Hittfeld. Fahrpläne der KVG in Harburg und Umland mussten ausgedünnt werden. Mitarbeiter aus anderen Bereichen springen spontan ein.
„Wenn Sie mir morgen 55 Busfahrer bringen, stellen wir sie alle ein!“ Das sagt Katrin Driver, Geschäftsführerin der CeBus GmbH und gleichzeitig für das Personal von fünf niedersächsischen Verkehrsbetrieben zuständig. Der mit Abstand größte ist die KVG Stade GmbH. Deren gut 600 Busse sind von Lüneburg bis Cuxhaven unter anderem im HVV unterwegs, doch ein reibungsloser Betrieb ist nur mit Mühe zu gewährleisten. Meist gelinge es noch, die Fahrpläne einzuhalten. Aber wenn sich zusätzlich der Krankenstand erhöht, müssen, wie gerade im Landkreis Lüneburg, schon einmal Fahrten gestrichen werden, so Driver.
Die Personalsituation sei an den sechs Betriebsstandorten sehr unterschiedlich, sagt KVG-Sprecher Oliver Blau: „In Cuxhaven ist die Situation entspannt, da haben wir sogar einen kleinen Bewerberüberhang. Aber je näher die Betriebsstätte an Hamburg liegt, desto schwieriger wird es, Personal zu bekommen. Die Hamburger Unternehmen, vor allem die Hamburger Hochbahn AG, haben dieselben Nöte und werben intensiv um Personal.“
HVV: Hochbahn-Konkurrent KVG sucht Busfahrer sogar in Spanien
An den KVG-Standorten Hittfeld, Buxtehude und Lüneburg sei die Not am größten, so Blau. Sehr lange lag dies auch am deutlich geringeren Stundenlohn des Stader Verkehrsbetriebs im Vergleich zu Hamburg. Es habe, so Blau, Aussagen von Fahrern gegeben wie: „Ich bin gerne bei Euch und würde auch bleiben. Aber ich weiß nicht, wie ich meine Familie ernähren kann.“ Zum April wurden die Löhne bei der KVG kräftig erhöht, um 16 Prozent. Davon profitieren aktuell 730 Busfahrer und 117 Fahrerinnen, die rund 370 Linien bedienen.
Einsteiger im KVG-Fahrdienst erhalten jetzt knapp 16,70 Euro pro Stunde. Der Satz liege noch immer unterhalb der HHA, aber das sei gerechtfertigt, findet Driver: „An unseren Einsatzorten sind die Mieten niedriger. Und der Liniendienst in den Landkreisen ist weniger stressig als im hektischen Großstadtverkehr.“ Dennoch bleibt der Personalmangel. Überall werden Fahrer gesucht, auch in Speditionen. Und die können, anders als die Verkehrsbetriebe, über Tariflohn zahlen.
HVV: Fahrschul-Ausbildung für den Busführerschein kostet für KVG bis zu 15.000 Euro
Der KVG fehlen derzeit 55 Fahrer, überfällige Urlaubstage und Überstunden eingerechnet – „um den Betrieb zu gewährleisten, kann leider nicht jeder Urlaub nehmen, wann er möchte“. Es sei ein Glücksfall, wenn sich ein ausgebildeter Busfahrer – oder gern auch eine Busfahrerin – bei der KVG bewirbt, sagt die Personalchefin. Die Profis bringen den Führerschein Klasse D mit, der das Steuern von großen Bussen erlaubt. Die meisten Bewerber haben jedoch nur den üblichen Pkw-Führerschein (Klasse B). Dann ist ein zeit- und kostenaufwendiger Führerscheinerwerb nötig.
