Harburg. Hop-Betreiber VHH will Shuttle-Flotte mit autonomen Fahrzeugen ergänzen. Kommen die knuffigen Elektrobusse?

Die weiß-rot-violetten Hop-Shuttles der HVV-Firma VHH (Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein) gehören nur einige Monate nach ihrer Einführung bereits wie selbstverständlich zum Harburger Stadtbild. Nicht nur das: Sie erfreuen sich auch stetig wachsender Beliebtheit (Das Abendblatt berichtete). Im kommenden Jahr soll die Harburger Hop-Flotte Zuwachs bekommen, allerdings nicht in der gewohnten Form: Autonome Autos sollen sich in den Fuhrpark und den Dienst integrieren. Das Abendblatt fuhr zu den VHH nach Bergedorf, um Details zu erfahren.

Hört man sich die Ankündigungen der Verkehrspolitiker an, sind die Vorhaben gigantisch: 10.000 autonom fahrende Shuttles sollen laut Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks schon in sieben Jahren durch die Gegenden fahren, die auch bis dahin noch vom Nahverkehr unterdurchschnittlich erschlossen sind, also beispielsweise Harburg, und die Bürger zum nächsten U- oder S-Bahnhof oder aber zu Zielen in ihrer Nähe bringen, damit sie diese Wege nicht alle mit dem eigenen Auto zurücklegen.

So soll der „Hamburg-Takt“ ermöglicht werden, was bedeutet, dass an jedem Ort der Stadt innerhalb von fünf Minuten Nahverkehr erreichbar verfügbar sein soll.

20 autonome Versuchsshuttles – zwei Promille von Tjarks’ Zielzahl

Der Haken an der Vision: Um 10.000 Fahrzeuge der „fünften Entwicklungsebene“ – das sind die, die völlig autonom, sogar ohne menschliche Fernaufsicht, fahren dürfen – bestellen zu können, müsste es mindestens eines geben, das bereits für den Verkehr zugelassen ist und dann 9999-fach nachgebaut werden kann. Das ist allerdings nicht der Fall, denn bis zur Genehmigungsreife muss noch viel geforscht werden. Hier kommt Harburg ins Spiel.

Das Projekt „ahoi“, mit dem die VHH die Integration autonomer Fahrzeuge in die menschengelenkte hop-Flotte erproben, ist im Vergleich zur Vision der 10.000 ziemlich klein. 20 Elektrofahrzeuge sollen es werden. Zwei Promille von Tjarks’ Traumzahl. Allerdings sollen diese 20 den Weg für die restlichen 9980 ebnen, und das in ganz vielen Forschungsbereichen von der profanen Fahrzeugtechnik über die künstlich-intelligente Steuerung im Chaos des menschlichen Straßenverkehrs, die reibungslose Abwicklung der Fahraufträge, Sicherheitsfragen und die Akzeptanz bei den Kunden.

VHH haben Erfahrung mit fahrerloser Fahrgastbeförderung

„Auch das ist ein wichtiger Aspekt“, sagt VHH-Geschäftsführer Lorenz Kasch, „dass die Nutzung dieser Dienste für die Fahrgäste attraktiv ist.“

Lorenz Kasch (links) und Christoph Toss wollen in Harburg autonome Shuttles testen
Lorenz Kasch (links) und Christoph Toss wollen in Harburg autonome Shuttles testen © HA | Lars Hansen

Die VHH haben bereits Erfahrungen mit autonom fahrenden Bussen und der Akzeptanz der Kunden gemacht: In Lauenburg fuhren kleine knuffige Elektrobusse durch die enge, verwinkelte und teilweise steile Altstadt. „Tabula“ hieß das Projekt, und je reibungsloser es funktionierte, desto lieber fuhren die Lauenburger damit. Bis dahin mussten den Bussen allerdings diverse Macken ausgetrieben werden. Auch dies, Mängel zu entdecken und zu verbessern, war Ziel von Tabula.

Fahrerlos losfahren muss niemand: Ein Aufsichtsfahrer passt auf das Versuchsauto auf

Von Autonomität der Ebene fünf waren die Tabula-Busse weit entfernt: Sie konnten sich nur auf ihrem Linienweg orientieren, welcher mit Funksendern und telemetrischen Ampeln gesäumt war, und es befand sich ein “Sicherheitsfahrer“ an Bord, der zur Not eingreifen konnte. Das „begleitete Fahren“, des autonomen Fahrzeugs ist in der Systematik der Autonomisierungsebenen das „Level 3“. Damit wird auch in Harburg gestartet. Fahrerlos losfahren muss also niemand.

