In Vorpommern droht dem industriemäßigen Schiffbau das Aus. Die P+S-Werften haben Insolvenzantrag gestellt. Für die Arbeiter ist das ein bitterer Tag.

Stralsund. Um 09.05 Uhr verlässt P+S-Werftenmanager Rüdiger Fuchs das Amtsgericht durch den Hintereingang. Zum Reden ist dem sonst so eloquenten Manager nach dem Insolvenzantrag nicht zumute, er wolle zunächst erst die Belegschaft informieren, sagt er und steigt in einen blauen VW-Bus der Werft.

Für Stralsund ist ein schwerer Tag. Schiffsbau gehört seit Generationen hierher. In der Uferzone des Strelasunds stießen Archäologen vor wenigen Jahren gar auf die wohl ältesten Einbäume im Ostseeraum. Doch jetzt könnte die Schiffbautradition an der vorpommerschen Ostseeküste ein jähes Ende nehmen.

Die Stimmung der Stralsunder Werftarbeiter ist mehr als gedrückt. Viele schweigen, kämpfen mit den Tränen. "Ich hoffe, dass es weiter geht“, "Ich hab die Schnauze voll“ und "Das ist schrecklich“ bricht es aus einigen der Arbeiter kurz vor der Betriebsversammlung heraus. Ein anderer meint: "Jetzt ist es zu spät“. Allein 1200 Arbeitsplätze stehen in Stralsund auf dem Spiel, weitere 600 in Wolgast.

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Deutlicher wird Schlosser Klaus Herzog, der das alte Management der Werft für die Probleme verantwortlich macht. "Jeder kleine Mitarbeiter wusste, dass etwas schief läuft“, berichtet der 60-Jährige. Es hätten Zeichnungen und Teile für die Scandlines-Fähren gefehlt. Wochenlang sei deshalb an den Schiffen nichts geschehen. "Stattdessen wurden wir in die Werft nach Wolgast geschickt.“ Seit 1968 arbeitet Herzog auf der Werft, er hat hier gelernt. In vier Wochen sollte die Ruhephase seiner Altersteilzeit beginnen. Mit dem Insolvenzverfahren sei alles nichtig. "Ich rechne jetzt mit deutlich weniger Rente.“

Für das strukturschwache Vorpommern ist die Werfteninsolvenz ein schwerer Schlag. Die Region mit den Ostseeinseln Rügen und Usedom lebt vom Tourismus, es gibt kaum Industriearbeitsplätze, die Jugend wandert in den Westen. "Das ist ein Tag, den ich nie erleben wollte“, sagt der IG Metall-Bevollmächtige Guido Fröschke. Eine Werftenpleite wäre für die Region "beschäftigungspolitisch eine Katastrophe“.

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Auch deshalb stehen Betriebsräte und Gewerkschaft weiter hinter Geschäftsführer Rüdiger Fuchs, der auch nach dem Insolvenzantrag an seinem Fortführungskonzept für die Werften festhält und an den Schiffbau in Vorpommern glaubt. Aufträge seien bisher nicht storniert worden, sagt Fuchs. Doch auf die Frage, ob er die bautechnischen Probleme an den wichtigen Scandlines-Fähren für lösbar hält, antwortet der Werftenmanager ausweichend. Der Gewerkschaftler Fröschke geht davon aus, dass es selbst im Fall einer erfolgreichen Sanierung oder einem Werften-Verkauf an einen neuen Investor Entlassungen geben wird.

Dass eine Insolvenz auch eine Chance sein könne, hält Jürgen Popp von der Wolgaster Werft für "dummes Gerede“ der Politik. Viele Werftler würden in die Altersarmut abrutschen, weil ihnen wichtige Beitragsjahre fehlten. "Wir sind doch nur Teil der beweglichen Insolvenzmasse.“

Die Verkaufschancen für die Wolgaster Peenewerft im Insolvenzverfahren bewertete er skeptisch. "Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa steckt in einer Schiffbaukrise“, sagte er. Notwendig seien politische Entscheidungen in Brüssel. "Wenn sich Europa nicht gegen den Schiffbau in Südkorea stemmt, dann sind hier die Werften und Zulieferindustrie bald Geschichte.“