Nach Angaben des Ministeriums wurden erneut in Proben des Herstellers Harles und Jentzsch in Uetersen extreme Dioxin-Belastungen gefunden.
Kiel. Analysen der Futterfett-Proben des Herstellers Harles und Jentzsch in Uetersen (Schleswig-Holstein) haben erneut extreme Dioxin-Belastungen ergeben. Nach Angaben des Umweltministeriums in Kiel vom Sonnabend lagen sieben von acht Testwerten über dem Limit. Mindestens eine Probe überschritt dabei den zulässigen Grenzwert fast um das 73-fache.
Die acht Proben erreichten nach Ministeriumsangaben Belastungen zwischen 0,39 Nanogramm (ng/milliardstel Gramm) und 54,67 ng. Erlaubt sind maximal 0,75 ng. Von 112 Proben sind den Angaben zufolge mittlerweile 38 analysiert. 25 davon lagen über dem Grenzwert. Bereits am Freitag waren Probenergebnisse veröffentlicht worden. Dabei war die Giftdosis im schlimmsten untersuchten Fall knapp 78 Mal so hoch wie erlaubt. (dpa)
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Grenzwert im Dioxin-Skandal 77-fach überschritten
Der Dioxin-Skandal um verseuchtes Tierfutter hat früher begonnen als bisher bekannt. Nach Angaben des Kieler Landwirtschaftsministeriums lieferte die Uetersener Firma Harles und Jentzsch schon im Frühjahr 2010 dioxinbelastetes Fett an Futtermittelhersteller und brachte den krebserregenden Stoff so in Lebensmittel. "Wir haben Strafanzeige erstattet", sagte Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf (CDU) dem Abendblatt. Sie warf der Firma vor, seit März 2010 in mindestens drei Fällen bei Fettkontrollen überhöhte Dioxinwerte festgestellt, dies den Behörden aber verschwiegen und die Ware so in den Verkehr gebracht zu haben. Gegen den Futterfettproduzenten ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.
Neue Rückstellproben der Firma wiesen am Freitag eine Belastung auf, die um das 77-Fache über dem zulässigen Dioxin-Grenzwert lag. Die Werte von zehn weiteren Proben reichten von 0,66 bis 58,17 Nanogramm pro Kilogramm, wie das Ministerium mitteilte. Der zulässige Grenzwert von 0,75 Nanogramm wurde in weiteren neun Fällen überstiegen. Bisher hatte die höchste bekannte Belastung 13-fach über dem Grenzwert gelegen.
Erste Betriebe in Niedersachsen dürfen wieder Eier verkaufen
Wegen des Dioxin-Skandals wurden dem Bundesagrarministerium am Freitag mehr als 4700 Betriebe als gesperrt gemeldet. Am Nachmittag kam zum ersten Mal ein Unternehmen aus Baden-Württemberg hinzu. Es geht um mögliche Giftablagerungen in Eiern, Geflügel und Schweinefleisch. Mit rund 4500 gesperrten Höfen ist Niedersachsen nach wie vor am härtesten von den Vorsichtsmaßnahmen betroffen. Allerdings können die ersten Bauern hier auch wieder aufatmen: Einige Legehennenbetriebe etwa in den Kreisen Cloppenburg, Vechta und Osnabrück dürfen wieder Eier verkaufen. Nächste Woche könnten nach Einschätzung des Agrarministeriums die meisten Höfe bereits wieder geöffnet werden. Die Hamburger Gesundheitsbehörde erhielt am Freitag die Mitteilung, dass auch ein Bergedorfer Ferkelzuchtbetrieb mit rund 2000 Tieren dioxinverdächtige Futtermittel von einem niedersächsischen Händler erhalten hat. "Wir haben aber auf eine Sperrung des Betriebs verzichtet, weil die Dioxin-Belastung des Futters rechnerisch nicht nur unter den gesetzlichen Höchstwerten liegt, sondern auch unter dem sogenannten Aktionswert", sagte Behördensprecher Rico Schmidt. Dieser Aktionswert lege fest, ab welcher Kontamination die Behörde aktiv werden müsse. Das Futter gelte somit als verkehrsfähig.
Friteusenfett könnte Quelle für das Ultragift gewesen sein
Unterdessen gibt es erstmals eine Spur, wie das Dioxin ganz am Anfang in die Fette gelangt sein könnte. Das niedersächsische Agrarministerium lässt prüfen, ob vielleicht Friteusenfett aus dem Ausland die Quelle für das Ultragift war. Harles und Jentzsch bekamen Fett von dem Biodieselhersteller Petrotec, der Reststoffe aus Imbissen und Friteusen verarbeitet. In der kommenden Woche solle anhand von Proben geklärt sein, ob Petrotec Altfette bezog, die mit Dioxin belastet waren, sagte Agrarstaatssekretär Friedrich-Otto Ripke (CDU) in Hannover.
"Kriminelle Energie" brachte Verursacher Millionenprofit
Während Petrotec laut Ripke ihre Industriefette korrekt gekennzeichnet habe, machte der Staatssekretär keinen Hehl aus seinem Verdacht, dass es beim Empfänger Harles und Jentzsch nur ums schnelle Geld ging: "Dahinter vermuten wir Vorsatz und kriminelle Energie." Ripke rechnete vor, industrielle Fette hätten einen Marktwert von 500 Euro, Fette fürs Tierfutter 1000 Euro. Rechnet man dies auf die in Niedersachsen zwischen dem 11. November und dem 13. Dezember möglicherweise von der Uetersener Firma verarbeiteten 2482 Tonnen Industriefette um, ergibt sich ein zusätzlicher Gewinn von mehr als einer Million Euro.
Hamburger Verbraucherschützer kritisieren Gesundheitsbehörde
Die Hamburger Verbraucherzentrale kritisierte unterdessen die Einschätzung der Hamburger Gesundheitsbehörde zur Gefährlichkeit von Dioxin. Die Behörde hatte vorgerechnet, dass ein Mensch mit 75 Kilogramm Körpergewicht pro Woche 80 Eier essen könne, ohne die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegte Obergrenze zu überschreiten. "Diese Rechnung kann nicht so stehen bleiben. Denn schon durch den Genuss eines mit zwölf Pikogramm verseuchten Eis pro Tag nimmt ein sieben- bis achtjähriges Kind mit 25 Kilo Körpergewicht mehr Dioxin auf als tolerierbar ist", sagte Ernährungsexperte Armin Valet.
Die Umweltorganisation Greenpeace forderte eine deutlich stärkere staatliche Kontrolle für die Futterwirtschaft. Derzeit komme nur ein Kontrolleur auf rund 1200 Futtermittelbetriebe, sagte Manfred Santen, Chemiker bei der Umweltorganisation Greenpeace. "Da ist es nicht verwunderlich, wenn es Monate dauert, bis Daten über giftige Stoffe im Tierfutter öffentlich werden."