Das Harburger „ahoi“-Projekt soll im Frühjahr 2024 die ersten Fahrzeuge auf die Straßen bringen. „Wir fangen ganz langsam an“, sagt Christian Toss, Leiter Digitalisierung bei den VHH, „und werden zu Anfang nur in verkehrsarmen Zeiten und mit Testpassagieren sowie Sicherheitsfahrern unterwegs sein.“

Viele Forschungsfelder, ein Ziel: Die Steigerung des Autonomisieriungslevels

Dabei gilt es, die unterschiedlichsten Erkenntnisse zu sammeln. „Ein sehr wichtiger Aspekt ist zum Beispiel, wie ein autonomes Shuttle die Barrierefreiheit stets sicher gewährleisten kann, auch wenn mal ein unvorhergesehenes Hindernis im Ein- und Ausstiegsbereich auftaucht.“

Außerdem werden Aspekte erforscht, die mit der Betriebspraxis erst einmal nur indirekt zu tun haben: Die Harburger Technische Universität Hamburg arbeitet sich beispielsweise an der Technologieakzeptanz der Harburgerinnen und Harburger ab und das IKEM-Institut in Leipzig an rechtlichen Fragen.

Ein anspruchsvoller Anforderungskatalog

Wie die autonomen „People Mover“ genau aussehen werden, steht noch nicht fest, denn die europaweite Ausschreibung ist zwar schon, aber auch erst, beinahe abgeschlossen. Der Anforderungskatalog, der unter anderem neun Sitzplätze, Stehhöhe sowie genügend freie Bodenfläche für Kinderwagen, Rollstuhl oder mehrere Gehhilfen vorsieht, spricht eher gegen die schon im Hop-Einsatz befindlichen London-Taxis, aber auch die sind noch mit neuen Konzepten im Rennen. Eine grobe Orientierung für die Optik könnte das Design der Lauenburger Tabula-Busse sein, oder das Wartehäuschen-auf-Rädern-Design des „Holon Mover“, den die Hochbahn demnächst testen will. Hop-Konkurrent Moia setzt als VW-Tochter auf den ID3 als Shuttle-.Basis

Computeranimation des „Holon Mover“, den die Hochbahn parallel zum Harburger VHH-Versuch in Hamburg ausprobieren will..
Computeranimation des „Holon Mover“, den die Hochbahn parallel zum Harburger VHH-Versuch in Hamburg ausprobieren will.. © HOLON GmbH | Hand-out

Der Versuch in Harburg ist bis Ende 2025 ausgelegt. Nach den Erprobungen mit Testpassagieren bis Ende 2024 können im letzten Versuchsjahr auch ganz normale Harburgerinnen und Harburger die automatischen Autos besteigen und sich damit beispielsweise durch die interessante Doppelknoten-Baustelle kutschieren lassen. Angst vor dem Alleinsein muss dabei niemand haben: Der Harburger Test findet noch komplett im Level 3, also mit Aufsichtsfahrer, statt. Ziel ist es allerdings, dabei die Konzepte so auszureifen, dass man in einem nächsten Versuch Level 4 erproben kann, das autonome Fahren mit Fernaufsicht durch eine Betriebszentrale.

Ob dies dann auch in Harburg stattfindet, ist offen, aber nicht unmöglich: „Wir haben uns schon mit der Vergrößerung des Hop-Versuchs und dann auch mit ahoi für Harburg entschieden, weil es ein sehr vielseitiges Profil hat, mit einem verkehrsreichen Zentrum, ruhigen Außengebieten, topografischer Vielfalt und sehr unterschiedlichen Straßenführungen“, sagt Christoph Toss. „Erkenntnisse aus diesem Testgebiet lassen sich auf viele Städte übertragen.“

Wenn der Harburger Versuch beendet ist, sind es noch vier Jahre bis zum von Anjes Tjarks angestrebten Hamburg-Takt mit 10.000 Shuttles. Ein sportlicher Zeitrahmen, wenn man 2030 mehr haben will, als eine symbolische Einweihung für die Fotografen. VHH-Geschäftsführer Lorenz Kasch ist zuversichtlichj, dass man 2030 soweit sein kann: „Wir leben in einer Zeit, in der der öffentliche Nahverkehr kontinuierlich besser wird“, sagt er. „Die technologische Entwicklung beschleunigt sich!“