Buchholz/Winsen. Norbert Böttcher machte die Kliniken Buchholz und Winsen zum größten Arbeitgeber im Landkreis – und verrät zum Ende sein Erfolgsrezept.
Norbert Böttcher, Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, hat in das Konferenzzimmer der Buchholzer Klinik geladen. Als Espresso doppio – stark und heiß – serviert wird, ist der 67-Jährige gesprächsbereit. Cool und entspannt hält er Rückschau auf sein Lebenswerk. In 32 Jahren hat er wesentlich dazu beigetragen, aus den ehemaligen Kreiskrankenhäusern das zu machen, was sie heute sind: medizinische Hochleistungszentren. Dass dieser Weg von Herausforderungen geprägt war – geschenkt. „Das habe ich schon vergessen“, so Böttcher lächelnd.
Unter der höflichen Oberfläche, dem zurückgenommenen Ton verbirgt sich ein gewiefter Stratege, der weit blickt, stets bestens informiert und vernetzt ist und es mit großem Geschick immer wieder verstanden hat, das Beste für „seine Krankenhäuser“ herauszuholen. Der heutige Donnerstag, 31. August, ist sein letzter Arbeitstag als Geschäftsführer. Ob danach von einem Ruhestand die Rede sein kann, wird sich zeigen. „Ich habe noch viele Aufgaben und langweile mich nie“, so Böttcher.
Der Berufsweg des in Kiel geborenen und aufgewachsenen Geschäftsführers begann mit einem Flop, der sich im Nachhinein als glückliche Fügung entpuppen sollte. Böttcher, dessen Großvater und Vater ehrenamtliche Kirchenorganisten waren, vergeigte nach einem Jahr Musikstudium an der Kieler Christian-Albrechts-Universität die Aufnahmeprüfung am Musikkonservatorium – ausgerechnet an der Orgel. Und wechselte daraufhin zum Studium nach Hamburg. Nach dem Diplom als Wirtschaftsingenieur arbeitete er als Assistent des Einkaufsdirektors bei Philips.
Böttcher kam 1991 als Krankenhausdezernent in den Landkreis Harburg
Ein Trainingsprogramm des kirchlichen Berufs- und Bildungswerkes deutscher Krankenhäuser, die Führungsnachwuchs suchten, lenkte den Blick des jungen Wirtschaftsingenieurs auf die damals wenig beachtete Krankenhausbranche: Zwei Jahre lang war Böttcher im Ruhrgebiet Assistent der Geschäftsführung in drei Häusern, um mit 29 Jahren als Verwaltungsdirektor im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus der evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg durchzustarten. Mit 35 Jahren kam Böttcher 1991 als Krankenhausdezernent in den Landkreis Harburg und wurde Leiter der beiden Krankenhäuser.
„Wir waren kaum spezialisiert“, erinnert er sich an die Ausgangssituation. Das änderte sich gründlich, als 1999 aus den Kreiskrankenhäusern die Krankenhäuser Buchholz und Winsen gemeinnützige GmbH wurde. Hintergrund der Umstrukturierung: Um im Wettbewerb der medizinischen Versorger bestehen zu können, waren schnelle Entscheidungen nötig, die sich über den Kreistag kaum erzielen ließen. „Viele Mitarbeiter waren damals in Sorge, dass eine GmbH schnell verkauft werden könnte“, erinnert sich Böttcher.
Doch es sollte anders kommen. Das Unternehmensmodell, bei dem sämtliche Gewinne in die Krankenhäuser reinvestiert werden, erwies sich schnell als erfolgreich.
„Habe immer tolle Persönlichkeiten um mich gehabt“
Viele profilierte Ärztinnen und Ärzte kommen seither gern in das 1955 aus einem ehemaligen Militärkrankenhaus hervorgegangene Krankenhaus Buchholz und in das 1974 als Neubau eröffnete Krankenhaus Winsen. „Ich habe immer ein hervorragendes Leitungsteam und tolle Persönlichkeiten um mich gehabt, die das Unternehmen in medizinischer und pflegerischer Hinsicht weitergebracht haben“, lobt Böttcher.
Aus anfangs 750 Mitarbeitern sind inzwischen 2400 geworden, womit die Krankenhäuser Buchholz und Winsen gemeinnützige GmbH der größte Arbeitgeber im Landkreis Harburg ist. Die Krankenhäuser, die sich als ein Haus an zwei Standorten begreifen, beschäftigen derzeit 20 Chefärztinnen und Chefärzte.
Rund 250 junge Leute pro Jahr werden in den Krankenhäusern und der angeschlossenen Krankenpflegeschule in medizinischen Berufen ausgebildet.
Beim Aus für das Krankenhaus Salzhausen, reagierte Böttcher geschickt
Doch Böttcher kann mehr, als Krankenhäuser aufbauen. Nämlich auch schließen. Seinem Ruf als Troubleshooter wurde er gerecht, als 2015 wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektive das Aus für das Krankenhaus Salzhausen kam: Die dortige urologische Abteilung holte Böttcher ins Krankenhaus Buchholz. Das neu entstandene Gesundheitszentrum Salzhausen gehört heute zu den Kooperationspartnern der Krankenhäuser Buchholz und Winsen.
