Millionen Euro pumpten Land und Bund in die P+S-Werften, drehten dann aber doch den Geldhahn zu. Nun wird Insolvenz angemeldet.
Stralsund. Nach wochenlangem Hoffen und Bangen haben die angeschlagenen P+S-Werften am Mittwoch Insolvenz angemeldet. Knapp 2000 Jobs stehen in den Schiffbaubetrieben in Stralsund und Wolgast damit auf dem Spiel. Über den Antrag, den Werftchef Rüdiger Fuchs am Mittwoch eingereicht hat, wird das Amtsgericht Stralsund frühestens an diesem Donnerstag entscheiden. Fuchs kündigte an, dass die Arbeiten an den Schiffsneubauten zunächst weitergehen sollen.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) bezeichnete die Insolvenz der P+S-Werften als schweren Schlag, drückte aber auch seine Hoffnung auf einen Neustart aus.
Land und Bund hatten die Auszahlung der im Mai bewilligten staatlichen Rettungsbeihilfen vor gut einer Woche gestoppt, nachdem deutlich geworden war, dass die Werftensanierung teurer wird und die 152,4 Millionen Euro Staatshilfe nur bis Jahresende reichen. Für August sollen Löhne und Gehälter der Beschäftigten bereits aus dem staatlichen Insolvenzgeld gezahlt werden. Auf den Werften sind 1771 Mitarbeiter und 116 Auszubildende beschäftigt.
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Wie P+S-Manager Fuchs sagte, strebt das Unternehmen ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung an, um das vorhandene Know-how im Unternehmen zu halten und möglichst viele Schiffe aus dem Auftragsbestand weiterzubauen. Bei der Eigenverwaltung kann das betroffene Unternehmen unter Aufsicht eines Sachwalters in einem gewissen Rahmen weiter über das Vermögen verfügen. „Wir haben niemanden, der etwas storniert oder gekündigt hat“, betonte Fuchs. Es habe aber bisher auch noch keine außergerichtliche Einigung erzielt werden können.
"Die Kollegen und Kolleginnen können Spezialschiffe bauen, wenn man sie nicht überfordert“, erklärte Fuchs, der erst seit drei Wochen an der Spitze der Werften steht. Als Grund für die finanziellen Probleme nannte er frühere Managementfehler. Die Volkswerft in Stralsund habe auf dem Weg zum Spezialschiffbauer zu viele Neukonstruktionen in zu kurzer Zeit übernommen. "Man hat sich zu viel vorgenommen“, sagte Fuchs. Ob er auch weiterhin an der Spitze der Geschäftsführung stehen wird, machte der Manager von der Entscheidung des Amtsgerichts abhängig.
Fuchs hatte nach dem Stopp der staatlichen Rettungsbeihilfe versucht, Kunden und Lieferanten von seinem Zukunftskonzept für die beiden Schiffbaubetriebe in Wolgast und Stralsund zu überzeugen. Mit dem Hauptkunden Scandlines, dessen neue Ostsee-Fähren weiter wegen bislang ungelöster Bauprobleme am Ausrüstungskai liegen, war er aber zu keiner Einigung gekommen.
Die Stimmung der Stralsunder Werftarbeiter war am Mittwoch mehr als gedrückt. Viele schwiegen, kämpften mit den Tränen. "Ich hoffe, dass es weiter geht“, "Ich hab die Schnauze voll“ und "Das ist schrecklich“ brach es aus einigen der Arbeiter heraus. Ein anderer meinte: "Jetzt ist es zu spät“.
Der Betriebsrat von Stralsund, Jürgen Kräplin, appellierte an Land und Bund, nach dem Insolvenzantrag zu ihrem Wort zu stehen. Am 21. August hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsident Erwin Sellering den Mitarbeitern Unterstützung zugesagt, soweit es der rechtliche Rahmen zulasse. „Wir erwarten, dass Land und Bund zu den Zusagen stehen und (...) sich am Fortführungskonzept beteiligen“, sagte Kräplin. "Die Kollegen glauben an einen Neuanfang. Sie vertrauen auf das Konzept von Herrn Fuchs“, betonte der Wolgaster Betriebsratsvorsitzende Carsten Frick.
Im Schweriner Landtag lieferten sich Regierung und Opposition einen Schlagabtausch über die politische Verantwortung für die neuerliche Werftenpleite. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) und Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) versicherten, dass das Land weiterhin alles rechtlich Mögliche und wirtschaftlich Vertretbare tun werde, um beide Werftenstandorte zu erhalten.
Sellering warnte vor einer "politischen Schlammschlacht“. Nach dem Insolvenzantrag erwarteten die Werftarbeiter und deren Familien "zu Recht, dass ihr Schicksal nicht zum Spielball kleinlicher parteitaktischer Manöver wird“. Er rief Linke und Grüne auf, bei der Suche nach einem Neuanfang mitzuhelfen.
Nach Ansicht von Linksfraktionschef Helmut Holter hat die Regierung mit dem kurzfristigen Stopp der staatlichen Rettungshilfen die Insolvenz leichtfertig in Kauf genommen. "Wenn ich zu entscheiden gehabt hätte zwischen Millionen und Menschen, ich hätte mich für die Menschen entschieden“, sagte Holter im Landtag. Mit der Zahlung einer weiteren Tranche der 152 Millionen Euro staatlich verbürgter Kredite hätte Zeit für die Entwicklung eines neuen Rettungskonzeptes gewonnen werden können.