„An allen Standorten arbeiten wir mit Partnerfahrschulen zusammen“, sagt Driver. Die Erweiterung von B auf D dauere einige Monate und koste bis zu 15.000 Euro. In Einzelfällen gebe die Arbeitsagentur über die Jobcenter Zuschüsse. Ansonsten übernehme die KVG die Kosten. „Als es noch die Wehrpflicht gab, hatten wir Bewerber aus der Bundeswehr, die dort den Lkw-Führerschein gemacht hatten“, ergänzt Oliver Blau. „Das hatte die Umschulung verkürzt, verbunden mit niedrigeren Kosten.“
Für politisch gewollte Verkehrswende werden noch mehr Fahrer gebraucht
Ist der Busführerschein gemacht, folgt die Einarbeitung bei der KVG. Die neuen Fahrerinnen und Fahrer müssen ihre Betriebsstätte und ihr Fahrtgebiet kennenlernen. Wird mal ein Streckenabschnitt unpassierbar, müssen sie ausweichen können, ohne sich zu verfahren. Sie müssen die Bustechnik beherrschen und die Tarife kennen, um die Gültigkeit von Fahrscheinen kontrollieren und fragenden Fahrgästen weiterhelfen zu können. Zu all diesem Wissen kommen bei Menschen mit Migrationshintergrund gute Deutschkenntnisse, um mit Fahrgästen und Leitstelle problemlos kommunizieren zu können.
Da allerorts Nachwuchs fehlt, gleichzeitig für die Verkehrswende der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden soll und die geburtenstarken Jahrgänge allmählich in Rente gehen, rechnen Driver und Blau damit, dass sich der Personalmangel weiter verschärfen wird. Um das zu vermeiden, werben sie mit Plakaten, Flyern, Bewerbertagen an ihren Standorten und vor allem in den sozialen Medien um Auszubildende und Quereinsteiger.
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Derzeit absolvieren 15 junge Leute die Berufsausbildung zum Fahrdienst, darunter zwei Frauen und fünf Azubis mit Migrationshintergrund. „Wir arbeiten mit Bildungsträgern und Integrationskursen zusammen“, sagt Driver. Unter syrischen Geflüchteten gebe es beispielsweise ein größeres Interesse: „In Syrien haben Busfahrer einen sehr guten Ruf. Hier gilt es oft, die Deutschkenntnisse zu verbessern.“
Personalsuche in Spanien, Rumänien, Serbien
Um weiteres Fahrpersonal zu finden, schaut sich die KVG Stade aktiv in Europa um. Driver: „Wir haben ein Kooperationsprojekt in Spanien, wo die Jugendarbeitslosigkeit hoch ist. Ebenso suchen wir in Rumänien und in Serbien.“ Bevor die Anwärter ihren Wohnsitz wechseln können, muss auch hier erst einmal Deutsch gelernt werden. Beispielsweise in Serbien gibt es dazu 13-monatige Kurse am Goethe-Institut. Da das Land nicht zur EU gehört, seien hier die Hürden höher, so Driver. Für alle neuen Kollegen aus dem Ausland müsse die KVG zudem Wohnungen suchen.
Beim Fahrplanwechsel im Dezember 2021 spiegelte sich bereits die Personalnot der KVG wider. „Wir mussten in Harburg, Hittfeld, Buxtehude und der Niederlassung in Winsen die Fahrpläne reduzieren“, sagt Oliver Blau. Ein Teil der Kürzungen konnten zum Dezember 2022, nach überstandener Corona-Krise, wieder zurückgenommen werden. Zum Teil habe man sich mit Auftragsunternehmen beholfen, die für die KVG Fahrten übernahmen. Aber auch dort führten erhöhte Krankenstände dazu, dass von einem Tag zum nächsten Fahrer ausfielen.
Zur Not springen Mitarbeiter aus Werkstatt und Verwaltung ein
Einen Trumpf hat die KVG noch im Ärmel: Wenn’s besonders eng wird – etwa beim Schülerverkehr, wenn morgens alle Busse im Einsatz sind – springen Mitarbeiter aus den Werkstätten und der Verwaltung ein, die den Führerschein Klasse D haben. „Hier in Hittfeld sehen Sie morgens, wenn die Schulfahrten laufen, niemanden“, sagt Driver. „Erst ab neun Uhr herrscht hier Betrieb.“
Doch generell ist der Mangel nur durch Neueinstellungen zu lindern. Und das ist schwer genug. „Früher kamen die Fahrer auf uns zu, bewarben sich bei uns. Heute arbeiten allein drei Leute im Recruiting und suchen nach qualifizierten Arbeitskräften“, sagt KVG-Sprecher Blau.