Rosengarten/Sehnde. Harburgs Wolfsberater Michael Ohlhoff beklagt Funde von geköpften Wölfen – und wirbt für einen respektvollen Umgang mit den Tieren.
Mitte Juli trieb zunächst ein kopfloser Kadaver eines Wolfes in einem blauen Müllsack an eine Böschung des Mittellandkanals in Sehnde bei Hannover – einen Tag später dann der ebenso verpackte Kopf des Tieres. Schon im März und April wurden ein kopfloser Kadaver eines Wolfes und etwas später ein Kopf gefunden, im Landkreis Gifhorn.
Wolfsberater Michael Ohlhoff kritisiert jeden illegalen Abschuss. Jetzt erst recht.
Wölfe in Niedersachsen: Niemand könne das Recht in seine eigenen Hände nehmen
„Den Kopf abzutrennen und – ganz allgemein – Körperteile eines toten Tieres irgendwo einfach abzulegen, ist ein Frevel an jedweder Kreatur“, sagt Ohlhoff. Jüngst hatte ein Wolf im Kreis Uelzen zehn Schafe gerissen.
Als ehrenamtlicher Wolfsberater des niedersächsischen Umweltministeriums ist er nicht nur im Landkreis Harburg tätig, sondern auch in den Landkreisen Stade, Osterholz, Wesermarsch, Cuxhaven und Uelzen. Und er ist amtlich bestellter Jagdaufseher in Rosengarten, Revierhegemeister und Falkner.
Wolfsberater vom Landkreis Harburg und Jagdaufseher in Rosengarten
Niemand könne das Recht in seine eigenen Hände nehmen und einfach einen Wolf abschießen, betont Ohlhoff: „Wir leben in einem Rechtsstaat. Und Wölfe stehen unter Naturschutz.“ Er sei nicht für oder gegen den Wolf, sagt der ausgebildete Jäger, der gerade an seiner Abschlussarbeit im Studium zum akademischen Jagdwirt schreibt. Sein Thema: die Jagd mit Frettchen.
Er bedaure, dass es noch keine Stellungnahme von der Landesjägerschaft Niedersachsen gebe, sagt Ohlhoff angesichts der grausamen Zurschaustellung der getöteten Wölfe. Laut Presseberichten wies der Kadaver bei dem jüngeren Fund Einschusslöcher auf. Ohlhoff betont, dass die Schüsse nicht unbedingt von einem Jäger abgegeben worden sein müssen. Weitere Kandidaten sind Wilderer, Sportschützen – oder wer auch immer mit einem Gewehr unterwegs ist. Mit oder ohne Waffenschein.
48 Wolfsreviere in Niedersachsen nachgewiesen
Die Landesjägerschaft ist für das niedersächsische Wolfsmonitoring zuständig. Sie hat gerade den Bericht zum zweiten Quartal 2023 (1. April bis 30. Juni) veröffentlicht, wonach in ganz Niedersachsen 2194 Wolfssichtungen, Kotspuren oder ähnliches gemeldet worden waren. Weiter heißt es: „Zum Ende des Berichtszeitraums sind 48 Wolfsterritorien (42 Wolfsrudel, vier Wolfspaare und zwei residente Einzelwölfe) für Niedersachsen offiziell nachgewiesen. Hierbei handelt es sich um Mindestwerte.“
Nach der Aufnahme des Wolfs ins niedersächsische Jagdrecht im Mai 2022 wird die Forderung vieler Tierhalter nach einem Management des Wolfsbestands durch Abschuss landesweit diskutiert. Auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach sich in einem NDR-Interview dafür aus, zumindest in einigen Regionen Niedersachsens, in denen Wölfe Probleme machen, die generell geschützte Art zu bejagen.
Ministerpräsident Weil will Wölfe bejagen lassen
Als Beispiel nannte er die Küstenregionen: Dort machten die Menschen sich Sorgen über den Zustand der Deiche, weil die Schafe nicht mehr dem Deichschutz zur Verfügung stünden. „Sie sind ständig in der Angst, dass sie tatsächlich Opfer von Wölfen werden. Das ist eine Region, da muss man die Zahl der Wölfe wesentlich reduzieren“, so Weil.
- Niedersachsen: Land stockt Gelder für Zahlungen nach Wolfsrissen auf
- 3000 Menschen in Ostfriesland protestieren gegen Wolfspolitik
- Erstes Wolfsrudel in Schleswig-Holstein: Wie groß ist Gefahr für Menschen im Segeberger Forst?
Als Wolfsberater will Michael Ohlhoff zum friedlichen Miteinander von Mensch und Wildtier beitragen. Er kümmert sich um besorgte Bürger, Hundebesitzer und Weidetierhalter, hält viele Vorträge in Gemeindehäusern, Vereinen oder Reitställen.
In Einzelfällen hält auch er den Abschuss eines Wolfs für gerechtfertigt. Etwa wenn ein Tier gelernt hat, Schutzzäune zu überwinden und sich regelmäßig das dort üppige Nahrungsangebot erschließt. Oder wenn ein Wolf wiederkehrend keine natürliche Scheu vor den Menschen zeigt und sich ihnen bis auf 30 Meter nähert.
Wolfschützer setzen 30.000 Euro auf die Ergreifung des Täters aus
Wenn aber, wie im Fall der geköpften Wölfe, wahllos ein Wolf getötet wird, könne das eher zu mehr Problemen führen, sagt der Jagdaufseher. Etwa wenn der Alpha-Rüde eines bislang unauffälligen Rudels getroffen wird, das dann auseinanderfällt. Verschiedene Tierschutzvereine haben eine Belohnung von insgesamt 30.000 Euro dafür ausgesetzt, den Wolfsfrevler ausfindig zu machen.
Allein 15.000 Euro stellt der Freundeskreis freilebender Wölfe zur Verfügung. Er beklagt die „zuletzt stark ansteigende Gewaltspirale“ im Umgang mit dem Wolf und nennt auf seiner Website mehrere Beispiele von „verschwundenen Wölfen“, die in vorangegangenen Bestandsaufnahmen verzeichnet waren und im aktuellen Monitoring nicht mehr auftauchen. Als Ursache nennen die Wolfsschützer allerdings nicht illegale Abschüsse, sondern ein lückenhaftes Monitoring seitens der Jägerschaft.
„Das Monitoring ist wichtig“, betont Wolfsberater Ohlhoff. Es bilde die Basis für einen sachlichen, fachgerechten Umgang mit den wachsenden Wolfsbeständen. „Unser größtes Problem ist nach wie vor der Datenmangel.“