Cuxhaven. Jede Menge Schiffe, Küstenheide und Wald: Der Nordseeort ist deutlich attraktiver als sein Ruf. Ein Besuch beim neuen Kurdirektor.
So richtig auf dem Schirm haben die Hamburger die Nordseeküste Niedersachsens nicht unbedingt. St. Peter-Ording, die Lübecker Bucht und Sylt dagegen umso mehr. Das sind Orte, die scheinen im Herzen fester verankert zu sein.
Es könnte also schwierig werden für den neuen Kurdirektor von Cuxhaven, das zu ändern. Aber genau das versucht Olaf Raffel. Im November ist er von Büsum nach Cuxhaven gewechselt und (berufsbedingt) ganz angetan vom niedersächsischen Nordseeheilbad. Er erzählt, womit Cuxhaven auftrumpfen will. Und was Hamburg mit dem Nordseeheilbad verbindet.
Nordsee: Mit dem 9-Euro-Ticket nach Cuxhaven
Wer in diesem Sommer mit dem Auto an die Westküste Schleswig-Holsteins fahren möchte, muss Geduld mitbringen. Bis Weihnachten dauert der erste Schritt der Sanierung der A 23 ins westliche Schleswig-Holstein. Das dürfte für Staus auf dem Weg ans Meer sorgen. Vielleicht ist das eine Gelegenheit, einmal eine andere Ecke der Nordsee zu entdecken. Das Abendblatt hat es ausprobiert und ist mit dem 9-Euro-Ticket vom Hamburger Hauptbahnhof ins 122 Kilometer entfernte Cuxhaven gefahren. 1 Stunde und 45 Minuten hat die Fahrt gedauert, und an Bord waren jede Menge Vorbehalte gegenüber Cuxhaven, das sich in die Erinnerung als altbacken eingebrannt hat.
Ja, altbackene Ferienwohnungen im Stil der 60er- und 70er-Jahre gebe es durchaus, sagt Kristian Kamp. Der ist nicht nur der Inhaber des traditionsreichen 125 Jahre alten Strandhotels Duhnen, sondern auch Dehoga-Vorsitzender in dem 50.000-Einwohner-Ort. „Ich sehe hier viel Potenzial, gerade mit dem Elberadweg und dem Nordseeküstenradweg, der durch Cuxhaven führt. Wir haben Nordsee und Elbe vor der Tür“, sagt er.
Gosch gibt es auch in Cuxhaven
„Wir müssen diese Chance nutzen, solange ein Teil der Westküste in Schleswig-Holstein durch Bauarbeiten abgebunden ist.“ Cuxhaven sei nicht Sylt, aber: „Gosch haben wir auch“, sagt Kamps und lacht. Genauer: Seit Pfingsten hat der Sylter Jürgen Gosch eine Fischrestaurant-Filiale im Cuxhavener Ortsteil Duhnen.
Neben den vielleicht altbackenen Ferienapartments, die es so auch auf Sylt noch gibt, und der Hochhausbebauung an großen Teilen der vier Kilometer langen Strandpromenaden, gibt es auch ein anderes Cuxhaven, das durchaus etwas zu bieten hat. Schon bei der Ankunft am Bürgerbahnhof, der so heißt, weil er genossenschaftlich verantwortet wird, wird der Besucher überrascht. Anders als der schmuddelige Hamburger Hauptbahnhof ist der kleine dreigleisige Cuxhavener total sauber.
Fischereihafen erinnert an Große Elbstraße
Der Besucher fühlt sich sofort willkommen. Auf dem Weg zu den Ortsteilen am Meer kommt bei der Fahrt durch den Alten Fischereihafen richtiges HamburgGefühl auf. Der Alte Fischereihafen erinnert an die Große Elbstraße – nur etwas kleiner, aber auch authentischer. Das wird sich wohl ändern: Das Areal mit den denkmalgeschützten Fischhallen an der Ostseite des Hafenbeckens soll umgebaut und modernisiert werden. Im Inneren soll es eine Markthalle, Geschäfte und Restaurants sowie ein Design-Lifestyle-Hotel geben. Zukunftsmusik.
Wenn man Hotelier Kamp fragt, was denn den Charme seiner Heimatstadt ausmacht, sagt er, es sei die Vielfalt. „Wir haben Strand, Küstenheide und Wald direkt an der Küste. Wir haben außerdem mehrere Viersternehotels sowie ein Fünfsterne-haus, und mit dem ,Sterneck‘ sogar ein Sternerestaurant im Ort.“ Das legendäre Duhner Wattrennen steigt am 23. Juli wieder am Strand direkt vor seinem Hotel. Für die Gäste hat der Hotelier Ferngläser in den Zimmern. „Hier gibt es immer etwas zu gucken“, sagt Kamp.
Schiffsverkehr hebt Cuxhaven ab
Vor allem Schiffe. Denn was Cuxhaven von allen anderen Küstenorten abhebt, ist der rege Schiffsverkehr vor der Haustür zwischen Nordsee und Elbe. Und nicht nur das. Es gibt auch Nachhilfe beim Schiffegucken. Die Senioren des Schiffsansagedienstes auf dem Bollwerk Alte Liebe, der Seebäderbrücke, sagen jeden Tag die von der Nordsee in die Elbe ein- und ausfahrenden Schiffe an und übertragen ihre Ansagen per Lautsprecher auf die Seebäderbrücke und ins Internet, so ist die ganze Welt dabei.
