäude aufgegriffen. Selbst in den Fliesen der Sanitärbereiche finden sich diese Töne wieder.
Hinter der Säulen des Stappenbeck gab‘s einst so manchen Kuss
Auch wenn sich der Festsaal optisch und auch funktional total verändert hat, wichtige Elemente wurden bewahrt. Ältere Lauenburger erzählen manchmal davon, welche rauschenden Feste über Generationen hinweg im Stappenbeck gefeiert wurden. Leider waren damals oft die Eltern dabei. So schrieb die Lauenburgische Landeszeitung am 14. August 1963 über einen Tanzabend mit den Matrosen vom Patenschiff Tender „Elbe“ : „Das steht seit gestern Abend fest, im Twisten sind die Blauen Jungs nicht zu übertreffen. Lauenburgs Töchter jubelten begeistert, als sie das merkten. Und selten haben die gesetzteren Jahrgänge solche wilden Körperverrenkungen gesehen.“
Wenn man den Erzählungen glauben darf, soll es im Schutz der Säulen damals so manchen verstohlenen Kuss gegeben haben – unbemerkt von den strengen Eltern im Saal. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei einigen Lauenburgern während des ersten Besuchs im neuen Stappenbeck so manche Erinnerung wach wird. Die Säulen blieben beim Umbau des Saals nahezu unverändert erhalten.
Die Aufzüge, die später in alle Bereiche führen, sind zwar schon installiert, aber noch nicht in Betrieb. Also geht es wieder über Bautreppen in die oberen Bereiche. Ich staune, wie viel Platz es in den Nebenräumen gibt. „Das hier wird der Makerspace“, sagt Martina Wulf-Junge und zeigt auf einen großzügigen Bereich in der zweiten Ebene. Ein Makerspace ist eine offene Werkstatt, in der für Benutzer unter anderem digitale Werkzeuge, wie Lasercutter oder 3-D-Drucker bereitstehen.
Im Dachgeschoss gibt es später nicht nur die Arbeitsräume für die Mitarbeiter, sondern auch großzügige Archivräume mit einem Mehrfachen an Platz als das, was Stadtarchivar Lukas Schaefer jetzt im Nebengebäude des Schlosses zur Verfügung hat. Auch die Leseräume für Nutzer des Stadtarchivs sind hier untergebracht. Die Balkenstruktur in den verwinkelten Räumen schafft eine anheimelnde Atmosphäre. Allerdings wird das uralte Gebälk noch verkleidet, erfahre ich. Schade eigentlich.
Moderne Dachgauben: Alt und neu sollen sich voneinander abheben
Ich weiß, es ist ein Privileg, schon jetzt hinter die Kulissen des neuen Stappenbeck schauen zu dürfen. Aber auch von außen sind die Veränderungen nicht zu übersehen. Die gläserne Eingangstür im neuen Verbindungstrakt ist zwar noch verkleidet, lässt das großzügige Foyer aber bereits erahnen. Von hier aus geht es später nach links in die Bücherei und nach rechts in das neue Stadtcafé.
Wobei, neu ist nicht ganz richtig. Ein Café hatte es im Gasthaus Stappenbeck schon früher gegeben. Das neue Stadtcafé wird im März von dem Lauenburger Gastronomenpaar Birgit und Hendrik Schmidt eröffnet. Auch bei diesem Gebäudetrakt haben sich die Planer an dem historischen Vorbild orientiert. Das Fachwerk am Giebel ist aufgearbeitet, und die Fassade hat mittlerweile wieder einen Anstrich wie zu den besten Zeiten des legendären Stappenbeck.
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Eine Sache sticht allerdings sofort in die Augen: Die Gauben im Dach wollen so gar nicht zu der historischen Substanz des Hauses passen. Anders als im Gebäude selbst haben die großflächigen Fenster im Dachgeschoss keine Sprossen. In einer Lauenburger Facebookgruppe wurde dies schon heftig diskutiert. Sogar von einer „Bausünde“ war die Rede.
Doch die Stadtarchitektin hält dagegen. „Ursprünglich gab es keine Gauben in dem Dach des Gasthauses. In solchen Fällen sollte auf den ersten Blick sichtbar sein, was alte Bausubstanz ist und was neu hinzugefügt wurde“, erklärt sie. Zwar stehen weder Festsaal noch Gasthaus auf der Denkmalliste, aber die Planer haben sich dem Grundgedanken des Denkmalschutzes von Anfang an verpflichtet gefühlt.
Umbau des Stappenbeck liegt im Zeit- und Kostenrahmen
Im neuen Stappenbeck geht es jetzt an den Feinschliff. Im Saal und im gesamten Untergeschoss stehen vor allem Aufräumarbeiten an, damit die Fußbodenleger in den nächsten Tagen freie Bahn haben. Martina Wulf-Junge ist jetzt zweimal in der Woche vor Ort. Böse Überraschungen erwartet sie allerdings nicht mehr. Nachdem die Kostenplanung im vergangenen Jahr um 30 Prozent nach oben korrigiert werden musste, bleibt es jetzt beim neu kalkulierten Kostenrahmen. Mit rund neun Millionen Euro schlägt das neue Medienzentrum im Stadthaushalt zu Buche.
Am 21. Dezember wird das neue Stappenbeck an die Stadt übergeben. Allerdings ist an diesem Tag keine große Eröffnungsfeier geplant. Die soll stattfinden werden, wenn Bücherei und Stadtarchiv ihr neues Domizil bezogen haben und das Stadtcafé eröffnet wird. Übrigens: Den Zeitplan für den Umbau des Stappenbeck hat die Stadt penibel eingehalten. „Das Medienzentrum ist im Herbst 2023 fertig“, versprach der ehemalige Bauamtsleiter Reinhard Nieberg immer. Allerdings erinnere ich mich gut daran, dass er stets hinzufügte: „Der Herbst endet am 21. Dezember“.