Wingst. Generationen von Schülern haben den früheren „Baby-Zoo“ im Cuxland besucht. Warum er heute vor allem mit Kindern wieder eine Reise wert ist.
Diese Gemeinde leistet sich einen eigenen Tierpark: Generationen von Hamburger Schülern haben im Laufe ihrer Schulzeit mindestens einmal eine Klassenfahrt in die Wingst gemacht – und kennen deshalb den dortigen Zoo.
Die älteren unter ihnen würden den Tierpark aber wohl nicht mehr wiedererkennen, denn er hat in den vergangenen Jahren eine Transformation „in die Neuzeit“ erlebt, die dringend notwendig und überfällig war. Und der ehemalige „Baby-Zoo“ soll sich unter neuem Namen noch weiter entwickeln.
„Baby Zoo“ in der Wingst: Tierpark hat ein gänzlich neues Konzept erhalten
Seit 50 Jahren lädt der kleine Zoo Familien zu einem Bummel durch die Tierwelt ein – idyllisch eingebettet vom Wingster Wald am Fuße des Deutschen Olymps, einem weiteren beliebten Ausflugsziel im Cuxland. Die Geschichte des Zoos ist ungewöhnlich: Heute heißt er Wingster Waldzoo und hat ein gänzlich neues Konzept erhalten.
Früher war er als „Baby-Zoo“ bekannt. Dieser wurde im Juni 1972 in der Wingst eröffnet und durch die damals weltweit größte Tierhandelsfirma L. Ruhe aus Alfeld betrieben. Der Zoo diente neben dem Schaubetrieb vor allem dem Zweck, Jungtiere per Hand aufzuziehen und sie anschließend gewinnbringend weiterzuverkaufen.
Betreiber des „Baby-Zoos“ gingen pleite – was sollte mit den Tieren passieren?
Von den heutigen Standards bei der Tierhaltung waren die Betreiber des „Baby-Zoos“ meilenweit entfernt. Die Gehege waren zu klein, teilweise standen die Tiere auf nacktem Beton. Aber der Zoo war beliebt, die Besucher konnten dort einer Vielzahl von Menschenaffenbabys, kleinen Löwen und Tigern, Elefanten und Nashörnern nahe kommen sowie einen ständig wechselnden Bestand erleben.
Die Tierhandelsfirma L. Ruhe entstand im 19. Jahrhundert und war eine der größten Großwildtierhandlungen im Deutschen Kaiserreich. Sie galt damit im Tierhandel als mindestens ebenso bedeutend wie die Tierhandlung des bekannteren Unternehmens von Carl Hagenbeck. Als die Firma Ruhe Ende 1993 in Konkurs ging, schlossen sich auch deren Pforten für immer. Die Frage war nun: Was sollte mit den Tieren im Wingster Zoo passieren?
Gemeinde Wingst wollte den Zoo erhalten
Da sprang die Gemeinde Wingst ein – und so gehört ihr nun seit genau 30 Jahren ein Zoo mit etwa 60 verschiedenen Tierarten. „Viele Anlagen entsprachen allerdings nicht mehr dem aktuellen Stand der Zootierhaltung, weshalb die Gemeinde in den Um- und Ausbau sämtlicher Anlagen sowie in die Modernisierung des Zoos einiges Geld investierte“, berichtet Zoopädagogin Anika Pinkernell bei einem Spaziergang durch die sanierte und komplett umgestaltete Anlage.
Der Park wird von der Tourismus GmbH Wingst betrieben, deren alleiniger Gesellschafter die Gemeinde Wingst ist. Bürgermeister Patrick Pawlowski fungiert als Aufsichtsratsvorsitzender, CDU-Ratsmitglied Jan Kohrs ist der ehrenamtliche Geschäftsführer der GmbH.
Ein Förderverein unterstützt den gemeindeeigenen Zoo seit der Übernahme und organisiert dort regelmäßig Veranstaltungen, wie den jährliche Kindertag Anfang Mai, die Tropennacht im Juli sowie den Patentag im Herbst. Unregelmäßig finden Tage zu einzelnen tierischen Themen statt, wie zum Beispiel ein Bienentag oder ein Wolfsabend.
Auch von den hochbetagten Löwinnen hat sich der Waldzoo inzwischen getrennt
Die Tiere im etwa 5 Hektar großen Waldzoo werden allerdings von Vollprofis betreut. Um ihre Pflege kümmern sich fünf Zootierpfleger und vier Auszubildenden sowie ein Allrounder für Garten und Handwerk. Die Leitung obliegt seit November 2016 Dr. Pierre Grothmann, er ist gleichzeitig Tierarzt für Groß- und Wildtiere.
Unter seiner Leitung wird seit 2017 eine schrittweise Entwicklung eines Wald-Konzeptes verfolgt, mit der einige Änderungen im Tierbestand ergaben.
