Der Autor wurde 1960 als zwölfjähriger Schüler im evangelischen Internat Gaienhofen am Bodensee von einem Lehrer mehrfach missbraucht.

Hamburg. Immer mehr Prominente in Deutschland geben sich als Opfer sexuellen Missbrauchs während ihrer Schulzeit zu erkennen. Der Schriftsteller Bodo Kirchhoff beschreibt in einem Beitrag für den „Spiegel“, wie er als Zwölfjähriger 1960 im evangelischen Internat Gaienhofen am Bodensee von einem Lehrer wiederholt missbraucht wurde. Der Heimleiter und Religionslehrer, sein „ein großartiger Kantor und verdammter Päderast“ gewesen, schreibt der 61-Jährige. Der Mann habe ihn „unter immer neuen Vorwänden auf sein Zimmer“ geholt.

In seinem Beitrag schreibt der Schriftsteller, wie er über Jahre versucht habe, den Missbrauch in Worte zu fassen: „Ich musste über etwas sprechen, zu dem es keine Sprache gab, ich musste mir eine erfinden.“ Trotz der sexuellen Liberalisierung der nachfolgenden Jahrzehnte sei ihm dies bis heute nicht wirklich gelungen: „Der ganze Sex-Sprachmüll hat die Sprachnot der betroffenen nicht gelindert, im Gegenteil: Für die schlichte Wahrheit gab es jetzt gar keine Worte mehr. Und lieber behält man intimen Schmutz für sich, als ihn einer schmutzgierigen Welt auszusetzen, die sich nur respektlos erschüttert zeigt.“ Der Lehrer dagegen sei „mit Billigung der evangelischen Landeskirche davongekommen“.