Landkreis Stade. Wolfsberater machte Entdeckung bereits im Herbst. Was er von der Politik erwartet – und wann die erste Angriffe zu erwarten sind.
- In ländlichen Regionen sind sie zum Reizthema Nummer eins geworden: Wölfe
- Während vor allem Schäfer und Weidetierhalter die Lizenz zum Abschuss fordern, mahnen Tierschützer zur Rücksicht
- Tatsache ist: Auch 2024 wird es südlich der Elbe wieder zu Wolfsattacken kommen
Man könnte fast meinen, die Sache mit den Wolfsrissen in der Region südlich der Elbe hat sich erledigt – so lange ist der letzte Vorfall inzwischen her. Doch die Stille trügt, erklärt Wolfsberater Michael Ohlhoff. Und hat weitere unbequeme Nachrichten im Gepäck.
Dass es gerade etwas still geworden ist um den Wolf in Niedersachsen, wundert den Experten nicht. „Die Wiesen stehen unter Wasser, und die meisten Weidetiere sind noch im Stall“, sagt der ehemalige Profi-Musiker. Aktuell sei die Paarungszeit bei den Wölfen angebrochen – weshalb Ohlhoff Hundebesitzer dringend davor warnt, die Vierbeiner frei im Wald herumlaufen zu lassen: „Das kann lebensgefährlich werden.“
Wolfsexperte warnt vor neuen Attacken: Vier neue Rudel im Landkreis Stade
Und der Wolfsberater fürchtet, dass auch die Angriffe auf Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde bald wieder losgehen könnten. Denn er hat allein im Landkreis Stade von Oktober bis jetzt vier neue Rudel festgestellt, die bisher nicht gemeldet worden waren.
Am vergangenen Montag hatte das Thema Wolf in Niedersachsen wieder an Aktualität gewonnen. Landesumweltminister Christian Meyer und Agrarministerin Miriam Staudte (beide Grüne) stellten in Hannover Eckpunkte für einen leichteren Abschuss von Wölfen vor.
Wolfsberater Michael Ohlhoff geht davon aus, dass die politische Diskussion über den Umgang mit den etwa 500 Wölfen in Niedersachsen auch mit den neuen Plänen der Landesregierung für geregelte Schnellabschüsse und eine pauschale Herdenschutzprämie nicht zur Ruhe kommen wird. Er merkt es vor allem bei den vielen Veranstaltungen zum Wolfsmanagement, zu denen er eingeladen wird.
Einen wirklich sinnvollen Umgang mit der Wolfsproblematik könne es nur auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse geben, sagt Ohlhoff. So beantworte das neue Verfahren die Frage des Muttertierschutzes nicht. „Wir machen einfach zu viele Fehler. So hat man im Landkreis Cuxhaven eine Fähe entnommen – und der mit den Welpen alleingelassene Rüde ist dann so richtig durchgedreht“, sagt Ohlhoff.
Wölfe abschießen oder leben lassen? Michael Ohlhoff stellt sich der Diskussion
Es brauche einen vernünftigen Umgang mit dem Tier, der von Sachverstand geleitet werde, sagt der Experte. Er scheut trotz massiver Anfeindungen keine Diskussion: So stellt sich Michael Ohlhoff am Freitag, 15. März, ab 19.30 Uhr im Kulturbahnhof Holm-Seppensen unter dem Veranstaltungstitel „Wölfe abschießen oder leben lassen?“ in einer Gesprächsrunde der allgemeinen Diskussion – gemeinem mit dem Landvolk-Vizepräsidenten Jörn Ehlers und Thomas Mitschke vom Freundeskreis freilebender Wölfe.
Stades Landrat Kai Seefried wiederum wiederholte in diesem Zusammenhang seine Forderung nach wolfsfreien Zonen an den Deichen: „Die Küstenregionen müssen grundsätzlich zu Gebieten werden, in denen ein erleichterter Abschuss ermöglicht wird. Für uns als Küstenlandkreis ist der Deichschutz mit der dafür notwendigen Schafhaltung existenziell. Es geht um die Sicherheit der Menschen hinter den Deichen.“
„Bestehende Regelungen zur Wolf-Entnahme funktionieren nicht“: Landrat übt harsche Kritik
„Ich habe in der Diskussion bereits mehrfach deutlich gemacht, dass die bestehenden Regelungen zur Entnahme von Wölfen nicht funktionieren und mit ihren vielen Einschränkungen und Unwägbarkeiten auch niemandem mehr vermittelt werden können“, sagt Stades Landrat Kai Seefried. Es sei gut, dass diese Problematik jetzt auch in der Landes- und in der Bundesregierung gesehen werde.
Bereits nach den ersten Ankündigungen der Bundesumweltministerin, Abschüsse erleichtern zu wollen, hatte Seefried betont, dass es dabei auf die Details ankomme und man wirklich umsetzbare Lösungen benötige. „Gleichwohl gibt es derzeit immer noch mehr offene Fragen als Antworten“, so Seefried.
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Nach wie vor sei vieles unklar – etwa, wie die Wolfsgebiete, sogenannte „graue Zonen“ – genau festgelegt werden oder welche Voraussetzungen in diesen Gebieten für einen erleichterten Abschuss vorliegen müssen. „Man muss sich auch fragen, ob der Radius von 1000 Metern zum Abschussort überhaupt zielführend ist und wer die Entscheidungen für einen Abschuss trifft“, so der Landrat.