So wurde 2018 die weiße Tigerin „Tamuti“ an den Zoo im weißrussischen Minsk abgegeben. Die Anlage, in der in den 1970er-Jahren sogar Elefanten gehalten wurden, war längst nicht mehr zeitgemäß. Heute wohnen dort und in einem Nachbargehege die vom Aussterben bedrohten Visayas-Mähnenschweine.
Auch von den letzten beiden, hochbetagten Löwinnen hat sich der Waldzoo inzwischen getrennt. Azana und Kibibi zogen 2022 in den Jaderpark an der Nordsee um, wo sie ihren Lebensabend mit einer Halbschwester verbringen.
Wingster Waldzoo fokussiert sich auf Wälder – das Konzept kommt gut an
Zum Jahreswechsel 2022 erhielt der Zoo im Cuxland den neuen Namen Wingster Waldzoo. „Mit dem neuen Auftreten bekräftigen wir unseren tierischen Fokus auf Waldbewohner verschiedener Erdteile. Wir sind der einzige Zoo mit diesem Roten Faden – die Wälder der Welt“, so Pinkernell.
Das neue Konzept kommt offenbar gut an: „Im vergangenen Jahr hätten wir bei den Besucherzahlen fast die 100.000er-Marke gerissen. Es hat nur wegen des schlechten Wetters nicht mit dem neuen Rekord geklappt“, sagt die Zoopädagogin.
Im Zentrum des Tierparks liegt ein Streichelzoo, in dem die Besucher den tierischen Bewohnern sehr nah kommen können. In vier kleinen Tropenhäusern tümmeln sich etliche kleinere Waldbewohner, darunter ein Ozelot. Die Bewohner der Tropenhäuser stammen vor allem aus den verschiedenen Wäldern Mittel- und Südamerikas.
Das nächste Projekt ist ein Lemurenwald
Die Tiere des Bambuswalds kommen dagegen überwiegend aus Südostasien und Ozeanien. Zu sehen sind unter anderem ein China-Leopard, Gibbons, Lemuren, Streifen und Erdhörnchen. Mit Biologin und Zoopädagogin Pinkernell können diese sogar in ihrem Gehege besucht werden – eine Chance, die die fünf Jahre alte Joanna gerade begeistert nutzt. „Bei uns sind viele Gehege begehbar“, sagt die Zoopädagogin.
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„Für die Kattas, die derzeit auch im Bambuswald untergebracht sind, und zwei weitere Lemurenarten planen wir einen ganz neuen Zoobereich, den 3000 Quadratemeter großen begehbaren Lemurenwald“, berichtet Pinkernell von dem nächsten große Projekt, das ansteht und möglichst noch in diesem Jahr in Angriff genommen werden soll, wenn die Förderstellen ihren Zuschlag gegeben haben.
Wölfe, Bären, Schneeeule und Polarfuchs finden sich im Bereich der „Taiga“. Die drei Braunbärinnen Mirka, Marka und Munja sind Geschwister und gehören zu den Tieren, die seit über 30 Jahren im Wingster Zoo leben.
„Nicht jeder kann sich eine Urlaubsreise in ferne Länder leisten“
Zoopädagogin Pinkernell hat den mit Schwerpunkt Umweltbildung und führt regelmäßig Gruppen bei Thementouren durch den Zoo. Sie möchte vor allem den jungen Menschen die Ziele des Zoos nahebringen. „Nicht jeder kann sich eine Urlaubsreise in ferne Länder leisten. Ich bin davon überzeugt, dass vor allem Menschen, die den Kontakt zu den bedrohten Tieren erleben konnten, sich für deren Erhalt und ihre Umwelt einsetzen“, sagt die Biologin.
Man kann im Zoo und auf dem Spielplatz aber auch einfach nur Spaß haben. Wer mag, kann an einer Escape-Rallye teilnehmen, den nötigen Spielkoffer gibt es an der Kasse. „Wir möchten, dass auch die Anwohner in Wingst und Umgebung den Waldzoo, der 365 Tage im Jahr geöffnet ist, immer wieder gern besuchen und halten deshalb die Eintrittspreise möglichst niedrig“, sagt Pinkernell. Erwachsene zahlen für ein Tagesticket 10 Euro, Kinder 6,50 Euro, ein Familienticket 31 Euro.
Weiteres Highlight in der Region: Der große Spielpark mit Sommerrodelbahn
Vor allem sei der Zoo aber natürlich ein wichtiger Bestandteil des touristischen Angebots in der Urlaubsregion, die vor allem bei Familien beliebt ist, heißt es aus der Tourismus-Gesellschaft. Zu deren weiteren Betriebsteilen gehört noch der Aussichtsturm „Deutsches Olymp“, der Kurpark Wingst mit seinen Sehenswürdigkeiten Balksee, Elchtal und Damwildgehege sowie der Spielpark Wingst mit seiner Sommerrodelbahn.