Rosengarten. Michael Ohlhoff will als Wolfsberater zur friedlichen Koexistenz von Mensch und Wildtier beitragen. Welche Tipps er für Hundehalter hat.

Er war zehn Jahre Profimusiker (Sänger und Gitarrist der Band Rumble on the Beach), ist geschäftsführender Gesellschafter des Plattenlabels Bear Family Records, amtlich bestellter Jagdaufseher in Rosengarten, Revierhegemeister, Falkner. Wer den Namen Michael Ohlhoff, kurz Ohlly googelt, trifft zunächst auf den Musiker. Aber spätestens, als Ohlhoff vor ein paar Jahren zum ehrenamtlichen Wolfsberater des niedersächsischen Umweltministeriums wurde, geriet die Musik ins Hintertreffen.

Kaum hat das Gespräch begonnen, klingelt sein Smartphone. Er entschuldigt sich und nimmt den Anruf an: „Ja, pack’ das in eine Plastiktüte. Und wenn Du die Probe bei mir vorbeibringen könntest, wäre es perfekt. Ich bin noch einige Stunden unterwegs, treffe mich nachher noch mit dem Förster.“ Den Inhalt der Plastiktüte nennt der Jäger Wolfslosung. Die Exkremente der Tiere sind häufig charakteristisch voller Wildhaare und Knochen und dann gut zu erkennen. Sie liefern Daten zur Verbreitung von Wölfen und lassen durch DNA-Untersuchungen Rückschlüsse auf individuelle Tiere zu. „Unser größtes Problem ist der Datenmangel“, sagt Ohlhoff. Dies ist heute immerhin schon der zweite Fund.

In jedem Landkreis gibt es mehrere Ansprechpartner – „wer ans Telefon geht, hat den Job“

Die Landesjägerschaft Niedersachsen ist mit dem Wolfsmonitoring beauftragt. Unter wolfsmonitoring.com können auch Laien Sichtungen, Fährten oder Kot (mit Fotos/Video dokumentiert) melden, ebenso Aufnahmen von Wildkameras, wahrgenommenes Heulen oder einen Wildtierriss. „Sachverständige werten die Meldungen aus“, sagt Ohlhoff. Andere melden sich direkt bei den Wolfsberatern. In jedem Landkreis gibt es mehrere Ansprechpartner – „wer ans Telefon geht, hat den Job“.

Ohlhoff ist nicht nur im Landkreis Harburg gelistet, sondern auch in den Landkreisen Stade, Osterholz, Wesermarsch, Cuxhaven und Uelzen. Er ist im Einsatz, wenn ein Wolf unter die Räder kommt, wie kürzlich auf der A7 südlich des Maschener Kreuzes. Dann wird er von der Polizei informiert. Ohlhoff vermisst und wiegt das Unfallopfer, nimmt DNA-Proben, stellt das Geschlecht fest, schaut nach Krankheiten, packt den Wolf in einen Leichensack und übergibt ihn der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises. „Die meisten toten Wölfe, die ich untersuche, sind bildhübsche Tiere, haben keine Flöhe oder Zecken und riechen angenehm.“

Manche Wölfe haben inzwischen gelernt, Weidezäune zu überwinden

Er sei weder für noch gegen den Wolf, sagt Ohlhoff. Und bedauert die verhärteten Fronten zwischen Wolfsliebhabern und -hassern. Unter welchen Umständen Wölfe bejagt werden sollten, dazu will er sich nicht äußern. Das sei eine politische Entscheidung, betont der Jäger. Natürlich werde die Beziehung potenziell konfliktreicher: „Wir haben hier jedes Jahr einen 30-prozentigen Zuwachs“, sagt er, und das in einem dicht besiedelten Land. „Der Wolf kann nichts dafür. Als die Art im Jahr 1992 in die FFH-Richtlinie aufgenommen wurde und wir in Deutschland im Jahr 2000 die erste Reproduktion hatten, haben die Politiker aller Parteien den Wolf willkommen geheißen.“