Ständig wird in beiden Häusern das medizinische Spektrum erweitert. Sowohl in Buchholz als auch in Winsen gibt es Spezialeinrichtungen zur Behandlung von Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten, die mit ihrer schnellen Verfügbarkeit so manches Leben retten. Die Geburtsabteilungen in beiden Häusern melden fast jedes Jahr neue Rekorde.
Die zertifizierten Fachabteilungen für Chirurgie erfreuen sich ebenso wie die Prothetikzentren für den Gelenkersatz höchster Anerkennung. Die Buchholzer Strahlentherapie mit zwei Linearbeschleunigern ist spezialisiert auf Tumorbehandlungen. Und fast im Jahresrhythmus werden neue Gebäude, Umbauten, Anbauten eingeweiht, für die es der Geschäftsführer immer wieder verstanden hat, auch in finanziell angespannten Zeiten Zuschüsse zu sichern.
In Buchholz sollen mehr als 100 Millionen Euro investiert werden
Mit 55 Millionen Euro ist das Krankenhaus Winsen inzwischen komplett saniert. In Buchholz sollen in vier Bauabschnitten mehr als 100 Millionen Euro investiert werden. Die ersten beiden Bauabschnitte für 20 Millionen Euro sind bereits realisiert, der dritte Bauabschnitt, ebenfalls für 20 Millionen Euro, wurde gerade begonnen.
Ein beeindruckendes Lebenswerk. Wie hat Norbert Böttcher das alles geschafft? Sein Erfolgsgeheimnis heißt: Gute Kommunikation. „Jeder Konflikt muss besprechbar gemacht werden. Das ist gar nicht so schwer, wie viele glauben“, sagt er.
Inzwischen ist er auch Präsident des DRK Harburg Land
Ein weiterer Grundpfeiler seines Wirkens: andere einbinden. Die Waldklinik Jesteburg und das Albertinen Krankenhaus in Hamburg sind Partnerkliniken. Für das Universitätskrankenhaus Hamburg, UKE, und das Krankenhaus der polnischen Universität Rzeszów sind die Krankenhäuser Buchholz und Winsen akademische Lehrkrankenhäuser.
Den Elbe-Heide-Krankenhausverbund, eine Kooperationsgemeinschaft von Kliniken in der südlichen Metropolregion Hamburg, hat Böttcher mit aus der Taufe gehoben. Um den Rettungsdienst im Landkreis Harburg zu optimieren, ließ sich Böttcher vor 30 Jahren zum Vorsitzenden des DRK Harburg Land wählen. Und ist inzwischen Präsident der 1350 Mitarbeiter zählenden Organisation. Dass er auch zu den Johannitern beste Kontakte unterhält, wer wollte daran zweifeln.
Die Weichen für die Zukunft der Krankenhäuser hat er gestellt, indem er ein länderübergreifendes Digitalnetzwerk mitinitiierte, dem im Landkreis Harburg neben den Krankenhäusern Buchholz und Winsen die Waldklinik Jesteburg angehört und auf Hamburger Seite das Asklepios Krankenhaus Harburg, das UKE und das Albertinen Krankenhaus.
Grundidee des Netzwerks, das in Deutschland einzigartig ist und für das aus Landes- und Bundesmitteln jetzt 10 Millionen Euro Zuschüsse fließen: „Wir wollen erreichen, dass nicht der Patient, sondern nur die zu seiner Behandlung notwendigen Daten transportiert werden müssen,“ so der scheidende Geschäftsführer.
Stress? Habe er immer gut wegstecken können
Läuft also für Norbert Böttcher. „Ich bin mit meinem Leben zufrieden“, sagt er. Stress? Habe er immer gut wegstecken können und nie mit nach Hause genommen. Auf seine Intuition, mit der er, ganz Musiker, die Obertöne wahrnimmt, also auch das, was bei allem Gesagten mitschwingt, hat er sich stets verlassen können.
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Auch künftig wird er sich ehrenamtlich engagieren, für das DRK und als neugewählter Präsident des Rotary Clubs. Und er wird weiter in die Elphi gehen, für die er ein Abo besitzt, dazu in das Allee-Theater in Hamburg Altona und in die Staatsoper.
Räder reparieren, das kann Technikfreak Böttcher natürlich auch
Dort sitzt er gern in der ersten Reihe, neulich sogar neben Ballett-Ikone John Neumeier. Vor allem aber will er, der so vieles bewegt hat, wieder selbst mehr in Bewegung kommen. Und zwar auf einem alten Böttcher-Fahrrad. Das war noch nie in der Werkstatt. Denn Räder reparieren, das kann Technikfreak Böttcher natürlich auch.
Zusammen mit Norbert Böttcher verabschiedet sich Dr. Christian Pott in den Ruhestand. Er war 40 Jahre lang Ärztlicher Direktor und Prokurist im Krankenhaus Buchholz. Die Nachfolge treten an: Dr. Franziska von Breunig, ehemals in leitender Funktion am UKE, Kai Uffelmann, ehemaliger Erster Kreisrat und Leiter des Finanzmanagements des Landkreises Harburg sowie Klaus-Jörg Bossow, bisher Prokurist der Krankenhäuser Buchholz und Winsen.