Nein, das haben Sylt und Co. nicht.
„Hamburg fällt weit ab in der Besucherstatistik“
Die haben dafür mehr Hamburger Besucher. „Hamburg fällt weit ab in der Besucherstatistik“, muss Olaf Raffel zugeben. Die meisten Gäste kommen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Dabei liegt doch mit der Insel Neuwerk ein Stück Hamburg direkt vor Cuxhaven. Seit November ist der 51-Jährige Kurdirektor und Geschäftsführer der Nordseeheilbad Cuxhaven GmbH. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern (17 und 22 Jahre). In den vergangenen zehn Jahren hat er auf der anderen Seite der Nordsee gearbeitet und war Geschäftsführer der Tourismus- und Marketinggesellschaft in Büsum.
An klaren Tagen ist das Hochhaus von Büsum in der Ferne zu sehen. Raffel nutzt die Gelegenheit, für seine neue Wirkungsstätte zu werben: „Cuxhaven als nördlichste Stadt Niedersachsens steht für mich für maritime Geschichte, Einzigartigkeit und Vielseitigkeit. Ob zu Fuß, per Wattkutsche, mit dem Schiff oder einer Kombination davon, zur hamburgischen Insel Neuwerk zu gelangen oder die Küstenheide oder die preußische Festung „Fort Kugelbake“ zu entdecken. Das alles ist nur hier möglich und begeisterte schon Generationen und wird es weiterhin tun.“ Weitere Attraktionen wären etwa: Das Unesco-Weltnaturerbe Nationalpark Wattenmeer, Küstenheide und Wernerwald, der Hafen mit den denkmalgeschützten Hapag-Hallen am Steubenhöft, Schloss Ritzebüttel.
„Cuxhaven ist ein einmaliger Ort an der Nordseeküste"
Der Wald an der Küste ist der 315 Hektar große Wernerwald – benannt nach seinem Begründer, dem Hamburger Amtsverwalter Dr. A. Werner – es ist der einzige Wald an der deutschen Nordseeküste mit unmittelbarem Übergang zum Wattenmeer. „Cuxhaven ist ein einmaliger Ort an der Nordseeküste, hat großes Potenzial und ist gut für die Zukunft aufgestellt. Eines meiner Ziele ist, dass sich Cuxhaven zu einem modernen, nachhaltigen Urlaubsort weiterentwickelt“, so Raffel.
Dazu gehört es auch, den Ort aus dem digitalen Winterschlaf zu wecken: „In diesem Bereich können wir noch viel erreichen, zum Beispiel bei der Online-Buchbarkeit von Strandkörben oder anderen Angeboten. Die Gäste buchen häufig kurzfristig und über das Internet, verreisen öfter und kürzer.“ Dem müsse man entgegenkommen. „Wir planen dazu digitale Stelen und eine Web-App, WLAN-Ausbau an den Strandbereichen, Besucherlenkung und nachhaltige Mobilität.“ Dringenden Handlungsbedarf sieht er wie überall auch beim Verkehr. „Wir brauchen Konzepte, die den Urlaubern ein attraktives Alternativangebot zum eigenen Auto bieten.“
Nordsee: Publikum in Cuxhaven hat sich verjüngt
Über Besuchermangel kann sich Olaf Raffel insgesamt nicht beklagen. Die Zahlen sind mit 3,9 Millionen Übernachtungen im Jahr 2019 vor Corona sowie 2,5 Millionen Tagesgästen gut. Und auch dieses Jahr läuft gut an. „Wir sind sehr gut ins erste Halbjahr gestartet und hatten Ende Mai sieben Prozent mehr Übernachtungen als im Mai 2019.“ Geht man die Strandpromenade in Duhnen entlang, fallen durchaus viele ältere Besucher auf, neben vielen Familien mit Kindern. Aber Touristiker teilen ihre Gäste gar nicht so sehr nach Altersstruktur auf, sondern nach dem, was sie unternehmen wollen.
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„Das Publikum hat sich verjüngt“, so Raffel. Dazu beigetragen haben sicherlich Angebote wie der Kletter- oder der AdventureGolf-Park sowie Kite- und Surfspots. Wer im Ortsteil Sahlenburg mit Blick über die grün bewachsenen Dünen Richtung Nordsee im „Kliff“ sitzt und zum Sonnenuntergang einen Aperol Spritz trinkt, wähnt sich gar nicht mal im vermeintlich altbackenen Cuxhaven. Das Nordseeheilbad kann nämlich auch stylisch und modern. Außerdem bleiben die Nordsee und die Natur ohnehin immer angesagt. Egal wo.
Ausflugstipp: Das legendäre Duhner Wattrennen ist am Sonnabend, 23. Juli. Das „Pferderennen auf dem Meeresgrund“ wird seit 1902 im Wattenmeer vor Duhnen ausgetragen. Infos unter www.duhner-wattrennen.de.