Inzwischen gibt es immer wieder Risse von Schafen und anderen Weidetieren. Manche Wölfe haben gelernt, Zäune zu überwinden. Oftmals werde es ihnen zu leicht gemacht, sagt der Berater: „Ich bin mal zu einem Tierhalter gerufen worden, bei dem vier Schafe gerissen wurden. Sie standen hinter einem 80 Zentimeter hohen Maschendrahtzaun in einem Wolfsgebiet mit vielen Übergriffen. Wir können Weidetiere nicht mehr hinter Einfachzäunen halten. Besonders, da es in Niedersachsen eine Förderung für Weidetierhalter gibt.“ Auch Wolfsschutzzäune werden in Einzelfällen überwunden. Zum Beispiel, weil hochwachsendes Gras einen Kurzschluss im Elektrozaun auslöste und er nicht mehr unter Spannung stand.

Er bekomme Anrufe von besorgten Bürgern, von Weidetierhaltern und Pferdebesitzern

Ein Wolf, der gelernt hat, Schutzzäune zu überwinden, wird zum Problemwolf. Auch Tiere, die Menschen bis zu 30 Meter an sich herankommen lassen oder sich ihnen bis auf 30 Meter nähern, dürfen als allerletztes Mittel getötet werden, wenn ihr Verhalten zuvor gut dokumentiert ist und andere Maßnahmen, etwa Vergrämung, keine Wirkung zeigten. So empfiehlt es die DBBW (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf).

Wolfsberater sollen zur friedlichen Koexistenz von Mensch und Wildtier beitragen. Er bekomme Anrufe von besorgten Bürgern, von Weidetierhaltern und Pferdebesitzern, sagt der Berater. Er hält viele Vorträge, etwa auf Einladung von Gemeinden oder Reitställen. Neulich habe er eine Spaziergängerin mit ihrem Hund begleitet, der zuvor zweimal ein Wolf auf 80 Meter Abstand begegnet war.

Besonders große Hunde sollten aktuell unbedingt an der Leine geführt werden

„Bei solchen Nahbegegnungen handelt es sich zu 99,8 Prozent um Jungtiere“, so Ohlhoff. „Jungwölfe, die geschlechtsreif werden, werden aus dem Rudel vertrieben, das sie zuvor ein Jahr lang verhätschelt hat. Die jungen Wölfe sind neugierig, suchen Anschluss und sind dabei ziemlich paddelig.“ Gerade während der Ranzzeit der Wölfe (Januar bis März) werden große Hunde schnell als Konkurrenz wahrgenommen. Deshalb sollten sie unbedingt an der Leine geführt werden. Das gilt auch für kleinere Hunde.

Menschen, die einem Wolf begegnen, sollten sich groß machen. Keinesfalls sollten sie sich umdrehen und weglaufen, rät Ohlhoff. Man könne mit Steinen oder Stöcken nach ihm werfen – der Wolf taxiert vor einem Angriff sehr genau das Risiko, das er dabei eingeht. Kinder könnten auf Bäume klettern, kleine Hunde auf den Arm genommen werden.

2024 möchte Michael Ohlhoff an einer Schulung zum Wildsommelier teilnehmen

In seinem Rosengartener Revier lasse sich regelmäßig, etwa alle sechs Wochen, ein Wolf blicken: „Der Rüde sucht ein neues Revier. Hier herrschen für ihn perfekte Lebensbedingungen. Ich frage mich, warum hier nicht längst ein Rudel lebt“, sagt der Jäger, der gerade nebenbei ein Studium zum akademischen Jagdwirt absolviert und dafür eine Arbeit über die Jagd mit Frettchen schreibt. Außerdem arbeitet er an einem Buch. Und 2024 möchte Michael Ohlhoff an einer Schulung zum Wildsommelier teilnehmen. Wildfleisch schmeckt halt nicht nur dem Wolf, sondern auch den Menschen.