Merkel kündigte überraschend einen Besuch der von Insolvenz bedrohten P+S-Werften an. Stralsund liegt in ihrem Bundestagswahlkreis.
Berlin/Stralsund. Der Fortbestand des größten Industriebetriebes in Vorpommern steht auf der Kippe. Die knapp 2000 Beschäftigten der P+S-Werften in Stralsund und Wolgast sollen heute erfahren, wie gefährdet ihre Jobs sind. Sie waren am Morgen normal zur Arbeit erschienen. Am Mittag informiert Geschäftsführer Rüdiger Fuchs die Belegschaften über die wirtschaftliche Lage und das weitere Vorgehen. Überraschend hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Besuch in Stralsund angekündigt. Die Stadt liegt in ihrem Bundestagswahlkreis. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) und Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) wollen an den Belegschaftsversammlungen teilnehmen.
Nachdem das Land am Montag die staatlichen Hilfen für die Werften endgültig gestoppt hatte, bleibt nach Angaben von Geschäftsführer Fuchs nur noch die Insolvenz. Er wird nach eigenen Angaben voraussichtlich am Mittwoch den Insolvenzantrag stellen.
Die Werften sind schon seit 2009 in Schwierigkeiten. Lieferverzögerungen bei zwei Großfähren und zwei Spezialschiffen hatten die Situation weiter verschärft. Das Sanierungskonzept war laut Sellering schließlich gescheitert, weil sich das von Land und Bund verbürgte Rettungspaket über 152 Millionen Euro als unzureichend herausgestellt hatte und eine Aufstockung der Mittel rechtlich nicht möglich ist. Von den Krediten zur Sicherung der Liquidität seien etwa 70 Millionen Euro bereits ausgereicht worden. Land und Bund stehen zudem für reguläre Schiffbaukredite in Höhe von insgesamt 326 Millionen Euro gerade.
Wie der Betriebsrat der Stralsunder Volkswerft, Jürgen Kräplin, am Morgen sagte, herrscht eine sehr bedrückte Stimmung unter den Schiffbauern. Er erwarte, dass das Land die Volkswerft jetzt nicht hängen lasse. "Wir müssen die bestehenden Aufträge abarbeiten, damit wieder Geld in die Kasse der Werft kommt.“ Die Volkswerft müsse als Ganzes erhalten bleiben, verlangte er. Sellering und Glawe hatten am Vortag Hilfe "im Rahmen des rechtlich Möglichen und wirtschaftlich Vertretbaren“ angekündigt.
Nach dem vorzeitigen Scheitern der Rettungsbemühungen für die P+S-Werften rückte die Opposition Fragen der politischen Verantwortung in den Blickpunkt. Linke und Grüne warfen Bund und Land vor, nicht über die tatsächliche wirtschaftliche und finanzielle Lage der Werften im Bilde gewesen zu sein, als im Mai das Rettungspaket beschlossen wurde. "So ist für uns bislang nicht erklärbar, warum die Landesregierung trotz Treuhandverwaltung vor wenigen Wochen von den Liquiditätsproblemen der Werft überrascht wurde“, erklärte der Grünen-Landtagsabgeordnete Jürgen Suhr.
Auch nach Ansicht der Linken gibt es Fragen zum Krisenmanagement: "Offensichtlich hat der Bund die Verwendung der ausgereichten Bürgschaften nicht sorgfältig kontrolliert“, monierte der Linke-Landeschef und Bundestagsabgeordnete Steffen Bockhahn. Er deutete an, dass der von Bund und Land gemeinsam verbürgte Rettungskredit über 152 Millionen Euro von vornherein zu klein gewesen sein könnte. Anders lasse sich das Scheitern des Rettungspakets nach nur drei Monaten kaum erklären. "Zudem bleibt offen, ob die Kanzlerin, in deren Wahlkreis die Werften liegen, in diesem Verfahren Einfluss genommen hat“, erklärte Bockhahn. (dpa)